Klima sorgt für mehr Promille im Glas |
Jennifer Evans |
07.10.2024 07:00 Uhr |
Klimaschwankungen beeinflussen die temperaturempfindlichen Trauben. Die Weine schmecken immer hitziger, kritisieren Weinkenner. / © Adobe Stock/andriyyavor, KI-generiert
Frühere Erntezeiten und höhere Temperaturen machen den Weinreben zunehmend zu schaffen. Das ging schon vor einigen Jahren aus einer Schweizer Studie hervor (DOI: 10.1016/j.foodres.2010.05.001). Demnach führt eine größere Traubenzuckerkonzentration in den Trauben zu einem höheren Alkoholgehalt im Wein, einem geringeren Säuregehalt sowie einer Veränderung in puncto Aromavielfalt.
In einigen Regionen sei der Stoffwechsel der Pflanzen nachweislich gestört, sodass es zu einer verminderten Anreicherung von Metaboliten kommt. Und das verändere nicht nur das Aroma, sondern auch die Farbe, heißt es. Sie duften weniger und werden blasser.
Darüber hinaus verursachen hohe Zuckerkonzentrationen in Mosten eine Stressreaktion in der Hefe, was wiederum zu mehr Gärungsnebenprodukten führt. Ein höherer pH-Wert verändert schließlich die mikrobielle Ökologie von Mosten und Weinen und die Endprodukte neigen so unter anderem stärker zum Verderben. Außerdem schmecken sie weniger fruchtig-frisch.
Weil der Klimawandel mit übermäßiger Trockenheit und häufigeren Hitzewellen einhergeht, könnte bis zum Ende des Jahrhunderts etwa 90 Prozent der traditionellen Weinanbaugebiete in Spanien, Italien, Griechenland und Südkalifornien das Aus drohen. Zu diesem Schluss kommt ein Forschungsteam aus Bordeaux in einer Untersuchung, die das Fachmagazin »Nature« kürzlich publizierte (DOI: 10.1038/s43017-024-00521-5).
In den vergangenen 40 Jahren hat sich die Weinlese laut der Studie bereits zwei bis drei Wochen nach vorne verschoben, weil die Trauben immer früher reif werden. Zusätzlich verringert die Trockenheit den Ertrag. Auch neue Schädlinge und Krankheiten kommen für die Winzer erschwerend hinzu.
Infolge des Klimawandels kommen nun neue Weinregionen ins Spiel. Wie die Winzer die Herausforderungen meistern, hängt demnach entscheidend von dem gewünschten Weinstil sowie dem nationalen Rechtsrahmen ab. Anpassungen haben jedoch schon stattgefunden.
Diese reichen von neuen Bewässerungssystemen und Entzuckerung des Mosts über veränderte Anbautechniken, die etwa die Reife verzögern, bis hin zu anderen ökologischen Strategien, um die Widerstandsfähigkeit der Pflanzen bei höheren Temperaturen zu verbessern beziehungsweise den Alkohol- und Säuregehalt gezielter zu steuern. Auch andere Rebsorten kommen zum Einsatz.
Vor ähnlichen Gefahren hatten Wissenschaftler 2023 für die Bierproduktion gewarnt. Für den Wein gibt es aber Hoffnung. Diesen September kamen erstmals auf EU-Ebene Vertreter des Weinsektors zusammen; zwei weitere Treffen sollen bis Jahresende folgen. Sie wollen der aktuellen Krise der Branche nun mit einem überarbeiteten EU-Rechtsrahmen entgegenkommen. Insbesondere gilt es, Weinproduzenten bei ihrem Kampf gegen die globale Erwärmung sowie beim Einsatz neuer genomischer Techniken und digitalen Tools zu unterstützen.