Kollaps der Apotheken befürchtet |
Das Urteil des Bundesgerichtshofes dürfte weitreichende Folgen für die Apothekerschaft haben. / Foto: IMAGO/imagebroker
»Todesurteil«, »erhebliche Belastung« und »Kollaps der Apotheken vor Ort« – die ersten Reaktionen auf das Urteil der Karlsruher Richter waren heftig. Auch Theo Dingermann, Senior Editor der PZ, befürchtet, dass die Entscheidung des BGH weitreichende negative Konsequenzen haben wird: »Nun wird den Kolleginnen und Kollegen in den öffentlichen Apotheken eine allerletzte Option guten kaufmännischen Handelns verwehrt, nicht etwa, weil oberste Richter willkürlich urteilen, sondern weil Gesetze mal wieder schlecht und ohne eine kritische Folgenabschätzung gemacht wurden«, so Dingermann.
Er fürchtet, dass das Urteil für zahlreiche Apotheken das wirtschaftliche Ende bedeutet: »Es ist nun zwingend erforderlich, dass umgehend Maßnahmen folgen, die ein in Schieflage geratenes Gleichgewicht entweder so ausgleichen, dass beispielsweise der Kassenabschlag sofort außer Kraft gesetzt wird, oder dass endlich die archaisch anmutende Vergütung der Leistungen in den öffentlichen Apotheken signifikant angepasst wird.« Jetzt sei der Gesetzgeber in der Pflicht, die von ihm verursachten Probleme zu lösen.
Eine auf der Online-Plattform LinkedIn veröffentlichte Schätzung der Treuhand-Hannover zeigt, welche Mehrkosten durch das Urteil auf die Offizinen zukommen könnten. Eine Apotheke von durchschnittlicher Umsatzgröße verlöre demnach gut 22.000 Euro Ergebnis – das wären rund 16 Prozent oder etwa 0,50 Euro pro verkaufter Packung. Die Entscheidung der Richter wird demnach den Negativtrend sinkender Rohgewinnsätze weiter beschleunigen und den meisten Apotheken deutliche Einbußen an Betriebsergebnis bescheren.
Vertreterinnen und Vertreter der Apothekerschaft reagierten bestürzt auf das Karlsruher Urteil. Der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands (DAV), Hans-Peter Hubmann, warnt vor einer erheblichen finanziellen Belastung der Offizinen und fordert die Politik zum Handeln auf: »Es ist mithin umso dringender, dass die politisch Verantwortlichen endlich ihrer Verantwortung auch gerecht werden. Es dürfte nunmehr jedem klar sein, dass die finanzielle Situation der Apotheken unverzüglich verbessert werden muss.« Jetzt zähle jeder Monat, wenn man die Arzneimittelversorgung in Deutschland nicht aufs Spiel setzen wolle.
Der Landesapothekerverband Niedersachsen sieht die richterliche Entscheidung als »Todesurteil« für viele Apotheken und formuliert eine konkrete Forderungen an die Bundesregierung: »Es ist unerlässlich, das gesetzlich festgelegte Apothekenhonorar zu erhöhen und zusätzlich den Zwangsrabatt, den Apotheken an Krankenkassen leisten müssen, zu streichen – und das sofort!« Wenn die Entlastungen ausblieben, sei die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung akut gefährdet. Auch der Marketingverein Deutscher Apotheker (MVDA) forderte angesichts des Urteils die unverzügliche Aussetzung des Kassenrabatts.
Tatjana Zambo, Präsidentin des Landesapothekerverbandes Baden-Württemberg, verweist auf die Schätzung der Treuhand Hannover und erklärt: »Der Großteil der Apotheken in Baden-Württemberg und in Deutschland war bereits vor dem Urteil des BGH betriebswirtschaftlich mehr als auf Kante genäht. Der Skonto-Deckel des BGH verschärft für diese Apotheken nun die Situation erneut und dramatisch – hin zu einem unerträglichen und betriebswirtschaftlich nicht mehr darstellbarem Maß.« Die Bundesregierung müsse das Versorgungssystem der Apotheken mit einem Rettungsschirm vor dem Kippen bewahren.
Ähnlich wie die Treuhand-Hannover rechnet auch der Bundesverband Deutscher Apothekenkooperationen (BVDAK) mit erheblichen Mehrkosten für die Offizinen: »Wird das Urteil durchgängig umgesetzt, wovon zumindest zum jetzigen Zeitpunkt ausgegangen werden muss, verliert jede Apotheke mehrere zehntausende Euro. Für einen nicht unerheblichen Teil der Apotheken unserer Mitglieder ist dies unbestritten existenzbedrohend.« Der Verband fordert vom Gesetzgeber ein sofortiges Aussetzen des Kassenabschlags. Andernfalls sei die die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln in ihrer bisherigen Form nicht mehr aufrechtzuerhalten.