Krankenkassen kritisieren DiGA |
Lukas Brockfeld |
03.04.2025 16:12 Uhr |
Digitale Gesundheitsanwendungen sollen unter anderem Menschen mit psychischen Problemen helfen. / © Getty Images/Justin Paget
Seit September 2020 stehen die ersten DiGA flächendeckend als Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zur Verfügung, seitdem wurden 67 weitere Anwendungen in den GKV-Leistungskatalog aufgenommenen und neun wieder gestrichen. Bis 31. Dezember 2024 wurden insgesamt über 1 Million DiGA ärztlich verordnet oder von den Krankenkassen genehmigt. Dies entspricht Leistungsausgaben der GKV für DiGA in Höhe von 234 Millionen Euro. Das geht aus dem neuen DiGA-Bericht des GKV-Spitzenverbandes für das Jahr 2024 hervor.
Die DiGA erfreuen sich demnach zunehmender Beliebtheit und verzeichnen ein ein kontinuierliches Wachstum. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Inanspruchnahme 2024 um etwa 85 Prozent angestiegen. Am häufigsten werden DiGA zur Behandlung von psychischen Erkrankungen in Anspruch genommen (30 Prozent). Aber auch DiGA, die Stoffwechselkrankheiten adressieren (28 Prozent), und DiGA bei Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems (16 Prozent) werden häufig genutzt.
Doch der GKV-Spitzenverband (GKV-SV) ist über diese Entwicklung nicht glücklich. Er betont, dass auch DiGA nachweisen müssten, dass sie wirtschaftlich, zweckmäßig und medizinisch notwendig sind, um von den Krankenkassen übernommen zu werden. »Werden diese Kriterien einer Bewertung tatsächlich zugrunde gelegt, kann die Bilanz auch nach nunmehr vier Jahren DiGA in der Versorgung leider nur ernüchternd ausfallen. Das Verfahren zur Implementierung der DiGA in den GKV-Leistungskatalog hat sich aus Sicht der Beitragszahlenden nicht bewährt«, schreibt Stefanie Stoff-Ahnis, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des GKV Spitzenverbands, im Vorwort des Berichts.
Der GKV-SV verweist darauf, dass nur 12 der 68 im DiGA-Verzeichnis aufgenommenen Anwendungen ihren Nutzen von Beginn an nachweisen konnten. Das sei besonders problematisch, da für DiGA ohnehin schwächere Evidenzanforderungen gelten als für andere Medizinprodukte.
Der GKV-SV begrüßt grundsätzlich, dass immer mehr DiGA nach ihrer Erprobungsphase den Sprung in die dauerhafte Aufnahme schaffen. »Aber der Anteil von Anwendungen, die zunächst ohne einen nachgewiesenen Nutzen auf die Smartphones und Tablets der Patientinnen und Patienten gelangen, ist mit über 80 Prozent unverändert hoch. Das macht sie zu Versuchskaninchen und sorgt für Unsicherheit und mangelnde Akzeptanz sowohl bei der verordnenden Ärzteschaft als auch bei den Patientinnen und Patienten selbst«, erklärt Stefanie Stoff-Ahnis.
Doch nicht alle sehen die Ergebnisse des DiGA-Berichts so negativ wie der GKV-Spitzenverband. Der SPD-Digitalexperte Matthias Mieves schrieb auf der Social-Media-Plattform LinkedIn, dass die aktuellen DiGA-Zahlen ein »gutes Signal« seien. »Für mich ist klar, dass DiGAs Teil einer modernen Gesundheitsversorgung sind. Die Bekanntheit, der Zugang und das Vertrauen in digitale Lösungen müssen weiter gestärkt werden – dies gilt übrigens für alle Bereiche«, so der Sozialdemokrat. Er schaue gespannt auf die »tollen und kreativen Lösungen«, die die Unternehmen in Zukunft entwickeln werden.
Der Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung (SVDGV) attestiert dem DiGA-Bericht »gravierende inhaltliche wie qualitative Mängel« und wirft dem GKV-SV »haltlose Behauptungen« vor. »Es ist bedauerlich, dass mit dem vierten DiGA-Bericht erneut die Chance versäumt wurde, den Anspruch einer sachlich neutralen Darstellung der Versorgung mit DiGA bereitzustellen«, erklärt Anna Haas, Vorständin im SVDGV, in einer Pressemitteilung. Der Verband hat eine 19-seitige Stellungnahme zum Bericht und zu den Positionen des GKV-SV veröffentlicht.
Auch der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) kritisiert die Ausführungen des GKV-SV und spricht sich für eine Beibehaltung der bisherigen Praxis aus. »Mit der frühzeitigen Integration von DiGAs hat Deutschland bewusst die internationale Vorreiterrolle gewählt. Um diesen Vorteil zu nutzen, müssen regulatorische Anforderungen verhältnismäßig bleiben. Der vfa unterstützt den Einsatz randomisierter klinischer Studien im Aufnahmeverfahren zum DiGA-Verzeichnis, lehnt jedoch eine arzneimittelähnliche Zulassung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) ab. Solche überzogenen Anforderungen würden unnötige Hürden schaffen und zu noch mehr Bürokratie führen. Das bremst Innovationen aus«, erklärt Dennis Geisthardt, Leiter des Digital-Hubs im vfa.