»KI ist gekommen, um zu bleiben« |
Melanie Höhn |
22.09.2025 16:00 Uhr |
Marc Kriesten ist Inhaber der Glückauf-Apotheke in Dinslaken und begeistert sich für künstliche Intelligenz. / © PZ/Alois Mueller
Die Veränderungen, die künstliche Intelligenz (KI) mit sich bringt, sind tiefgreifend. In den nächsten 10 Jahren wird sich die Welt stärker verändern als in den vergangenen 100 Jahren, führte Marc Kriesten in das Thema KI auf der Expopharm ein. »Zukunft ist nicht das, was einfach kommt, sondern das, was wir daraus machen.« Mit seinem Vortrag zu KI tourt er derzeit durch die Apotheken des Landes. »Bei uns in den Apotheken ist KI schon angekommen«.
Gerade angesichts des zunehmenden Personalmangels gewinne der Einsatz von KI an Bedeutung. »Ich weiß ehrlich gesagt überhaupt nicht, wer die Arbeit in Zukunft alles machen soll, wenn ich daran denke, was da auf uns zukommt.« Dabei geht er auch auf die heutige Wissensgesellschaft ein: »Wie viele Stunden eine Apothekerin, ein Apotheker, eine Ärztin oder ein Arzt jede Woche eigentlich aufbringen müssten, um up-to- date zu bleiben. Das ist unfassbar. Auch dafür werden wir in Zukunft die KI brauchen.«
Beim Thema Kosten sei man bei der Beitragsschraube der Gesetzlichen Krankenversicherungen bereits am Ende angekommen. In den kommenden Jahren müssten immer mehr Menschen versorgt werden und man müsse mit höheren Kosten rechnen. Deshalb seien neue Mechanismen nötig, um die Menschen überhaupt noch zu versorgen. Darüber hinaus würden inzwischen auch Kundinnen und Kunden immer mehr von Apothekerinnen und Apothekern erwarten. Auch der EU-AI-Act sei schon rechtskräftig, was bedeute, dass jeder, der in seiner Apotheke oder in seinem Unternehmen KI einsetze, die Unterweisungspflicht nach Artikel 4 EU-AI-Act beachten müsse.
Kriesten erläuterte, dass sich KI und Rechenleistungen viel schneller in den kommenden Jahren entwickeln würden als gedacht. »Aber damit wir diese Transformation hinbekommen, brauchen wir eine neue Art zu denken. Und wir brauchen die Systeme, die wir nutzen und einsetzen können, direkt und unkompliziert«, erklärte der KI-Experte. »Das geht natürlich auch am besten in den Systemen, mit denen wir heute arbeiten, nämlich in unseren Warenwirtschaften«.
Im Bereich Generativer KI gebe es auf dem Markt derzeit mindestens 150 Systeme, darunter Fireflies, Trueplus oder Canva, das mittlerweile auch KI-basiert sei. Diese Art von KI erstelle Texte und Bilder in Sekunden. In seiner Apotheke unterstütze sie bei der Dokumentation, simuliere Beratungsgespräche, übersetze Dialoge oder generiere Marketing-Inhalte. »Und das Wichtigste für mich ist: KI macht Wissen und Kreativität nahezu jederzeit verfügbar, überall, für jeden«, so Kriesten. Im Bereich der Dokumentation spare er durch KI in seiner Apotheke aktuell 80 Prozent der Zeit ein, beim Thema Marketing-Strategie seien es knapp 60 Prozent. Die Zeitersparnis bei Texten und Bildern belaufe sich sogar auf 90 Prozent.
Bei jedem KI-Modell müsse sich der Nutzer Gedanken um den Datenschutz machen: Bei der KI von True Plus oder Microsoft Azure beispielsweise habe man die Möglichkeit, den User-Prompt und die Daten auf der eigenen Plattform zu lassen – diese kämen gar nicht oder nur temporär mit dem großen Sprachmodell in Berührung. »Mitten in meiner Frage bekommt das KI-Modell nur die wesentlichen Informationen, die ich wirklich transportieren muss. Ich bekomme meine Antwort und dann werden die Daten wieder gelöscht.« Dies sei datenschutzkonform.
Bei der Nicht-generativen KI gehe es um »Machine-Learning« und »Deep-Learning«-Modelle, also um einfache Algorithmen. Dabei entstehen keine neuen Inhalte, sondern die KI analysiert und klassifiziert, ohne selbst neue Inhalte zu produzieren. Dies wird beispielsweise im Bereich Arzneimitteltherapiesicherheit angewandt. Aber auch bei der Erkennung von Medikationsfehlern, Rezeptfälschungen oder Bestelloptimierung hilft diese Art von KI.
Eine weitere KI-Möglichkeit seien sogenannte »Agentensysteme« als autonome Software-Einheiten, die künstliche Intelligenz verwenden, um für den Nutzer bestimmte Ziele zu erreichen und eigenständige Entscheidungen treffen können. Bei Multiagentsystemen habe jeder Agent hat eine sehr spezifische Aufgabe und nur durch die wechselseitigen Beziehungen seien diese in der Lage, die gesamte große Aufgabe zu erledigen. »Am Ende kann ich damit zwar sehr komplexe Aufgaben arbeiten, aber ich habe immer noch den menschlichen Supervisor, der am Ende alles bearbeitet«, fasst Kriesten zusammen.
Wichtig sei, beim Thema KI mutig voranzugehen, auszuprobieren, etwas zu wagen und vor allem das Team mitzunehmen. »Die, die sich weigern, KI zu nutzen, werden von denen ersetzt, die mit KI arbeiten«, prophezeit er. »Technologie ist nicht das Problem. KI kommt viel schneller als ihr denkt. Seht zu, dass ihr die Zukunft gestaltet und nicht einfach nur abwartet«, appelliert er an die Apothekerschaft. »Fangt klein an, aber denkt groß und weit. KI ist gekommen, um zu bleiben. Sie geht nicht mehr weg.«. Sie sei »ein Thema, was uns die nächsten Jahrzehnte auf jeden Fall drastisch beschäftigen wird.«