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Vertreterversammlung

KBV-Vize gegen Apotheken als »Praxen light«

Die niedergelassenen Ärzte leiden wie die Apotheken unter überbordender Bürokratie und unzureichender Finanzierung. Dies war auch Thema bei der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) am heutigen Freitag. Bei der Gelegenheit sprach sich KBV-Vize Stephan Hofmeister einmal mehr dagegen aus, ärztliche Leistungen in Apotheken anzubieten.
Cornelia Dölger
08.12.2023  16:30 Uhr

Dass Apothekerinnen und Apotheker nach den Plänen von Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) künftig Untersuchungen auf Risiken für Herzkreislauf-Erkrankungen, Schlaganfall und Diabetes anbieten und die Kunden zu den Ergebnissen beraten sollen, sei ein weiterer Schritt, »um Apotheken zu ,Praxen light’ zu machen«, so der KBV-Vize. Anfang Oktober hatte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) ein Impulspapier dazu vorgelegt, das bei Ärzteverbänden für Kritik sorgte.

So auch heute bei der Vertreterversammlung. »Um es klar zu sagen: Es handelt sich hier um eine Bagatellisierung ärztlicher, in dem Fall insbesondere hausärztlicher, Versorgung – eine Bagatellisierung, die unverantwortlich ist und die wir nicht hinnehmen können!«. Diese »Politik des Surrogats« ziehe sich durch die gesamte derzeitige Gesetzgebung. Ständig würden neue Parallel- und Ersatzstrukturen ersonnen, anstatt bestehende zu stärken, kritisierte der KBV-Vize.

Bei der letzten Vertreterversammlung in diesem Jahr befassten sich die Delegierten in Berlin mit der angespannten Situation in den Praxen aufgrund der sich verschlechternden Rahmenbedingungen. Der KBV-Vorstand habe dabei nachdrücklich an die Öffentlichkeit appelliert, die Petition zur Rettung der ambulanten Versorgung zu unterzeichnen, wie es in einer KBV-Mitteilung hieß.

Der KBV-Vorstandsvorsitzende Andreas Gassen erinnerte daran, dass mit dem »Zero Pay Day« am 15. November die »unbezahlte Jahreszeit« für die Praxen begonnen habe. »Ab diesem Tag fangen die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte statistisch und im Durchschnitt betrachtet an, die meisten ihrer Patienten gratis zu behandeln.«

Nach Berechnungen des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) müssten rund 125 Millionen Arzt-Patienten-Kontakte entfallen, wenn alle Praxen ab dem 16. November schließen würden, so Gassen. »Ich kenne keinen Berufsstand, der auf Dauer bis zu sechs Wochen im Jahr ohne Bezahlung arbeiten würde. ,Black Weeks’ mögen im Einzelhandel beliebt sein, im Gesundheitswesen sind sie unethisch!«

Umfrage-Ergebnisse »mehr als ein Alarmsignal«

Passend zur düsteren Stimmung bei der letzten Sitzung in diesem Jahr veröffentliche die KBV eine Onlineumfrage unter etwa 32.000 Ärzten und Psychotherapeuten, deren Ergebnisse KBV-Chef Gassen als »mehr als ein Alarmsignal« wertete. Fast 40 Prozent der Vertragsärztinnen und -ärzte würden sich demnach heute nicht wieder niederlassen. Und fast zwei Drittel würden wegen der schlechten Rahmenbedingungen über einen vorzeitigen Ausstieg aus der Patientenversorgung nachdenken. Die repräsentative Onlinebefragung hatte die KBV gemeinsam mit dem Zi in den vergangenen Wochen durchgeführt. 

Gassen betonte,  fast 100 Prozent der Befragten erachteten ihre Arbeit grundsätzlich als sinnvoll und nützlich – aber eben nicht unter den schlechten Bedingungen, gegen die die Ärzteschaft seit Längerem protestiert.

Erst im vergangenen August verabschiedete die Vertreterversammlung der KBV entsprechende Kernforderungen, etwa den massiven Abbau von Bürokratie und eine tragfähige Finanzierung. Nahezu 100 Prozent der aktuell Befragten drängen demnach auf deren Umsetzung. Eine sinnvolle Digitalisierung, die nicht die Praxen lahmlege, fordern 95 Prozent, wie die Umfrage laut Mitteilung zeigte.

Zu geringes Honorar, Nachwuchssorgen, mangelnde Wertschätzung

Zwei Drittel der Umfrageteilnehmer gaben zudem an, sich durch die Arbeit ausgebrannt zu fühlen. Mehr als 90 Prozent beklagten die Vielzahl bürokratischer Aufgaben und fühlen sich dadurch überlastet. Rund 85 Prozent empfinden, dass ihre Leistungen nicht angemessen honoriert werden. Etwa 85 Prozent der Haus- und Fachärzte sorgten sich mit Blick auf ihren Ruhestand, keine Nachfolger zu finden. Hinzu komme eine mangelnde Wertschätzung der Politik für die Arbeit der Praxen. 91,3 Prozent der Ärzte und Psychotherapeuten beklagten dies.

»Die Ergebnisse dieser Befragung übertreffen meine schlimmsten Erwartungen«, sagte Gassen. Wenn die Politik jetzt nicht reagiere, »werden wir bereits ab dem kommenden Jahr zunehmende Versorgungslücken haben, nicht nur auf dem Land, sondern auch in den Städten«. Die Ergebnisse spiegelten die realen Probleme der Praxen wider, ergänzte KBV-Vize Hofmeister. »Das ist eine veritable Krise« – und mitnichten ein »Lobbyisten-Geschrei von Funktionären«, wie es gern von Lauterbach dargestellt werde. Frühzeitig habe man dem Minister Lösungsvorschläge unterbreitet. Jetzt müsse er handeln, es dürfe nicht bei Lippenbekenntnissen bleiben.

600 Millionen Behandlungsfälle pro Jahr versorgt – wie lange noch?

Gute Rahmenbedingungen seien für eine funktionierende flächendeckende Versorgung unabdingbar, forderte auch KBV-Vorstandsmitglied Sibylle Steiner. »Es führt kein Weg daran vorbei.« Viele der Befragten verzweifelten »an einem Übermaß an Bürokratie, schlecht gemachter Digitalisierung, einer unzureichenden finanziellen Situation und dem damit verbundenen Fachkräftemangel sowie nicht zuletzt an der fehlenden politischen Wertschätzung ihrer enormen Arbeit«.

Ändert sich nichts an den Gegebenheiten, werde das Versorgungsnetz löchriger, warnte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dominik von Stillfried. Bislang könnten durch das dichte Praxisnetz noch 600 Millionen Behandlungsfälle pro Jahr versorgt werden. Aber schon jetzt seien bundesweit fast 6000 Arztsitze unbesetzt, weil die Niederlassung im Vergleich zu anderen Formen der ärztlichen Berufsausübung an Attraktivität eingebüßt habe. »Tendenz steigend«, so von Stillfried. Dass viele Niedergelassene keinen Nachfolger für ihre Praxis fänden, sei bezeichnend. Die Lücken im Versorgungsnetz könnten auch »die jetzt schon völlig überforderten Krankenhäuser niemals füllen«. Leidtragende seien am Ende immer die Patientinnen und Patienten.

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