| Daniela Hüttemann |
| 27.11.2025 07:00 Uhr |
Andreas Pollner, Geschäftsführer von Moderna Germany / © Moderna
PZ: Welche Rolle spielt aus Ihrer Sicht die Impfmöglichkeit gegen Grippe und Covid-19 in den Apotheken?
Pollner: Apotheken sind für viele Bürger grundsätzlich die allererste Anlaufstelle, wenn es um Gesundheitsfragen geht. In der Pandemie haben wir gelernt, dass der ortsnahe und einfache Zugang zu Impfungen die Impfquoten extrem hochgezogen hat, doch seit Pandemieende sinken sie wieder und sind nun noch niedriger als vorher. Wir glauben, dass wir das Zusammenspiel verschiedener Gesundheitsakteure wie Apotheken, Hausärzte und Impfstoffherstellern brauchen, insbesondere bei Grippe und Covid-19, aber auch bei RSV und anderen gängigen Impfungen. Es ist ein komplementäres, kein kompetitives Angebot.
PZ: Haben Sie sich selbst schon einmal in der Apotheke impfen lassen?
Pollner: Ich habe mich in der Tat dieses Jahr zum ersten Mal, zur Langen Nacht des Impfens, in einer Apotheke in München gegen Grippe impfen lassen . Ich war sehr angetan, wie unproblematisch das ist. Ich konnte den Termin online buchen, zu einem Zeitpunkt, der für mich passt. Genau das meine ich mit komplementär: Es erweitern sich die Möglichkeiten, wo und wann ich mich impfen lassen kann, gerade wenn Apotheken es gegen Abend, an Mittwochnachmittagen oder Samstagen, also außerhalb der Praxisöffnungszeiten anbieten. Wir wissen, dass sich viele Bürger einen unkomplizierten Zugang wünschen.
PZ: Ende September kündigten Moderna und IhreApotheken.de ein Pilotprojekt zur RSV-Impfung in der Apotheke an. Können Sie uns mehr darüber berichten?
Pollner: Apotheker und Ärzte können sich hier als Tandem zusammentun, um mehr Impfberechtigten die RSV-Impfung anzubieten. Apotheken können zum Beispiel im Zuge der Covid-19- und Grippeimpfung an den Arzt verweisen. Oder die Ärzte können außerhalb der Praxisöffnungszeiten oder an Aktionstagen in den Apotheken gegen RSV impfen oder an einen entsprechend geschulten Apotheker delegieren. Wir haben jetzt eine Handvoll Apotheken in verschiedenen Bundesländern, die sich gerade darauf vorbereiten. Ziel dieser Zusammenarbeit ist es, den Zugang zu innovativen Impfstoffen gegen Atemwegserkrankungen in Deutschland zu verbessern. Die Partnerschaft wird das Bewusstsein schärfen, Aufklärungsarbeit leisten und den Zugang zu Impfungen über das etablierte und vertrauenswürdige Apothekennetzwerk in Deutschland erweitern. Das Projekt soll über die gesamte Impfsaison laufen.
PZ: Wie wird die RSV-Impfung verimpft?
Pollner: Im Falle des RSV-Impfstoffs mResvia handelt es sich um eine vorgefüllte Fertigspritze, was Reihenimpfungen zum Beispiel in Pflegeheimen oder an Impftagen vereinfacht. Wir lagern den Impfstoff tiefgefroren, dann ist er ein Jahr haltbar. Der Großhandel erhält ihn aufgetaut und liefert an die Apotheken aus. Ab Auftauen ist er 30 Tage im Kühlschrank haltbar und bei Raumtemperatur 24 Stunden. mResvia lässt sich auch zeitgleich mit der Grippe- und Covid-19-Impfung verabreichen. Entsprechende Koadministrationsdaten liegen mittlerweile vor, am 2. Oktober wurde die CHMP-Empfehlung hierfür erteilt, und es wird in Kürze auch so in den Fachinformationen zu finden sein.
PZ: Wie stehen Sie zu den Plänen der Bundesregierung, dass Apotheker grundsätzlich alle Totimpfstoffe verimpfen sollen dürfen?
Pollner: Wir sehen das sehr positiv. In Frankreich beispielsweise wird es schon seit einiger Zeit so gemacht. Wir sehen dort und in den anderen entsprechenden Ländern tatsächlich einen Anstieg der Impfquoten und zugleich eine Entlastung des Gesundheitssystems.
