Kein Honorar, PTA-Vertretung für 20 Tage |
Alexander Müller |
17.10.2025 12:48 Uhr |
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken hat den Referentenentwurf für ihr Apothekenreformgesetz vorgelegt. / © Imago/Bernd Elmenthaler
Die Frühabstimmung mit dem Kanzleramt ist abgeschlossen, das BMG hat heute die Ressortabstimmung für die Apothekenreform eingeleitet. Das Paket beinhaltet den Referentenentwurf eines »Gesetzes zur Weiterentwicklung der Apothekenversorgung« sowie den »Referentenentwurf für eine Zweite Verordnung zur Änderung der Apothekenbetriebsordnung und der Arzneimittelpreisverordnung«. Das spricht dafür, dass einzelne Teile doch schneller umgesetzt werden sollen. Das BMG hat dazu eine vierseitige Maßnahmenübersicht veröffentlicht. Zum möglichen zeitlichen Ablauf (hier).
Das BMG hält an der umstrittenen PTA-Vertretung fest und konkretisiert die Vorstellungen: Mit einer zweijährigen berufsbegleitenden Weiterqualifizierung sollen PTA eine zeitlich begrenzte Befähigung zur Vertretung der Apothekenleitung erwerben können, heißt es. »Nicht länger als 20 Tage im Jahr, davon zusammenhängend höchstens zehn Tage« ist die Obergrenze für die Vertretung. Und: »Dies gilt nur für Apotheken, in denen sie bereits ohne Beaufsichtigung arbeiten, und nicht für spezialisierte Apotheken (z.B. Zytostatikaherstellung).« Das Curriculum für die Weiterqualifizierung soll die Bundesapothekerkammer (BAK) festlegen.
Die noch im Koalitionsvertrag versprochene Erhöhung des Honorars auf 9,50 Euro kommt vorerst nicht. Umgesetzt wird aber die Verhandlungslösung: Die Vertragspartner – GKV-Spitzenverband und Deutscher Apothekerverband (DAV) – erhalten den Auftrag, »Anpassungen für die Apothekenvergütung zu verhandeln«. Die Apothekerschaft bekomme damit die Möglichkeit (wie andere Leistungserbringer im Gesundheitswesen auch), ihre Vergütung selbst mitzugestalten.
Das BMG will aber den Rahmen vorgeben: »Um konstruktive Verhandlungen zu fördern, werden rechtlich verbindliche Leitplanken in Form bestimmter Indizes vorgegeben. Die ausgehandelten Anpassungen werden dem Verordnungsgeber als Empfehlung übermittelt und sollen bei künftigen Änderungen der Arzneimittelpreisverordnung einbezogen werden«, heißt es aus dem Ministerium.
Finanziell profitieren sollen die Apotheken auch von der Wiederfreigabe von Skonti im Einkauf. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte im Februar 2024 entschieden, dass der variable Teil der Großhandelsvergütung von 3,15 Prozent als absolute Grenze für Preisnachlässe gilt – Skonti eingerechnet. Über eine Anpassung der Arzneimittelpreisverordnung soll das bereinigt werden. »Angesichts der großen wirtschaftlichen Bedeutung für Apotheken werden handelsübliche Skonti für vorfristige Zahlung künftig wieder ermöglicht.«
In ländlichen Gebieten könnten Schließungen von Apotheken nach Befürchtung des BMG größere Auswirkungen auf die Erreichbarkeit von Apotheken haben. »Damit solche Standorte erhalten bleiben, sollen die Verhandlungen der Selbstverwaltung auch gesonderte Zuschläge für Landapotheken enthalten.« Bis diese Förderung auf Grundlage von Geodaten und weiteren Parametern in der Praxis umgesetzt werden könne, werde die Vergütung ländlicher Apotheken über eine Anhebung der Nacht- und Notdienstpauschale gestärkt.
»Der bisherige Zuschlag für pharmazeutische Dienstleistungen (pDL) in Höhe von 20 Cent pro Packung verschreibungspflichtiger Arzneimittel wird dazu auf den pauschalen Notdienstzuschuss umverteilt, womit eine annähernde Verdopplung der Mittel für den Zuschuss erreicht wird.«
In den Nacht- und Notdienstfonds fließen demnach künftig 41 Cent pro Packung statt wie bislang 21. Allerdings klingt die Formulierung nach einer Befristung.
