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Experte aus dem Handwerk

»KI ist das Sahnehäubchen«

Mit weithin verfügbaren generativen KI-Anwendungen beschleunigt sich der digitale Wandel. Das betrifft Apotheken ebenso wie Handwerksbetriebe. Erfahrungen aus diesem Bereich erläutert hier Bastian Strauß aus dem niedersächsischen Varel. Als Betonbauer hat er eine IT-Abteilung in einem Handwerksbetrieb übernommen, selbst Software entwickelt und Möglichkeiten generativer KI ausgelotet.
Frank Schäfer
24.09.2024  07:00 Uhr

PZ: Herr Strauß, können sich kleine und mittlere Betriebe beim Thema Digitalisierung und generative KI zurücklehnen und erst mal abwarten?

Bastian Strauß: Die digitale Disruption ist mächtig und schnell. Ich vergleiche sie gerne mit einem Säbelzahntiger. Wir Menschen denken linear. Erkennen wir einen Säbelzahntiger in vielleicht 100 Metern Entfernung, der sich mit einem Tempo von 10 Metern pro Sekunde auf uns zubewegt, gehen wir davon aus, dass er erst in zehn Sekunden da ist und wir noch diese Zeit für Lösungen haben. Die digitale Disruption läuft aber exponentiell, besonders KI-Entwicklungen. Wir müssen also eher in drei Sekunden Entscheidungen treffen, nicht in zehn. Sehen Sie Digitalisierung und KI als Säbelzahntiger, der in exponentiell steigendem Tempo auf uns zukommt.

PZ: Sie kommen aus dem Bauhandwerk. Können Sie an einem Beispiel erläutern, wie man sich dort auf den Säbelzahntiger einstellt?

Strauß: Verallgemeinernd kann man sagen, KI lässt sich überall dort einsetzen, wo man auch einen guten Praktikanten beschäftigen könnte. Klar, Baustellen fegt generative KI nicht, aber texten, Dinge zusammenfassen und anders erklären kann sie sehr gut. Ein Beispiel ist das Baustellenprotokoll. Man schreibt es eher ungern und oft nach dem Baustellengespräch aus lückenhafter Erinnerung. Fertigt man aber eine Audioaufnahme von der Besprechung an, können mehrere Technologien eingreifen: Eine KI erstellt aus der Aufzeichnung einen Text. Den Text erhält eine generative KI, um das Protokoll zu schreiben. Dazu gebe ich dem System eine Vorlage mit und den Text des Gesprächsverlaufs. Die KI schreibt das Protokoll dann in wenigen Sekunden. Als Zusatz kann die KI neben dem Protokoll bestenfalls bereits To-do-Listen per E-Mail verteilen, so läuft der Arbeitsprozess noch effektiver.

PZ: Wie soll der Einsatz von KI-Systemen für Kunden spürbar werden?

Strauß: Es gibt, finde ich, viele Dienstleistungen etwa in der Apotheke, die sind super. Ist ein Medikament zum Beispiel gerade nicht verfügbar, sagt mir der Apotheker, »aber in der und der Filiale haben wir es«. Oder er kann es bestellen und Stunden später ist es da. Dann denke ich aber schon »Mensch, jetzt muss ich zu der Filiale fahren oder noch mal wiederkommen« – doch kein Problem, Apotheken können mit ihrem Botendienst auch nach Hause liefern. Darum geht es: nicht nur um Produkte als solche, sondern um Service, den man noch verbessern kann – digital und mit KI-Anwendungen.

Das ist beim Handwerk nicht anders. Erfährt etwa ein Kunde, dass ein Monteurtermin irgendwann zwischen 8.00 und 16.00 Uhr liegt, ist das Servicewüste. Doch man kann das optimieren, ähnlich wie große Paketauslieferer: Zuerst kriegen Kunden eine Mitteilung über den Tag, an dem das Paket kommt, es folgt die Nachricht, es kommt heute zwischen 13.55 und 14.55 Uhr. Und dann gibt es manchmal sogar einen Livestatus: Die Sendung ist noch zehn Stopps entfernt. Jetzt können sie entscheiden, heimzufahren, um das Paket anzunehmen. Das ist aber nicht nur KI zu verdanken, da spielt auch viel Digitalisierung eine Rolle.

PZ: Generative KI kann also nicht für sich allein arbeiten. Was braucht sie?

