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Kombinationsabschlag ist verfassungsgemäß

Im Zuge des Spargesetzes müssen Hersteller bei Kombinationstherapien einen Preisabschlag von 20 Prozent gewähren. Die Industrie hält dies für verfassungerechtlich nicht legitim. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags sieht hingegen keinen Grund zur Beschwerde.
Ev Tebroke
23.02.2024  17:00 Uhr

Angesichts großer Finanzierungslücken in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hat die Regierung auch der Pharmabranche einen schärferen Sparkurs verordnet. Die Hersteller müssen im Zuge des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes (GKV-FinStG) massive Verschärfungen im Preisbildungssystem hinnehmen. Unter anderem wurden mit dem im November 2022 in Kraft getretenen Gesetz die Regeln für Rabatte in bestimmten Bewertungssituationen neu geregelt und aus Sicht der Industrie verschärft.

Zudem sind die Hersteller seit Mai 2023 bei Kombinationstherapien zu einem Zusatzrabatt in Höhe von 20 Prozent verpflichtet. Sollte der Gemeinsame Bundesauschuss (G-BA) der Kombinationstherapie einen mindestens beträchtlichen Zusatznutzen bestätigen oder einen solchen erwarten, entfällt der Abschlag. Die Neuregelung betrifft allein die »freien Kombinationen«. Bei sogenannten »fixen Kombinationen«, bei denen mehrere Wirkstoffe in einer Arzneimittelpackung vorhanden sind, gilt bereits ein Erstattungspreis für das gesamte Kombiprodukt.

Begründet hatte der Gesetzgeber den Kombinationsabschlag damit, dass die hohen Arzneimittelausgaben in der GKV nicht allein durch hohe Preise einzelner Wirkstoffe, sondern auch durch den gleichzeitigen Therapieeinsatz mehrerer Arzneimittel bestimmt werden. Die Verordnung von mehreren Arzneimitteln sei fester Bestandteil von Arzneimitteltherapien, insbesondere bei der Behandlung von Krebserkrankungen.

Letztlich sollen die Gesamtkosten beim Einsatz von »freien Kombinationstherapien« geringer ausfallen als bei der Summe der Erstattungsbeträge bei einer Anwendung in der Monotherapie, so das Ziel. Die Erstattungsbeträge der einzelnen Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen führten in der Summe zu höheren Kosten, ohne dass eine hinreichende Evidenz zum Nutzen dieser freien Arzneimittelkombination und des Anteils eines Kombinationspartners am Therapieerfolg regelhaft vorhanden wäre, wie es in einer Antwort des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU hieß.

Aus Sicht der Pharmabranche verstößt der in § 130e SGB V geregelte neue Kombinationsabschlag gegen die Grundrechte etwa der Berufsfreiheit (Artikel 12 Absatz 1 Grundgesetz GG) und mittlerweile haben vier Pharmaunternehmen Verfassungsbeschwerde gegen die Gesetzesregelungen eingelegt. Das Gesetz beinhalte einen »nicht gerechtfertigten Eingriff in die grundgesetzlich zu schützende Berufsausübungsfreiheit sowie den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz«, argumentierte etwa der Pharmakonzern Roche. Stimmt diese Einschätzung? Der Wissenschaftliche Dienst (WD) des Bundestags hat sich mit dem Thema befasst. Und hält die Gesetzesmaßnahmen für verfassungsgemäß.

Eingriff in die Berufsfreiheit

Was den Vorwurf des Eingriffs in die Berufsfreiheit betrifft, so unterstreichen die Autoren des WD 3 (Verfassung und Verwaltung), dass die in § 130e SGB V getroffene Regelung zwar in den Schutzbereich der Berufsfreiheit eingreife, denn damit sei die freie Gestaltung der Abgabepreise durch pharmazeutische Unternehmen, mithin die Art und Weise ihrer wirtschaftlichen Betätigung gezielt eingeschränkt.

Gleichzeitig sei der Bund qua Gesetzgebungskompetenz aber dazu befugt, da er mit der Sozialgesetzgebung den Kernbereich der GKV steuere (Gesetzesvorbehalt). Verfassungsmäßig gerechtfertigt sei der Eingriff, »wenn das eingreifende Gesetz seinerseits formell und materiell verfassungsmäßig ist«.