Künftig sollen neben der Notdienstpauschale für Vollnotdienste auch Zuschüsse für Teilnotdienste (von 20 bis 22 Uhr) gezahlt werden, und zwar in Höhe von einem Fünftel des Betrages für den Vollnotdienst.
Die Anforderungen zur Gründung einer Zweigapotheke sollen abgesenkt werden. Sie sollen künftig eröffnet werden, wenn in abgelegenen Orten oder Ortsteilen eine eingeschränkte Arzneimittelversorgung vorliegt. Die Erlaubnis wird in diesen Fällen für zehn Jahre erteilt, bisher waren es fünf. Die räumlichen Anforderungen werden dafür abgesenkt: kein Notdienstzimmer, keine Rezeptur bei entsprechender Versorgung innerhalb des Filialverbunds. Bei Notdiensten sollen Zweigapotheken nur noch für maximal zwei Stunden tagsüber in Anspruch genommen werden.
»Für abgelegene Regionen mit deutlich eingeschränkter Arzneimittelversorgung sollen so Anreize für die Gründung weiterer Zweigapotheken und somit ein Erhalt des flächendeckenden Apothekennetzes gesetzt werden«, so die Erwartung des BMG.
Wirklich strengere Auflagen für den Versandhandel sieht der Entwurf nicht vor. Nur für den Transport »kühlkettenpflichtiger und kühlpflichtiger Arzneimittel« werden »geeignete Transportunternehmen unter dokumentierten Bedingungen« vorgeschrieben – aus Gründen der Qualitätssicherung.
Immerhin soll die Paritätische Stelle gemäß Rahmenvertrag etwas gestärkt werden: Bei »Verstößen gegen die Preisbindung und gegen das Verbot von Zuwendungen« können Sanktionen verhängt werden. Neu ist, dass das »Haftungsrisiko für die Ahndung solcher Verstöße auf die Vertragspartner des Rahmenvertrages zu gleichen Teilen zu übertragen« ist. Bislang hing das Risiko bei der Seite, die für die Sanktion gestimmt hat.
Filial- und Zweigapotheken sollen künftig von zwei Personen geleitet werden können. Und Apothekerinnen und Apothekern mit ausländischem Abschluss soll künftig die Gründung von Apotheken möglich sein – statt wie bisher nur die Übernahme. Fachpersonal im Anerkennungsverfahren soll bereits während des Verfahrens wie Personen in der Ausbildung eingesetzt werden können. Und Personen ohne pharmazeutische Ausbildung dürfen für Hilfstätigkeiten eingesetzt werden, sogar »in der Arzneimittelherstellung oder -prüfung«.
Die Herstellung und Prüfung von Arzneimitteln und Ausgangsstoffen soll vereinfacht werden. Ein Labor muss künftig nur noch innerhalb eines Filialverbunds vorgehalten werden. »Zur Herstellung benötigte Geräte und Fachliteratur unterfallen ebenfalls der eigenverantwortlichen Entscheidung der Apothekenleitung.« Gleiches gelte für die Anpassung standardisierter Herstellungsvorschriften auf die jeweilige Apotheke.
Die Vorgaben an die Raumeinheit – der Zugang zu allen Räumen ohne Verlassen der Apotheke – sollen für Sonderfälle flexibilisiert werden. Die zuständige Behörde darf Ausnahmen ermöglichen.
Die Apothekenöffnungszeiten werden in die Eigenverantwortung der Apothekenleitung gestellt. Damit können vor allem Apotheken in ländlichen Regionen ihre Geschäftszeiten besser an den Bedarf vor Ort anpassen.
Im Rahmen eines Heimversorgungsvertrags dürfen Arztpraxen künftig E-Rezepte für die von der heimversorgenden Apotheke versorgten Heimbewohnerinnen und -bewohner sammeln und an die heimversorgende Apotheke weiterleiten. Die Regelung wird bis Ende 2028 befristet, bis die Pflegeheime an den Fachdienst angebunden sind.
