Korf seziert Apotheken-Reformpläne |
Daniela Hüttemann |
30.03.2025 15:16 Uhr |
ABDA-Chefökonomin Claudia Korf sprach beim WLAT über die geplante Apothekenreform der angehenden Koalitionäre. / © AKWL/Michael C. Moeller
Das Ergebnispapier der Arbeitsgruppe Gesundheit im Rahmen der Koalitionsverhandlungen beschäftigt sich recht ausführlich mit den Apotheken. Was dort steht, bewertet Claudia Korf, Geschäftsführerin Ökonomie der ABDA, zwar grundsätzlich positiv. Beim Westfälisch-lippischen Apothekertag (WLAT) in Münster warnte sie aber vor dem recht großen Interpretationsspielraum.
So heißt es ganz am Schluss des Absatzes über Apotheken, der Apothekerberuf solle »zum Heilberuf weiterentwickelt werden«. Das seien die Apotheker ja längst, so Korf. Die Weiterentwicklung der heilberuflichen Seite mit mehr Entscheidungskompetenzen und weniger Bürokratie sei aber der richtige Ansatz. Schließlich hätten die Apotheken ihre Kompetenzerweiterung während der Pandemie, die nicht verstetigt wurde, weder zum finanziellen Nachteil der Krankenkassen genutzt noch seien Patienten deshalb zu Schaden gekommen – im Gegenteil.
Die zahllosen Gespräche mit Politikerinnen und Politikern auf allen Ebenen hätten gefruchtet, indem ein Bewusstsein für den Wert der Apotheke vor Ort nun da wäre. Aber: »Jetzt fängt die Lobbyarbeit erst richtig an«, stimmte Korf die Zuhörenden ein. So soll das Fixum einmalig auf 9,50 Euro für alle Apotheken erhöht werden. »Das ist schön und bringt bei durchschnittlich 40.000 abgegebenen Packungen rund 50.000 Euro«, rechnete die Ökonomin vor, aber was dann?
Am schwierigsten zu interpretieren sei die Formulierung, »in Abhängigkeit vom Versorgungsgrad kann es [das Fixum] insbesondere für ländliche Apotheken in einem Korridor bis zu 11 Euro betragen.« Was bedeutet »insbesondere«? Damit scheinen Stadtapotheken nicht ausgeschlossen. »Der Mechanismus dahinter ist noch unklar«, resümierte Korf.
Sie begrüßte zwar, dass die Vergütung zwischen den Apothekern und dem GKV-Spitzenverband verhandelt werden soll, aber was genau ist mit »Vergütung« gemeint und was ist die Ausgangsbasis? Dies müssen aus Korfs Sicht die nun vorgeschlagenen 9,50 Euro sein und sollten sich auf das Fixum, aber nicht die 3 Prozent Aufschlag beziehen, denn auf den könnten die Apotheken nicht verzichten. Zudem brauche es eine Dynamisierung und Soforthilfen – aber nicht aus dem pDL-Topf.
Diese Sofortmaßnahmen fordert die ABDA:
Außer von der Fixumsanpassung würden nur die Apotheken vor Ort und nicht die ausländischen Versandapotheken von diesen Maßnahmen profitieren. Es gelte, Honorarmodelle zu etablieren, die besonders die Vor-Ort-Apotheken stärken, so Korf.
Ebenfalls gut: Die Beibehaltung des Fremdbesitzverbots wird bekräftigt. »Aber warum steht da nicht auch die Apothekenpflicht drin?«, fragt sich Korf mit Blick auf die Drogeriemarktkette dm, die schon mit den Hufen scharre, um ins Apothekengeschäft einzusteigen. Auch höhere Anforderungen an den Versandhandel könnten zum Bumerang werden. Das Bekenntnis zum Nullretaxverbot aus formellen Gründen klinge ebenfalls gut, stehe aber bereits im SGB V. Hier handle es sich um ein Vollzugsproblem.
