Krankheitsfördernde Proteine gezielt abbauen |
Caroline Wendt |
29.04.2025 12:00 Uhr |
Bei einem Publikumsdialog des Zukunftsclusters Proxidrugs beantworteten Professor Dr. Maike Windbergs, Professor Dr. Aimo Kannt, Professor Dr. Daniela Krause und Dr. Ingo Hartung (v. links) die Fragen der Zuhörenden zu den sogenannten molekularen Sekundenklebern. / © Jürgen Lecher
Viele Krankheiten werden durch außer Kontrolle geratene oder fehlerhaft funktionierende Proteine verursacht. Klassische, kleine Moleküle zielen daher darauf ab, Proteine zu blockieren, um beispielsweise das unkontrollierte Wachstum von Krebszellen zu stoppen. »Das funktioniert allerdings bei etwa 80 Prozent der Proteine nicht, da sie kein aktives Zentrum haben«, infomierte Professor Dr. Nicolas Thomä von der École Polytechnique Fédérale de Lausanne auf einem einen Vortrags- und Diskussionsabend für Bürgerinnen und Bürger in Frankfurt am Main.
Anlass war der Start der zweiten Umsetzungsphase des Zukunftclusters Proxidrugs. In dem Forschungsprojekt entwickeln Partner aus der akademischen und industriellen Forschung unter Sprecherschaft der Goethe-Universität neue Therapieansätze für ein breites Spektrum an Krankheiten. Es wird durch das Bundesforschungsministerium seit 2021 als Zukunftscluster gefördert wird.
Die Forschenden nehmen dabei Proteine ins Visier, die bislang therapeutisch nicht zugänglich waren. Die Hauptrolle spielen dabei sogenannte Proxidrugs. Das Akronym steht für »proximity induced drugs«, also »durch Nähe induzierbare Wirkstoffe«. Thomä erklärte den Ansatz: Im Stoffwechsel jeder Zelle würden ständig Proteine gebildet und wieder abgebaut. An abzubauende Proteine hänge die Zelle das kleine Protein Ubiquitin an. Dies geschehe mithilfe bestimmter Enzyme, sogenannter E3-Ligasen. Die Ubiquitin-Markierung signalisiere dem »Schredder« der Zelle (Proteasom), dass die markierten Proteine nicht mehr gebraucht werden und stattdessen abgebaut und recycelt werden können.
Die Forschenden versuchen nun, diesen Stoffwechselweg gezielt zu nutzen: Proxidrugs sollen krankheitsrelevante Proteine in die räumliche Nähe solcher E3-Ligasen bringen. »Wir sprechen von Proximitätsinduktion, die man sich auch als molekularen Sekundenkleber vorstellen kann,« so Thomä. Dadurch erhielten krankheitsrelevante Proteine die Abbau-Markierung mit Ubiquitin und würden von der Zelle selbst entsorgt.
Zudem hoffen die Forschenden, die Proteine darüber hinaus mit weiteren Funktionen versehen zu können. »Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir mit dieser Kleberfunktion noch weitere Funktionalität in die kleinen Moleküle hineinbringen können, um bislang nicht heilbare Krankheiten therapieren zu können«, so Thomä.
Eine große Herausforderung sei unter anderem die schlechte Wasserlöslichkeit der neuen Wirkstoffe, erläuterte Professor Dr. Maike Windbergs der Pharmazeutischen Technologie der Goethe-Univerität Frankfurt bei einem anschließenden Publikumsdialog. Zudem seien die Proximitätsinduktoren relativ große Moleküle. Diese beiden Probleme gelte es mithilfe der pharmazeutischen Technologie zu lösen, so die Apothekerin: »Es ist meine Aufgabe, diese Moleküle an ihren Wirkort im Körper zu bringen und Barrieren wie die Darmschleimhaut oder bei neurologischen Erkrankungen die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden.«
Die Forschung sei in den letzten vier Jahren bereits gut fortgeschritten. »In der Krebsforschung sind wir in vielen Bereichen schon in klinischen Studien recht erfolgreich«, berichtete Professor Dr. Daniela Krause von der Universitätsmedizin der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz weiter. Hier könnten die ersten Medikamente bereits in zwei bis drei Jahren auf dem Markt sein. Bei anderen Erkrankungen wie Alzheimer müssten wohl noch 15 bis 20 Jahre vergehen, bis man zur Marktreife komm. Doch der Weg sei der richtige, so Krause.