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Gentherapie

Korrektur hämatopoetischer Stammzellen durch mRNA-Transfer

Stammzellen des hämatopoetischen Systems stehen immer wieder im Fokus komplexer Therapieoptionen. Enthalten sie lebensbedrohliche Zellen, werden sie im Rahmen von Knochenmarktransplantationen durch Spenderzellen ersetzt. Durch gentherapeutische Ansätze lassen sich zudem defekte Gene in den Stammzellen korrigieren. Jetzt deutet sich ein mRNA-Transfer als eine weitere Option an, um Probleme bei hämatopoetischen Stammzellen zu korrigieren.
AutorKontaktTheo Dingermann
Datum 28.07.2023  16:30 Uhr

Hämatopoetische Stammzelle (HSC) im Knochenmark besitzen zwei fundamentale Eigenschaften. Zum einen sind sie in der Lage, sich selbst zu erneuern und somit das Reservoir dieser Zellen weitgehend konstant zu halten. Zum anderen differenzieren sie sich in die vielen unterschiedlichen Zellen, die im Blut zirkulieren und die Versorgung des Organismus mit Sauerstoff, die Kontrolle der Blutgerinnung und die vielfältigen Funktionen des Immunsystems sicherstellen. Wegen dieses umfangreichen Funktionsspektrums, das von diesen Zellen abhängt, können große Probleme entstehen, wenn mit diesen Zellen etwas nicht stimmt.

Erforderliche Korrekturen sind auf der einen Seite gut etabliert. Andererseits sind sie komplex und teils mit großen Belastungen für die betroffenen Patienten verbunden. In aller Regel muss der vorhandene, defekte Stammzellpool zerstört und durch ein unmodifiziertes oder ein gentherapeutisch modifiziertes Transplantat eines Spenders ersetzt werden.

Forschende um Professorin Dr. Laura Breda von der Abteilung für Hämatologie am Children's Hospital in Philadelphia stellen in einer Arbeit im Fachjournal »Science« einen eleganten Weg vor, um einerseits die Funktion eines defekten Gens zu korrigieren und anderseits einen Stammzellpool zu zerstören, ohne die drastischen Maßnahmen einer Hochdosis-Radio-/Chemotherapie einsetzen zu müssen.

mRNA als Therapie für Korrekturen an Knochenmark-Stammzellen

Ihnen gelang es, mRNA-Moleküle, die in Lipid-Nanopartikeln verpackt waren, direkt in Knochenmark-Stammzellen einzuschleusen. Um möglichst gezielt die Zellen des hämatopoetischen Stammzell-Pools anzusteuern, modifizierten die Forschenden die Lipid-Nanopartikel mit einem Anti-CD117-Antikörper. CD117 ist identisch mit der Tyrosinkinase KIT, die auch als Stammzellfaktor-Rezeptor bezeichnet wird und auf der Oberfläche von hämatopoetischen Stammzellen und von einigen hämatopoetischen Vorläuferzellen exprimiert wird.

Die Forschenden verwendeten in ihrer Arbeit nukleosidmodifizierte und damit vor Abbau weitgehend geschützte mRNA, die die Informationen für die sogenannte Cre-Rekombinase, für ein CRISPR/Cas9-Adeninbasen-Editor-Fusionsgen oder für das pro-apoptotische PUMA tragen. Diese komplexe Zusammenstellung verschiedener Informationseinheiten vermittelt folgende Funktionen:

  • Mithilfe der Cre-Rekombinase ist es möglich, ein fremdes Gen in ein Genom zu integrieren.
  • Das CRISPR/Cas9-Adeninbasen-Editor-Fusionsgen wird durch eine Leit-RNA des CRISPR/Cas9-Systems an eine Position dirigiert, wo der Adeninbasen-Editor ein A-Nukleotid durch ein G-Nukleotid austauscht.
  • Das pro-apoptotische PUMA-Protein interagiert mit antiapoptotischen Mitgliedern der BCL-2-Familie. Letztlich führt dies zu einer mitochondrialen Dysfunktion, sodass Cytochrom c freigesetzt wird und die Zelle kontrolliert durch Apoptose abstirbt.

Neuer Ansatz könnte Chemotherapie vor Stammzell-Transplantation unnötig machen

Als Voraussetzung für den therapeutischen Einsatz ihrer ausgeklügelten mRNA-Lipid-Nanopartikel bei hämatopoetischen Stammzellen zeigten die Forschenden zunächst, dass die Partikel effizient in in vitro kultivierte Stammzellen eindringen und dort ein auf der mRNA kodiertes Reportergen exprimieren. Dies entspricht den Erfahrungen, die mit den mRNA-Impfstoffen gemacht wurden, die das S-Protein von SARS-CoV-2 kodieren.

In einem ersten therapeutischen Ansatz konnten die Forschenden dann zeigen, dass ein mRNA-LNP-Therapeutikum, das neben der Cre-Rekombinase das CRISPR/Cas9-Adeninbasen-Editor-Fusionsgen trägt, durch eine Leit-RNA den Adeninbasen-Editor an eine Stelle in einem defekten Hämoglobin-Gen positioniert, sodass hier ein A-Nukleotid durch ein G-Nukleotid ausgetauscht wird.

Von dem Hämoglobin-Gen, das an der besagten Position ein A-Nukleotid trägt, wird ein Hämoglobin kodiert, das eine Sichelzellanämie verursacht. Durch den gezielten Basenaustausch wird das Gen repariert, und es wird voll funktionsfähiges Hämoglobin gebildet. Diese Korrektur war in der Maus nach einer einmaligen Infusion des mRNA-LNP-Therapeutikums erfolgreich.

Schließlich zeigen die Forschenden einen interessanten Ansatz auf, hämatopoetische Stammzellen durch nicht genotoxische Konditionierung zu deletieren. Dazu inserierten sie über das RNA-LNP-Therapeutikum ein proapoptotisches Protein, das in den Zellen, in denen es exprimiert wird, eine Kaskade anstößt, die letztlich im Tod der Zellen mündet. Dieser Ansatz ist bemerkenswert, könnte er doch einen Weg weisen, wie man auf die den Patienten die sehr belastende chemotherapeutische Behandlung zur Depletion von hämatopoetischen Stammzellen zur Vorbereitung auf eine Stammzelltransplantation ersparen könnte.

Langer Weg bis zur klinischen Routine

Die Proof-of-Principle-Daten der Forschenden zeigen einen innovativen und flexiblen Ansatz zur gezielten Behandlung hämatopoetischer Stammzellen in vivo auf. Dass diese hier beschriebenen neuen Therapieprinzipen prinzipiell auch beim Menschen funktionieren, haben die Forschenden bereits an  menschlichen Zellen gezeigt, die von Personen mit Sichelzellkrankheit stammten.

Allerdings bleiben wichtige Frage beispielsweise hinsichtlich möglicher Off-Target-Effekte zu klären, bevor tatsächlich an einen Einsatz des eleganten Verfahrens beim Menschen gedacht werden kann. Unter anderem muss der LNP-Tropismus verbessert werden, und es müssen Lösungen gefunden werden, um die Genexpression der Fremdinformation auf die Zellen zu beschränken, die Ziel der Intervention sind.

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