Nach unseren Recherchen impfen in Deutschland gerade einmal rund 7 Prozent der Apotheken, also noch ein geringer Anteil. Ich bin mir sicher, dass mit der Apothekenreform viel Wachstumspotenzial besteht. Vor Ort haben Praxis und Apotheke zudem sehr gute Beziehungen. Wenn die Rolle der Hausärzte als Primärärzte in Deutschland weiter gestärkt werden soll, wären alternative Impfangebote in Apotheken eine Entlastung. Und wir alle haben den gemeinsamen Anspruch, die Impfquoten zu erhöhen.
PZ: Welche Herausforderungen sehen Sie denn dabei, die Apotheken in die Impfstrategie stärker zu involvieren?
Pollner: Apotheken kennen ihre chronischen Patienten sehr gut und können sie individuell zu den für sie empfohlenen Impfungen beraten und sie daran erinnern. Die Patienten wissen es sicherlich auch zu schätzen ein ausführliches Aufklärungsgespräch, gerade wenn es um neue Impfstoffe und Empfehlungen wie bei RSV geht. Letztlich wollen wir auch mit dem Modellprojekt Erfahrungen sammeln und ein Zeichen setzen, dass sich Apotheken schon jetzt darauf vorbereiten können, wie sie ihr Impfangebot erweitern können.
PZ: Wie können Sie als Impfstoffhersteller die Apotheken und Ärzte unterstützen, das Impfen noch mehr in die Fläche zu bringen?
Pollner: Da gibt es drei Punkte für uns: Das eine ist, Produkte anzubieten, die von ihrer Wirksamkeit und ihrer Qualität und auch ihren Formaten genau dem entsprechen, was impfende Ärzte und auch Apotheken benötigen.
Das zweite sind die Aufklärungsbedarfe, ob bei den Heilberuflern selbst oder bei den Patienten. Viele wissen gar nicht, für welche Impfungen sie anspruchsberechtigt sind oder kennen die neuesten STIKO-Empfehlungen nicht. Toll wäre hier auch eine Erinnerungsfunktion in der elektronischen Patientenakte, doch bis der digitale Impfpass kommt, wird es wohl noch etwas dauern.
Und das Dritte, was für mich sehr wichtig ist: Wir wollen sicherstellen, dass das Verständnis und die Selbstverständlichkeit von Impfen sehr viel mehr gestärkt werden. Impfen sozusagen als die einfachste und beste Medizin. Hier können wir noch besser zusammenarbeiten, mit Verbänden, Behörden und Bundesregierung. Kurz: Die Entwicklung der richtigen Impfangebote ist entscheidend.
PZ: Mit welchen Markteinführungen von Moderna können wir im Bereich Impfungen in den kommenden Jahren rechnen?
Pollner: Wir haben bereits den Antrag für unseren Grippe-Covid-Kombinationsimpfstoff bei der Europäischen Arzneimittelagentur eingereicht. Hier erwarten wir im kommenden Jahr eine Zulassung und könnten ihn dann voraussichtlich im Herbst 2027 zur Verfügung stellen. Unser Monoimpfstoff gegen Grippe wird vermutlich Richtung 2027 zugelassen.
Neben respiratorischen Viren haben wir auch Vakzinen in anderen Indikationen im Portfolio. Für unseren Zytomegalievirus (CMV)-Impfstoff erwarten wir die Phase-III-Daten in den kommenden Monaten, ebenso für unseren Impfstoff gegen Noroviren. Gegen beide Viruserkrankungen gibt es bislang noch keine Impfungen. Wir arbeiten zudem an weiteren latenten Viren wie Herpes und HIV. Wir stehen jetzt an einem Punkt, wo wir die mRNA-Technologie mehr in die Breite bringen und gegen vielfältige Viruserkrankungen Angebote schaffen können.
PZ: Und wie sieht es mit therapeutischen Krebsimpfstoffen aus?
Pollner: Letztes Jahr konnten wir erste Studienergebnisse zu unserer individualisierten Melanom-Neoantigen-Therapie (INT) präsentieren. Bei der INT arbeiten wir eng mit dem Unternehmen MSD zusammen, um die personalisierte Medizin mittels mRNA voranzutreiben. Beim ESMO-Kongress vom 17. bis 21. Oktober in Berlin haben wir erste Phase-I/II-Daten unserer neuen Krebsantigen-Therapie vorgestellt. Es sieht vielversprechend aus, sodass wir in den kommenden Jahren mit einigen neuen Präzisionsimmuntherapien aus dem Hause Moderna für verschiedene Krebsformen rechnen. Wir hoffen 2027 oder 2028 auf die ersten Marktzulassungen.
PZ: Vielen Dank für das Gespräch!