Kliniken als Schlüsselakteure im Kampf gegen K.-o.-Tropfen |
Paulina Kamm |
19.06.2025 13:30 Uhr |
Wenn die Vergewaltigungsdroge zum Freizeitgebrauch übergeht – K.-o.-Tropfen im Visier. / © Getty Images/Priscila Zambotto
K.-o.-Tropfen sind hauptsächlich für ihren unfreiwilligen Konsum bekannt. Als »Vergewaltigungsdroge« konnte das Präparat, da es wenig Eigengeruch und/oder -geschmack hat, relativ einfach in die Getränke der Opfer – meist Frauen – gestreut werden. Dieser hinterlistige Vorgang wird auch »Spiking« genannt. Laut Deutscher Aidshilfe werden die Betroffenen durch die Einnahme reaktionsunfähig gemacht und sind so leichte Opfer für sexualisierte Gewalt. Eine mögliche retrograde Amnesie, auch „Filmriss“ genannt, spiele den Tätern in die Karten.
Die Beschaffung des Lösungsmittels ist aktuell noch verstörend einfach. Eine kurze Google-Recherche ergibt verschiedene Anbieterseiten: ko-tropfenonline.de ist nur eine davon. »In der EU ist GBL legal, wenn es für industrielle, wissenschaftliche oder genehmigte kommerzielle Zwecke verwendet wird. Seine missbräuchliche Verwendung ist jedoch streng geregelt«, heißt es auf der Website.
Das Problem ist in der Politik nicht unbekannt: Künftig soll die Abgabe an Minderjährige sowie der Kauf via Versandhandel verboten werden. Das sieht ein entsprechender Gesetzentwurf zur Abänderung des sogenannten Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetzes (NpSG-ÄndG) vor. Die ABDA zeigt sich dem Gesetzentwurf skeptisch gegenüber. Insbesondere der auch nach dem Verordnungsentwurf weiterhin erlaubte Bezug von Gamma-Hydroxybutyrat (GHB)/Gamma-Butyrolacton (GBL) durch volljährige Personen im stationären Handel erscheine möglicherweise nicht ausreichend, so die Bundesvereinigung.
Die Basis des Opferschutzes ist in Deutschland seit 2018 in der sogenannten Istanbul-Konvention gesetzlich verankert. Die Konvention verpflichtet alle staatlichen Ebenen, (sexualisierte) Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu bekämpfen und Betroffene zu unterstützen. Der Bundestag erklärt, dass die Verwendung von K.-o.-Tropfen in der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik (PKS) nicht vorkomme, da die Fälle oft nicht eindeutig seien. Nun stellt sich das Universitätsklinikum Augsburg der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe.
»In der Augsburger Uniklinik wurden in den vergangenen neun Monaten 22 betroffene Frauen betreut. Typische Fälle sind etwa Frauen, die mit K.-o.-Tropfen bewusstlos gemacht wurden. Die Klinik nimmt in solchen Fällen routinemäßig umgehend Blut- und Urinproben, um diese schnellstmöglich einzufrieren. Denn K.-o.-Tropfen seien nur wenige Stunden nachweisbar«, erklärte Jonas Bubmann, der zuständige Arzt der Gewaltschutzambulanz der Universitätsklinik.
Da sexualisierte Gewalt oft mit einem hohen Schamgefühl der Opfer einhergeht, weswegen sich die Geschädigten oft erst nach einiger Zeit trauen, Strafanzeige zu stellen, sei das Einfrieren der Proben auch für die spätere Strafverfolgung relevant, so Bubmann.
Auch das Universitätsklinikum Ulm startete 2023 in Kollaboration mit dem Team Chancengerechtigkeit und Vielfalt der Stadt Ulm das gemeinsame Projekt „Kampf dem K.O.“ Das Institut für Rechtsmedizin am Ulmer Universitätsklinikum führte laut eigenen Angaben seit 1. Januar 2024 bei Verdacht auf K.-o.-Tropfen gerichtsverwertbare Zusatzuntersuchungen durch.
Enthemmung auf unterschiedlichen Ebenen (euphorisierend, entspannend, sozialisierend) ist – wie bei vielen Drogen – das gewünschte Ziel und damit Haupteinnahmegrund. Laut der Aidshilfe wirkt »Liquid Ecstasy« in geringen Mengen ähnlich wie Alkohol. In höheren Dosen käme es zu erhöhtem Lustempfinden und Hemmungslosigkeit. Die Aidshilfe warnt: »Bei 1,8 ml GHB kann es bereits zu Überdosierungen kommen. Dosen von mehr als 3 ml wirken tödlich.«
Das European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction (EMCDDA) sammelt Daten zu akuten Drogenintoxikationen in 32 Überwachungszentren aus 22 Ländern. Laut dem EMCDDA zählten GHB und GBL 2022 zu den vierthäufigsten konsumierten Partydrogen in den teilnehmenden Krankenhäusern. Siebzehn europäische Länder meldeten 1.500 Sicherstellungen von GHB oder seines Vorläufers GBL, die sich auf 114 Kilogramm und rund 800 Liter beliefen.
In einer aktuellen Studie der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité wird von einem Mangel an Präventions- und Behandlungsdiensten hinsichtlich des zunehmenden Trends des freizeitlichen GHB-Konsums und der damit verbundenen Risiken berichtet. Adäquate Aufklärung gebe es der Studie zufolge zu wenig – im Gegenteil: Die raren Hilfskampagnen hätten sogar eine kontraproduktive Wirkung gehabt. Grund dafür sei, dass die Hilfsprogramme die freiwillige Einnahme von GBL/GHB als Partydroge zu wenig adressieren, sondern sich auf die Assoziation mit »Spiking« konzentrieren.
Das European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction klärt über Schwierigkeiten bei der Validität der Statistiken auf: GBL hat viele industrielle Verwendungszwecke – zum Beispiel als Lösungsmittel, sodass die Daten hinsichtlich Missbrauch schwer zu interpretieren seien. Grundsätzlich fehlt es an bundesweiten Statistiken, auch die Dunkelziffer ist enorm. Einzelne Landeskriminalämter und Landespolizeiem warnen auf ihren Websites.