Die Apotheken dürfen Betäubungsmittel künftig im Kommissionierer lagern.
Zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und tabakassoziierten Erkrankungen sowie zur Früherkennung von hierfür maßgeblichen Erkrankungsrisiken werden gesetzliche Apothekenleistungen als neue pharmazeutische Dienstleistungen (pDL) vorgesehen.
Wie bereits in der Corona-Pandemie sollen Apotheken auf Selbstzahlerbasis Schnelltests gegen bestimmte Erreger durchführen dürfen – genannt werden Adeno-, Influenza-, Noro-, RS- und Rotavirus. Damit könnten Infektionsketten schneller unterbrochen werden.
Neben den pharmazeutischen Dienstleistungen in der Prävention sollen weitere pDL gesetzlich vorgegeben werden. Die Durchführung und das Ergebnis sollen in der elektronischen Patientenakte (ePA) gespeichert werden. Außerdem sollen pDL künftig auch ärztlich verordnet werden können.
Es soll Apothekerinnen und Apothekern künftig möglich sein, verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne Rezept abzugeben. Begrenzt wird das auf »bekannte Langzeitmedikation« und »einmalige Abgabe der kleinsten Packung unter der Voraussetzung einer bekannten Verordnung über vier Quartale« und »sofern die Fortführung der Therapie keinen Aufschub erlaubt«. Die ePA-Einträge sollen darüber Aufschluss geben.
Bei »akuten, unkomplizierten Formen bestimmter Erkrankungen« soll zunächst eine »Verordnungsermächtigung« geschaffen werden, auf deren Grundlage das BMG auf Empfehlung des BfArM unter Einbindung der Arzneimittelkommissionen der Ärzte und Apotheker in einer Rechtsverordnung Vorgaben für die Abgabe treffen kann; einschließlich eines Katalogs mit Erkrankungen. Die Abgabe erfolgt dann auf Selbstzahlerbasis, wobei die Apotheken für den erhöhten Aufwand einen Betrag von bis zu 5 Euro pro Abgabe verlangen können.
Apotheken sollen künftig bei der Einlösung von Arzneimittelverordnungen ein vorrätiges Arzneimittel abgeben dürfen, sofern das rabattierte Arzneimittel nicht in der Apotheke oder beim Großhandel vorhanden ist. Die Regelung wird zunächst zeitlich befristet und im Anschluss auf ihre Kostenwirkung für die Kassen evaluiert. Der GKV-Spitzenverband und der Deutsche Apothekerverband sollen hierzu ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes einen Bericht vorlegen.
Apotheken sollen künftig neben Grippe- und Covid-19-Impfungen alle Impfungen durchführen können, die keine Lebendimpfstoffe enthalten; beispielhaft genannt werden Tetanus und FSME.
Wenn sich die Apotheke bei der Abgabe nicht an den Rahmenvertrag halten konnte, es aber zu keiner konkreten Gefährdung der Arzneimittelsicherheit kommt, soll es künftig keine Nullretaxationen mehr geben. »Die GKV trägt dabei die Kosten des Arzneimittels, auf das Apothekenhonorar hat die Apotheke in diesen Fällen keinen Anspruch.«
In der Versorgung mit patientenindividuell hergestellten Zytostatika soll die Preisfestsetzung über die Hilfstaxe gestärkt und das Verfahren vereinheitlicht werden. Verpflichtende elektronische Vorgaben sollen eine einheitliche, strukturierte und beschleunigte Preisabfrage ermöglichen.
Im Infektionsschutzgesetz sollen Folgeänderungen und Aktualisierungen einzelner Meldepflichten bestimmter Krankheiten vorgenommen werden. Insbesondere wird die Meldepflicht von Candidozyma auris (vormals Candida auris) vor dem Hintergrund der zunehmenden Ausbreitung dieses Erregers auf Kolonisationen erweitert. Das Umweltbundesamt wird zur Durchführung der Delegierten Verordnung (EU) 2024/370 als notifizierende Behörde benannt.