Bürokratieabbau, weniger Dokumentationspflichten und eine Stärkung der Apotheken hätten auch schon im letzten Koalitionsvertrag gestanden, von daher dämpfte Korf zu große Hoffnungen – auch angesichts der vielen Herausforderungen, vor der die neue Bundesregierung stehen wird, und den schlechten Finanzen der Krankenkassen. Friedrich Merz sprach bezüglich der Papiere der verschiedenen Arbeitsgruppen gar von Wunschlisten.
Dennoch lohne es sich zu kämpfen, da die Apotheken als wesentliche Anlaufstelle im Gesundheitswesen gesehen werden und neue Aufgaben übernehmen sollen. Das könnten die Apotheken auch, aber nicht zum Nulltarif. »Sie haben nichts zu verschenken und bereits genug Gemeinwohlpflichten. Das muss alles auch dem Erhalt der Apotheken dienen.«
Denn: »Selbst wenn wir zum 1. Januar 2026 das höhere Fixum bekommen, wird es lange Bremsspuren geben«, warnte Korf mit Blick auf das sich derzeit beschleunigende Apothekensterben. Aktuell sei die Zahl der Betriebe auf unter 17.000 gefallen. Zieht man die Filialen ab, gebe es derzeit noch rund 12.500 unabhängige Apothekeneinheiten.
Mit jeder Schließung werden die verbliebenen Apotheken noch unverzichtbarer. Hat 2008 eine Apotheke in Deutschland rein rechnerisch noch 3800 Einwohner versorgt, waren es 2024 schon 4900, in Westfalen-Lippe sogar 5030, da hier der Rückgang noch stärker sei als im Bundesdurchschnitt auf zuletzt 1654 Betriebe – der niedrigste Stand seit 1975. Korf fürchtet noch viele weitere Schließungen, bis jedwede Maßnahme greift.
Denn auf die Apotheken komme zunächst noch einmal eine andere Kostendynamik durch die gestiegenen Tariflöhne zu. Immerhin sehen die durchschnittlichen Betriebsergebnisse 2024 nach vorläufiger Prognose (noch ohne das vierte Quartal) etwas besser aus als im Vorjahr, verriet Korf. Die Zahlen für 2024 werden Mitte Mai beim DAV-Wirtschaftsforum in Berlin präsentiert.
Schrieben 2023 noch 10 Prozent der Apotheken rote Zahlen, war es 2024 ein Prozent weniger. 13 statt 14 Prozent lagen im unrentablen Bereich von 0 bis 50.000 Euro Betriebsergebnis. Stabile 10 Prozent liegen im Bereich 50.000 bis 75.000 Euro und 68 statt 66 Prozent im rentablen Bereich über 75.000 Euro. Zufrieden kann man damit jedoch nicht sein.
Zur Stabilisierung der Betriebsstätten fordert die ABDA:
Mit letzteren ist gemeint, dass Freiräume geschaffen werden, die den Apotheken die Möglichkeiten zum Beispiel für weitere Impfungen oder mehr Engagement in der Pflege schaffen, wo es passt. »Es gibt nicht den einen Weg zum Erfolg«, glaubt Korf. Aber: »Wir müssen eine gesellschaftliche Relevanz durch klaren Zusatznutzen schaffen.«
Auch AKWL-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening, glaubt, dass beim Papier der AG Gesundheit der Teufel im Detail liegt. Sie riet von einem aggressiven Kurs gegenüber der Politik ab. Vielmehr müssten die Apotheken weiterhin ihren Nutzen betonen. »Wir haben bereits vor 20 Jahren beim ersten Westfälisch-lippischen Apothekertag den Eindruck gehabt, man will uns abschaffen, vertrauen aber darauf, dass die Menschen uns für ihre Versorgung brauchen. Es lohnt sich, für unseren Berufsstand einzustehen, für die Apotheke vor Ort heute, morgen und übermorgen«, zitierte die Gastgeberin das Tagungsmotto.
»Unsere Orientierung am Wohl des Patienten ist in der Politik angekommen«, so Overwiening. Nun müsse man es durch vertrauensvolle Beziehungen, Offenheit und Flexibilität schaffen, dass sich die Politik für die Apotheken vor Ort einsetzt. Der Wind habe sich gedreht. »Es fällt auf, wenn wir nicht mehr da sind wie der Strom aus der Steckdose.«