Strauß: Ein wichtiger Punkt für KI ist, dass sie Daten zum Lernen bekommt. Möchte ich generative KI gut nutzen, muss ich daher das Thema Digitalisierung im Blick haben. KI ist immer das Sahnehäubchen, die Kirsche auf dem Kuchen. Den Kuchen muss ich aber erst backen und kann dann die Kirsche draufsetzen. Das ist für mich die wichtigste Aussage: Ihr müsst euch um Digitalisierung, um Automatisierung kümmern. Dann kann eine KI eingreifen und ein wenig den menschlichen Faktor reinbringen, damit es nicht nur immer um ja und nein geht, wie beim Programmieren, sondern um Lösungen dazwischen.

PZ: Die meisten Apotheken sind digital schon gut aufgestellt. Aber wie findet man Ideen, um daraus mit KI mehr herauszuholen?

Strauß: Das Handwerk hat als eine Möglichkeit Barcamps und Hackathons für sich entdeckt. Ein Barcamp ist ein Gesprächsforum, das allenfalls ein Leitthema hat, aber keine geplanten Vorträge. Es erfolgt ein Kennenlernen aller Teilnehmer – maximal 200. Dann dürfen sich Leute auf die Bühne stellen und sagen ›Ich möchte über das und das Thema sprechen‹. Bekommen sie genug Mitstreiter zusammen, machen bis zu 20 Leute einen Slot für 45 Minuten auf. Wer das Thema angesprochen hat, führt es ein wenig ein, dann wird in der Gruppe diskutiert. Nach 45 Minuten endet das Gespräch. Es folgen 15 Minuten zur Nachbesprechung. Meist gibt es viele Parallel-Sessions, in die man einsteigen kann. Damit kriegen Sie zwar noch nicht unbedingt Lösungen, aber neue Ideen.

»Ein Monteur-Termin zwischen 8 und 16 Uhr – das ist Servicewüste!«
Bastian Strauß, KI-Experte

PZ: Kommt man Lösungen in einem Hackathon näher? Wie funktioniert das?

Strauß: Hackathons kommen ursprünglich aus der IT. Beim Handwerk läuft es so, dass man etwa 50 Handwerker und ähnlich viele Hardware- und Softwareentwickler einlädt. Die setzen sich zusammen und dann fragt ein Handwerker zum Beispiel: ›Kunden in Häusern mit Flachdach kriegen Undichtigkeiten im Dach oft erst mit, wenn die Bude schimmelt. Wie kann man das früher bemerken?‹ So ähnlich lautete tatsächlich bei einem Hackathon eine Frage. Software- und Hardwareentwickler sagten dann, dass es dafür Sensoren gibt, die sich mit einer Software verbinden lassen, und entwickelten im Hackathon einen Prototyp. Und mittlerweile hat eine Dachdeckerfirma mit Hardware- und Softwareentwicklern eine eigene Firma für entsprechende Meldesysteme gegründet. So etwas kann auch für Apotheken und KI-Anwendungen funktionieren. Wichtig ist, sich zunächst utopische Ziele zu setzen, um später realistische zu erreichen. Macht man sich den Kopf dicht, indem man schon zu Beginn sagt, eine Idee funktioniert etwa wegen Datenschutz nicht, wird man nicht weit kommen.

PZ: Ausblenden kann man Risiken mit der Datensicherheit am Ende aber nicht. Worin bestehen sie bei KI?

Strauß: Auch bei kostenfreien, auf Large Language Models basierenden KI-Chatbots bezahlt man am Ende doch, und zwar mit seinen Daten. Damit lernt das System weiter. Gebe ich sensible Daten mit ein, gehen auch die ins Trainingsmodell über – mit allen rechtlichen Konsequenzen. Man kann das durch Filter verhindern. Und es gibt eine spannende, neue Entwicklung: Der Konzern Meta hat ein Large Language Model für eine generative KI herausgebracht, das mittlerweile als Open Source verfügbar ist. Die Nutzergemeinde dafür wächst und versucht, das Modell für normale Nutzer anwendbar zu machen. Und so kann ich zum Beispiel, während wir telefonieren, eine Software im Hintergrund von Meta laufen lassen, die KI Llama 3. Die habe ich heruntergeladen, sie läuft lokal auf meinem Rechner ohne Verbindung nach außen. Diese KI wird also auch nicht »außen« trainiert. Doch wie kann man sie dann aufschlauen? Das war früher Datenanalysten vorbehalten und benötigt Programmcode, aber der ist mittlerweile überschaubar. Mit ein paar Youtube-Videos sind Sie in der Lage, so eine KI zu trainieren, wenn Sie Zeit dazu haben. Dafür nötige Daten kann man dem lokal arbeitenden KI-System zum Lernen geben, ohne fürchten zu müssen, dass sie nach außen abfließen, und kann das trainierte System mit seiner digitalen Infrastruktur vernetzen. 

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