Die Kritik der Pharmabranche, der gesetzgeberische Auftrag zur Umsetzung des Kombinationsabschlags an den G-BA sei nicht hinreichend bestimmt und die Regelung lasse nicht erkennen, welche Arzneimittel dem Preisabschlag unterlägen, lässt der WD nicht gelten. Da es mit dem G-BA-Beschluss um jene Arzneimittel mit neuen Wirkstoffe geht, die aufgrund der arzneimittelrechtlichen Zulassung mit dem zu bewertenden Arzneimittel in einer Kombinationstherapie eingesetzt werden können (§ 35a Abs. 3 Satz 4 SGB V), würde deutlich, »dass das zu bewertende Arzneimittel und infolgedessen auch allein dessen arzneimittelrechtliche Zulassung für den G-BA als Anknüpfungs- und Bezugspunkt in Betracht kommen sollen«. Demnach seien schon in der Zulassung sämtliche möglichen Kombinationspartner eines neuen Wirkstoffs aufgeführt. Die Annahme einer Verletzung des »Bestimmtheitsgebots« hält der WD daher für »zumindest fraglich«.

Der G-BA habe die Gruppe der Wirkstoffe, bei denen der Kombinationsabschlag greifen könnte, relativ eng ausgelegt. Demnach müssen in der Fachinformation des bewerteten Arzneimittels Angaben zu einem Einsatz als Kombinationstherapie mit einem anderen Arzneimittel vorhanden sein, damit es zu dem 20 Prozent-Abschlag kommt. Bei diesem engen Vorgehen seien jene Kombinationen, die rein theoretisch möglich sind, auf ein Minimum reduziert, so der G-BA seinerzeit in seiner Beschluss-Begründung.

Was den Begriff der Kombinationstherapie betrifft, so sei dieser zwar nicht gesetzlich definiert, räumt der WD ein. Jedoch hätte die Regierung darauf verwiesen, dass die beteiligten Akteure im Zuge der zu treffenden Rahmenvereinbarung bis Oktober 2023 eine Mustervereinbarung schließen. In dieser beziehungsweise in den Vereinbarungen zur Abwicklung des Kombinationsabschlags könnten auch Angaben zur Abgrenzung von Kombinationstherapien und sequenziellen Therapien getroffen werden. Somit könnten die betroffenen Pharmaunternehmen selbst Einfluss auf die Reichweite des Abschlags nehmen und dies auch künftig nachjustieren.

 »Kombinantionsabschlag ist erforderlich«

Laut Auslegung des WD ist der Kombinationsabschlag auch legitim, beziehungsweise sei die Gesetzesregelung als »verhältnismäßig« anzusehen. Dies sei dann gegeben, »wenn derartige Regelungen vernünftigen Gründen des Gemeinwohls dienen«. Nach Auffassung der Bundesregierung solle die Einführung des Kombinationsabschlages der Sicherstellung der finanziellen Stabilität der GKV dienen. Dies stelle nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen vernünftigen Grund des Allgemeinwohls dar. Auch ist aus Sicht des WD eine gesetzliche Regelung notwendig, da ansonsten freiwillig durch bloßen Appell der Regierung an die Pharmaindustrie keine Kostenreduktion bei den Kombi-Therapien erfolgt wäre. »Der Kombinationsabschlag ist daher auch erforderlich.«

Der WD kommt zu dem Ergebnis: »Eine Verletzung der von Artikel 12 GG geschützten Berufsfreiheit durch den Kombinationsabschlag gemäß § 130e SGB V kann somit nicht konstatiert werden.«

WD sieht keine Verletzung des Gleichheitsatzes

Und auch eine Verletzung des Gleichheitssatzes (Artikel 3 Absatz 1 GG ) ist aus seiner Sicht nicht festzustellen. Ein Verstoß setze zunächst eine Ungleichbehandlung von zwei im Kern wesentlich gleichen Vergleichsgruppen voraus, heißt es. Dies sei hier zwar gegeben, jedoch verstoße dies nur dann gegen besagten Artikel, wenn sie verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt sei. Eine Ungleichbehandlung sei jedoch bei Vorliegen eines »sachlichen Grundes« legitim (Willkürformel).

Der Gesetzgeber begründe den Kombinationsabschlag mit dem Argument, dass sich die Erstattungsbeträge der einzelnen Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen in freien Kombinationen aufsummierten, ohne dass hinreichende Evidenz zum Nutzen dieser Arzneimittelkombination und des Anteils eines Kombinationspartners am Therapierfolg regelhaft vorhanden wäre; daher sei es zur Gewährleistung der finanziellen Stabilität der GKV erforderlich, dass die Solidargemeinschaft beim Einsatz von freien Kombinationstherapien mit geringeren Gesamtkosten belastet werde als der Summe der Erstattungsbeträge bei einer Anwendung in der Monotherapie. »Diese Erwägung erscheint jedenfalls nicht als unsachlich, so dass sie den hier greifenden Rechtfertigungsanforderungen an eine Ungleichbehandlung genügt. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes ist daher nicht festzustellen.«

 

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