Kein erhöhtes Risiko für Schilddrüsenkrebs unter GLP-1-RA |
Theo Dingermann |
13.01.2025 12:00 Uhr |
Einer neuen, großen Kohortenstudie zufolge erhöhen GLP-1-Rezeptoragonisten nicht das Risiko für Krebs der Schilddrüse. / © Adobe Stock/New Africa
GLP-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA) wie Semaglutid sind grundsätzlich als Langzeittherapie vorgesehen. Präklinische Studien an Nagern lieferten Hinweise, dass eine solche Dauertherapie mit einem erhöhten Risiko für Schilddrüsenkrebs einhergehen könnte. Es waren Anzeichen für eine erhöhte Inzidenz von C-Zell-Tumoren der Schilddrüse beobachtet worden, zudem war in bestimmten Schilddrüsenkrebszellen die Expression von GLP-1-Rezeptoren erhöht.
Um dieses mögliche Risiko für die Anwendung am Menschen zu überprüfen, haben Forschende um Sarah M. Baxter von der Queen’s University in Belfast eine multizentrische Kohortenstudie durchgeführt, in der Daten aus sechs populationsbasierten Datenbanken aus Kanada, Dänemark, Norwegen, Südkorea, Schweden und Taiwan zusammengeführt wurden. Die Forschenden verglichen das Risiko für Schilddrüsenkrebs von Patienten mit Typ-2-Diabetes, die entweder mit GLP-1-RA oder Dipeptidylpeptidase-4-Inhibitoren (DPP-4-Hemmer) behandelt wurden; DPP-4-Hemmer sind eine klinisch relevante Alternative zu GLP1-RA. Die Ergebnisse der Studie wurden kürzlich im Fachjournal »Thyroid« publiziert.
Insgesamt wurden 98.147 Anwender von GLP1-RA und 2.488.303 Anwender von DPP-4-Hemmern in die Studie eingeschlossen. Sie waren mindestens 40 Jahre alt, hatten im Jahr vor dem Kohorteneintritt Metformin verschrieben bekommen und verfügten über eine Dokumentation ihrer medizinischen Vorgeschichte von mindestens fünf Jahren. Dies sollte sicherstellen, dass die Teilnehmer nicht bereits vor Studienbeginn mit GLP-1-RA oder DPP-4-Hemmern behandelt worden waren.
Ausgeschlossen wurden Patienten mit einer Krebsanamnese (außer nicht-melanozytärem Hautkrebs), multipler endokriner Neoplasie, therapeutischer Bestrahlung, vorheriger Behandlung mit Radiojod oder bei gleichzeitiger Verordnung eines GLP-1-RA und eines DPP-4-Hemmers.
Die Follow-up-Zeit begann ein Jahr nach der ersten Anwendung eines GLP-1-RA oder eines DPP-4-Hemmers. Sie endete mit einem der folgenden Punkte: Diagnose eines Schilddrüsenkarzinoms, Tod jeglicher Ursache, Auswanderung, zehn Jahre nach Behandlungsbeginn oder Ende des Studienzeitraums – je nachdem, was zuerst eintrat.
Die mittlere Nachbeobachtungszeit für GLP1-RA-Anwender lag zwischen 1,8 und 3,0 Jahren.
Mithilfe statistischer Methoden errechneten die Forschenden Hazard Ratios (HR) für das Auftreten von Schilddrüsenkrebs. Zusätzlich berücksichtigten sie in Subgruppenanalysen mögliche Einflussfaktoren wie Alter, Geschlecht und Komorbiditäten. Unter anderem wurden die Daten auch mit Probandengruppen verglichen, die beispielsweise mit SGLT-2-Inhibitoren oder Sulfonylharnstoff-Präparaten behandelt wurden. Zudem untersuchten die Forschenden, ob eine Zunahme der kumulativen Dosis von GLP-1-RA mit einem erhöhten Krebsrisiko einhergeht.
Es zeigte sich, dass die Therapie mit einem GLP-1-RA im Vergleich zur Therapie mit einem DPP-4-Hemmer nicht mit einem erhöhten Risiko für Schilddrüsenkrebs verbunden war (HR: 0,81). Auch eine erhöhte kumulative Dosis von GLP-1-RA war nicht mit einem erhöhten Krebsrisiko assoziiert. Die Ergebnisse blieben über verschiedene Subgruppen- und Sensitivitätsanalysen hinweg konsistent. Bei Frauen wurde jedoch im Vergleich zu Männern ein signifikant geringeres relatives Krebsrisiko beobachtet.
Im Vergleich zur Therapie mit Sulfonylharnstoffen war das Risiko unter GLP-1-RA erhöht – aber vermutlich war dieses Ergebnis durch eine »Confounding-by-Indication-Verzerrung« entstanden. Davon spricht man, wenn eine Behandlung aufgrund einer zugrunde liegenden Erkrankung gewählt wird, die selbst das Risiko für das Ergebnis beeinflusst. Die beobachtete Wirkung wird also möglicherweise nicht durch die Behandlung selbst, sondern durch die zugrunde liegende Erkrankung verursacht.
Die Studie liefert wichtige Hinweise, dass Menschen mit Typ-2-Diabetes, die mit GLP1-RA behandelt werden, im Vergleich zu Patienten, die mit DPP-4-Hemmern therapiert werden, mit keinem erhöhten Schilddrüsenkrebsrisiko rechnen müssen.
Einschränkend ist allerdings anzumerken, dass der Nachbeobachtungszeitraum der Studie recht kurz war und somit keine langfristigen Risiken ausgeschlossen werden können. Allerdings zeigten sich in der durchlaufenen Follow-Up-Zeit keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für Schilddrüsenkrebs, wie es in den Tierstudien der Fall war. Um das langfristige Krebsrisiko zu untersuchen, sind weitere Studien notwendig.