Kassenfinanzen kein Thema für Merz |
Cornelia Dölger |
24.09.2025 11:12 Uhr |
Der Bundestag befasst sich in dieser Woche mit dem Haushalt für das kommende Jahr. / © Imago/dts Nachrichtenagentur
Seit gestern läuft die Haushaltswoche im Bundestag. Es geht um den Etat für 2026. Auch über die Mittel, die Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) im kommenden Jahr zur Verfügung stehen, wurde bereits beraten. Dabei drängen die ständig steigenden Sozialabgaben zur Eile; der Jahreswechsel naht, und dass mit ihm weitere Erhöhungen der Krankenkassenbeiträge kommen, bleibt zu befürchten.
Warken will dem etwas entgegensetzen. Sie betonte vor den Abgeordneten, dass die Gesundheitsausgaben pro Kopf sich in gut 20 Jahren auf 6000 Euro nahezu verdoppelt hätten; diese Spirale gelte es zu durchbrechen – eine Ansage, für die sie im Bundestag Applaus erhielt.
Das Ziel ist also im Blick, aber der Weg dorthin liegt noch einigermaßen im Verborgenen. Kritiker halten der Ministerin vor, dass sie bislang nichts Konkretes geliefert habe, um die Lage nachhaltig zu verbessern. So steht im Raum, dass Warken zunächst auf Steuerzuschüsse setzt, um die Finanzen in den Griff zu bekommen, oder dass es eben wieder die Versicherten trifft, wenn die Kassen nochmal anziehen.
Mit Bangen wird das Treffen des Schätzerkreises im Oktober erwartet, der ausrechnet, wie viel die Kassen auskömmlich benötigen. Je nach Ergebnis könnte der politische Druck dann steigen – am Ende womöglich mit mehr Geld für die Kassen. Morgen soll zudem die Reformkommission ihre Arbeit aufnehmen.
Mit mehr Steuern will auch die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Simone Borchardt, die Kassen entlasten, zumindest zunächst. Die Kassen sollten etwa versicherungsfremde Leistungen wie die Versorgung von Bürgergeldempfangenden nicht übernehmen müssen, forderte Borchardt im 200-Sekunden-Interview von »Politico«. Dies war auch Wahlkampfthema – in den schwarz-roten Koalitionsvertrag hat es der Plan, dass der Bund den Versorgungsanteil übernimmt, aber nicht geschafft.
Steuern erhöhen will die Union gleichzeitig nicht; man wolle im Dialog mit Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) im Haushalt »Ressourcen freisetzen«, so Borchardt. Denn die explodieren Beiträge beträfen immer auch die Lohnnebenkosten und damit die Wirtschaft. Hier brauche man »unbedingt diese Stabilität und Entlastung«.
Ob dabei auch im Gesundheitsbereich gespart werde? »Unbedingt«, so Borchardt. Um Reformen komme man nicht herum, »und wir werden auch jetzt schon darüber nachdenken müssen, dass wir da Ressourcen freisetzen«. Dies müsse zügig passieren, solle aber nicht mit Leistungskürzungen einhergehen, sondern mit mehr Steuerung, etwa über das Primärarztmodell. »Das sind zwei völlig verschiedene Dinge, ob ich Patienten durch das System steuere, weil sie sonst Leistungen in Anspruch nehmen, die sie vielleicht nicht richtigerweise in Anspruch nehmen, oder ob ich eine Leistung kürze.«
Auch Patientensteuerung über Geld hält Borchardt nicht für ausgeschlossen. Eine Praxisgebühr sei vorstellbar, wenn etwa unnötig ein Facharzt aufgesucht werde. Hier müssten Auswege gesucht werden, »vielleicht auch monetär«.
Die meisten Ressourcen, um das Gesundheitssystem fit zu machen, liegen nach Borchardts Ansicht in der Ambulantisierung. Hier hinke Deutschland anderen Ländern hinterher und lasse pragmatische Lösungen vermissen. Auch bei der Digitalisierung sieht Borchardt noch Luft nach oben. Hier sei man »noch weit, weit hinter den Möglichkeiten, die wir haben, um Ressourcen und Geld zu sparen«. Es brauche Steuerungsmechanismen nach der Reihenfolge »digital vor ambulant vor stationär«.
Dafür, dass die Beiträge zum kommenden Jahr nicht schon wieder steigen, mochte Borchardt keine Garantie abgeben. Es müsse »unser Ansinnen sein, ich kann es nicht versprechen«.
Die Kassenbeiträge und das Risiko, das eine ständige Erhöhung auch sozial birgt, thematisierte Bundeskanzler Friedrich Merz in der Generalaussprache im Bundestag heute nicht. Gesetztes Thema war der Einzelplan 4, also der Etat des Kanzleramts für 2026, aber traditionell werden dabei größere Linien gezogen. Über nötige grundlegende Reformen der sozialen Sicherungssysteme sprach Merz also. Er sehe mit Zuversicht, »dass die Zustimmung wächst, dass wir daran wirklich grundlegend etwas ändern müssen«. Die sozialen Versprechen müssten auch künftig eingehalten werden können. Es brauche ein Verständnis »für die Unausweichlichkeit von Veränderungen«.
Wichtig sei »ein klarer Blick« auf die Wirklichkeit und die demografische Entwicklung. »Darauf müssen wir Antworten geben«, so Merz. Es müsse mehr und bessere Antworten geben als in der Vergangenheit. Ziel der Reformen sei der Erhalt des Sozialstaats, »so wie wir ihn wirklich brauchen«. Er müsse »im Wesenskern« erhalten bleiben.
Merz skizzierte die angestoßenen Reformen, etwa bei Steuern, zudem in der Migrationspolitik sowie bei Rente, Bürgergeld und Grundsicherung. Für eine florierende Volkswirtschaft »müssen wir ziemlich viel tun«. Die Hauptthemen bearbeite man längst: Steuerpolitik, Investitionen Abbau von Regulierung bis hin zu Energiepreisen.