Kein Retax und Austausch wird erleichtert |
Alexander Müller |
14.09.2023 12:20 Uhr |
»Wir können Engpässe nicht komplett ausschließen, aber wir sind deutlich besser aufgestellt als im letzten Jahr«, zeigte sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach 2.v.l.) überzeugt. Beim Spitzengespräch zu Lieferengpässen war unter anderem ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening (r.) zugegen. / Foto: PZ
Minister Lauterbach sagte einleitend, man werde alles tun, um sicherzustellen, »dass Kinder die Arzneimittel, die sie benötigen, bekommen«. Das gelte für Medikamente, die im vergangenen Winter knapp gewesen seien.
Zur aktuellen Lage sagte Lauterbach: »Wir können Engpässe nicht komplett ausschließen, aber wir sind deutlich besser aufgestellt als im letzten Jahr.« Das sei auch Dank der Bereitschaft der Industrie möglich geworden, deutlich mehr zu produzieren – teilweise um bis zu 100 Prozent mehr. Man sei aber jetzt an der »technischen Leistungsgrenze«.
Trotzdem zeigte sich Lauterbach zuversichtlich: »Wenn wir keine große Welle bekommen, glaube ich, werden wir des Problems Herr werden können.« Das Gebot der Stunde sei: keine Hamsterkäufe, betonte Lauterbach. Ein kleiner Vorrat in der Hausapotheke sei angemessen, »das Horten ist einfach nicht sinnvoll«, so Lauterbach. Warnmeldungen zu drohenden Engpässen seien daher nicht hilfreich, weil dann unnötig gehortet werde.
Am Morgen hatte Lauterbach im ARD-«Morgenmagazin« noch scharf gegen die Apotheken geschossen. Beim öffentlichen Auftritt in seinem Ministerium an der Seite von ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening zeigte er sich versöhnlicher: »Bei der Apothekerschaft haben wir im vergangenen Jahr eine hervorragende Leistung gesehen.« Jetzt werde bei den gelockerten Regeln zu Austausch und Herstellung »Rechtssicherheit und wirtschaftliche Sicherheit geschaffen«. Der Austausch der Darreichungsform soll ohne Rücksprache mit dem Arzt möglich sein.
Konkret heißt es im 5-Punkte-Plan: »Der Austausch von Kinderarzneimitteln der Dringlichkeitsliste wird ausgeweitet und erleichtert. Für die Herstellung von Rezepturen und für den Austausch der Darreichungsform wird bei diesen Kinderarzneimittel eine Retaxation ausgeschlossen. Ebenso wird für diese Arzneimittel eine Beanstandung in Wirtschaftlichkeitsprüfungen für die Ärzteschaft ausgeschlossen.«
Das soll Lauterbach zufolge sehr schnell gehen. Die gesetzliche Änderung soll im Pflegestudiumsstärkungsgesetz (PflStudStG) untergebracht werden, das sich schon im parlamentarischen Verfahren befinde. Allerdings sind davon zunächst nur wenige Arzneimittel betroffen. Overwiening hat dem Minister aber das Versprechen abgerungen, die Austauschregeln insgesamt zu erweitern und zu verstetigen.
Lauterbach appellierte zudem an die Ärzte, keine Vorratsrezepte auszustellen. Eine »sparsame und evidenzbasierte Verschreibung« zählt ebenso zum 5-Punkte-Plan wie die Zusage, bei erneuten Engpässen zusätzliche Importe zu ermöglichen. Ferner sieht der Plan vor, dass die Festbeträge bei den dringlichen Kinderarzneimitteln weiter ausgesetzt bleiben und Rabattverträge für Kinderarzneimittel ausgeschlossen sind.
Lauterbach will auch den Informationsfluss verbessern und kündigte an, dass eine »High-Level-Gruppe« in seinem Ministerium eingerichtet werden. Die Verbände der Haus- und Kinderärzte, der Apotheker und der Industrie sollten direkt an diese zentrale Stelle berichten, wie es um die Versorgungslage bestellt ist. »Dadurch werden wir zu jedem Zeitpunkt wissen, wo wir stehen.«
Overwiening erinnerte im BMG daran, dass die Apotheken in der aktuellen Situation bereits an der Belastungsgrenze seien. Aber die Teams vor Ort fühlten sich den Patientinnen und Patienten tief verbunden und sähen es als ihre Pflicht an, die Versorgung zu sichern. Der Berufsstand benötige dazu aber auch die Unterstützung des Ministeriums. Die Patientinnen und Patienten müssten hinnehmen, dass es manchmal etwas länger dauere. »Geduld, Vertrauen, Flexibilität sind nötig, um Lösungen zu finden.« Immerhin habe ihr der Minister den Apotheken jetzt dauerhafte und weiterreichende Austauschmöglichkeiten zugesichert. Man erwarte, dass das vom BMG eingehalten werde, so die ABDA-Präsidentin.
Unterstützung bekam Overwiening von der Ärzteschaft. Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzt*innen (BVKJ), sagte im Rahmen der Pressekonferenz: „Wir sind immer noch nicht glücklich mit der aktuellen Versorgungssituation.“ Die Ausgangssituation sei günstiger als im vergangenen Jahr. „Es ist wichtig, das als Zwischenschritt zu sehen.“
Nicola Buhlinger-Göpfarth, Vizepräsidentin des Hausärzteverbands, pflichtete bei: „Aus hausärztlicher Situation sind wir in vergleichbarer Situation wie im vergangenen Winter.“ Die Lage sei etwas besser in diesem Jahr, aber man wünsche sich weitere Maßnahmen.
Für die Industrie war Andreas Burkhardt dabei, Teva-Deutschlandchef und Vorsitzender des Branchenverbands Pro Generika. Er berichtete, dass es auch intern in den Unternehmen nicht leicht durchzusetzen gewesen sei, die Produktion um teilweise 100 Prozent hochzufahren – entgegen rein wirtschaftlichen Erwägungen. Burkhardt sieht das gemeinsame Bemühen jetzt als Auftakt für nachhaltige Lösungen.