| Lukas Brockfeld |
| 27.11.2025 14:12 Uhr |
Marie Zahout, Ellen Haußdörfer, Walter Hess, Katina Sostmann und Paula Piechotta (v.l.n.r.) diskutierten über die Zukunft der Arzneimittelversorgung. / © Tagesspiegel/Screenshot
Das Gesundheitswesen wird immer digitaler, gleichzeitig stehen die Apotheken vor Ort unter wachsendem wirtschaftlichen Druck. Der Tagesspiegel hat daher am Mittwoch die Diskussionsveranstaltung »Digitale Gesundheit: Strg+Alt+Care - Neustart für die Arzneimittelversorgung« in Berlin organisiert. Dafür waren Ellen Haußdörfer (Staatssekretärin für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege in Berlin, SPD), Walter Hess (CEO von Doc Morris), Paula Piechotta (Bundestagsabgeordnete, Bündnis 90/die Grünen) und Katina Sostmann (IBM) eingeladen. Die Moderation übernahm Tagesspiegel-Redakteurin Marie Zahout.
Ein großes Thema war die von der Bundesregierung geplante Apothekenreform. Ellen Haußdörfer betonte, dass das Gesetzesvorhaben Hand in Hand mit anderen Gesetzesvorhaben gehen müsse. »Wir reden überall über Kompetenzerweiterungen, weil wir die Notwendigkeit sehen, auf den demografischen Wandel zu reagieren. Wir müssen uns Gedanken darüber machen, dass kranke Menschen vor Ort Hilfe wollen«, sagte die Staatssekretärin. Digitaler Fortschritt könne die Apotheken vor Ort zwar ergänzen und unterstützen, aber nicht ersetzen.
Walter Hess sprach sich für eine Aufweichung der Sektorengrenzen und mehr hybride Versorgung, zum Beispiel durch Telemedizin, aus. Die Bundesregierung müsse dafür die notwendigen Voraussetzungen, etwa bei der Telematik-Infrastruktur, schaffen. »Digital vor ambulant vor stationär, das muss die Richtung sein, in die es geht«, forderte der Doc Morris CEO.
Katina Sostmann mahnte, dass die Bedürfnisse der Menschen und die Expertise der Menschen aus der Praxis bei Digitalisierungsprojekten berücksichtigt werden müssten. »Sonst merkt man, dass bestimmte Dinge im Alltag gar nicht funktionieren. Gute Technik kann schlechte Prozesse nicht kompensieren«, so Sostmann. Digitalisierung stifte vor allem dann einen Mehrwert, wenn Anwendungen gut bedienbar sind und niemand ausgeschlossen wird.
Paula Piechotta erklärte, dass das deutsche Gesundheitswesen dringend effizienter werden müsse. »Wir wollen ein Gesundheitswesen, das pro Euro deutlich mehr Gesundheit generiert«, sagte die Bundestagsabgeordnete. Die Apothekenreform von CDU-Gesundheitsministerin Warken sei – wie viele Vorhaben der aktuellen Bundesregierung im Bereich Gesundheit – fast identisch mit den Plänen der ehemaligen Ampel-Koalition. »Diese Apothekenreform soll vor allem die kleinen Apotheken absichern durch die Möglichkeit, ohne Pharmazeuten vor Ort geöffnet zu sein. Außerdem soll die Reform die Einkommensschere zwischen reichen und armen Apotheken schließen«, so die Grüne.
Auf die Frage, ob sie mit den Reformplänen zufrieden sei, antwortete Piechotta: »Wenn Frau Warken keine besseren Ideen hat als das BMG unter Lauterbach, dann nehme ich das zur Kenntnis.«
Walter Hess klagte, dass die Reform vor allem die bestehenden Strukturen stärkt. »Man sollte schauen, dass man moderne Strukturen schafft, die gute und bezahlbare Versorgung leisten. Stattdessen schützt man einmal mehr die bisherigen veralteten Strukturen«, so der Doc Morris CEO. Eine Reform der Arzneimittelversorgung müsse daher viel weiter gehen als die Pläne der Bundesregierung.
Ellen Haußdörfer sprach sich für eine bessere Zusammenarbeit von Vor-Ort-Apotheken und Versendern aus. »Wir müssen besser darin werden, die Effizienzen zu nutzen, wenn es darum geht zusammenzuarbeiten. Gleichwohl müssen die Kosten angemessen abgebildet werden und sich neue Berufsbilder durchsetzen«, sagte die Sozialdemokratin.
Walter Hess beklagte die angebliche Benachteiligung des Versandhandels. »Wir beraten und betreuen, aber wir sind immer noch von den pharmazeutischen Dienstleistungen ausgeschlossen. Es gibt einen Fonds mit 500 Millionen Euro, der nicht genutzt wird. Aber wenn wir versuchen Abrechnungen für Leistungen, die wir erbringen, zu kriegen, dann werden wir ausgeschlossen. Das ist ein Zustand, der nicht mehr viel länger haltbar ist«, sagte er.
Paula Piechotta widersprach. »Die pharmazeutischen Dienstleistungen wurden eingeführt, um das Potenzial der Apotheken für die Gesundheitsversorgung stärker zu nutzen. Die Möglichkeit, Gesundheitsscreenings und Impfungen in der Apotheke stattfinden zu lassen, soll die Vor-Ort-Apotheke stärken. Dass der Fonds so schleppend anläuft, zeigt aber ein Stück weit, dass bei vielen Apotheken die finanzielle Situation noch nicht so schlecht ist, dass sie das definitiv anzapfen wollen«, sagte die Politikerin.