Krankenkassen könnten Milliarden sparen |
Seit dem Jahreswechsel müssen die meisten gesetzlich Versicherten höhere Zusatzbeiträge zahlen. / © GettyImages/
Eisenlohr
Die Finanzsituation der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist angespannt. Allein im vergangenen Jahr verzeichneten die Kassen ein Defizit von mehr als 6 Milliarden Euro. Zum Jahreswechsel haben daher fast alle Krankenkassen ihre Zusatzbeiträge deutlich erhöht. Das sorgte zumindest kurzfristig für Stabilität. Die meisten Krankenkassen meldeten zum Jahreswechsel wieder Überschüsse. Gleichzeitig mahnen Vertreter der GKV, dass die Kosten des Gesundheitssystems immer weiter steigen und dass die Kassen bald wieder rote Zahlen schreiben werden.
Auf einen Großteil der Ausgaben haben die Kassen nur geringen Einfluss. Eine neue Studie von Deloitte kommt aber zu dem Ergebnis, dass sie dennoch Milliardenbeträge einsparen könnten. Nach den Berechnungen könnten die Kassen insgesamt acht bis 13 Milliarden Euro und damit etwa zweieinhalb bis vier Prozent ihrer Gesamtausgaben in Höhe von 327 Milliarden Euro über die nächsten zwei bis vier Jahre einsparen. Das entspricht 0,4 bis 0,7 Prozentpunkten des Beitragssatzes, wie Deloitte in einer Pressemitteilung erklärt.
In Zeiten steigender Beiträge könnten die Krankenkassen demnach einen gewissen Beitrag zur Kostendämpfung leisten. Erst im vergangenen Jahr hatte der zuständige Schätzerkreis vorgeschlagen, den durchschnittlichen Zusatzbeitrag für 2025 um 0,8 Prozentpunkte anzuheben. Für die vorliegende Berechnung wurden die Leistungsausgaben sowie die Verwaltungsausgaben auf der Basis vorläufiger Rechnungsergebnisse für das Jahr 2024 betrachtet. Für sonstige Aufwendungen der Kassen von rund zwei Milliarden Euro wurden keine Einsparpotenziale berechnet.
Auf die Leistungsausgaben von rund 312 Milliarden Euro haben die Kassen wenig Einfluss, da der Anspruch der Patienten auf die Leistungen im Sozialgesetzbuch weitgehend festgeschrieben ist. Nach Deloitte-Berechnungen könnten die Krankenkassen hier sieben bis 12 Milliarden Euro (rund zwei bis vier Prozent) einsparen, insbesondere durch die Optimierung von Prozessen sowie den Einsatz digitaler Technologien. So könne vielfach die Prüfung eingereichter Krankenhausrechnungen verbessert werden; in geringerem Umfang gelte das auch für die Prüfung von Arzneimittelabrechnungen sowie bei der Bewilligung von Krankengeld und medizinischen Hilfsmitteln.
»Um die eigene Wettbewerbsfähigkeit in der aktuell angespannten Finanzlage zu stärken, sind die Kassen gut beraten, Kosten zu reduzieren«, sagt Gregor-Konstantin Elbel, verantwortlicher Partner für den Bereich der Kostenträger und Kassen bei Deloitte. »Entsprechendes Potenzial ist vorhanden. Doch zur Wahrheit gehört auch: Für umfassende Einsparungen im Gesundheitswesen ist der Gesetzgeber mit weitreichenden Reformen gefragt.«
Mehr Einfluss haben die Kassen laut Deloitte auf ihre Verwaltungsausgaben, die mit knapp 13 Milliarden Euro einen wesentlich geringeren Anteil der Gesamtausgaben ausmachen. Nach der vorliegenden Analyse können die Krankenkassen dabei mittelfristig bis zu einer Milliarde Euro (8 Prozent) einsparen. Maßnahmen wie eine stärkere Konsolidierung des Einkaufs oder effiziente Bürokonzepte könnten helfen, Kosten zu senken.
Ähnlich wie bei den Leistungsausgaben bestehe auch bei den Verwaltungsausgaben ein erhebliches Einsparungspotenzial durch die Standardisierung und Automatisierung von Prozessen. Der Einsatz digitaler Technologien wie künstlicher Intelligenz könne außerdem zur Beschleunigung von Prozessen, besserem Service und der Entlastung von Mitarbeitenden beitragen.
»Bei einer Krankenkasse mittlerer Größe gehen in einem durchschnittlichen Jahr rund eine Million genehmigungspflichtige Anträge auf Hilfsmittel ein. 850.000 davon werden manuell genehmigt und beantwortet«, sagt Elbel. »Das bindet rund 200 Mitarbeitende in Vollzeit, ist aber wenig effizient.«
Effizienzsteigerungen sind laut Elbel auch im eigenen Interesse der Kassen. Vor dem Hintergrund der Beitragssteigerungen in Rekordhöhe im vergangenen Herbst waren nach einer repräsentativen Deloitte-Befragung zu Beginn diesen Jahres 17 Prozent der GKV-Versicherten bereit, ihre Kasse zu wechseln. »Sollten diese rund zehn Millionen Versicherten tatsächlich wechseln, sorgt das für einen zusätzlichen Verwaltungsaufwand und sinkende Einnahmen bei den Kassen, die die Versicherten verlassen möchten«, sagt Elbel.
Die Einsparpotenziale basieren nach Angaben von Deloitte auf einer Benchmarking-Analyse. Auf der Basis umfangreicher Projekterfahrungen sowie öffentlich zugänglicher Finanzkennzahlen seien die größten Ausgabenbereiche der in diesem Bereich effizientesten Krankenkasse als Benchmark definiert worden. Die Differenz zwischen der Benchmark und den übrigen Kassen ergebe das Einsparpotenzial. Faktoren unter anderem für die Demografie und die Morbidität der Versichertenstruktur sowie für die regionalen Besonderheiten der GKV-Landschaft in Deutschland wurden demnach berücksichtigt.