Kassen wollen Milliardenbeträge bei Apotheken sparen |
Cornelia Dölger |
12.07.2022 18:00 Uhr |
Das milliardenschwere Finanzloch der GKV muss gestopft werden. Zum entsprechenden Gesetzentwurf sollen morgen die Verbände angehört werden. Einige Kassen haben noch Sparmöglichkeiten bei Apotheken ausgemacht. / Foto: imago images/Hollandse Hoogte
Dass das Bundesgesundheitsministerium (BMG) den Kassenabschlag für zwei Jahre von derzeit 1,77 Euro auf dann 2 Euro erhöhen will, kommt bei den Versicherern grundsätzlich gut an. Diese Regelung werde ausdrücklich begrüßt, schreibt etwa der GKV-Spitzenverband in seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf. Dass dadurch die Kassenausgaben um 0,23 Cent pro Rx-Packung sinken, ergebe unter der Annahme von 610 Millionen Einheiten pro Jahr eine jährliche Ersparnis von etwa 140 Millionen Euro für die Kassen. »Es handelt sich also um eine Maßnahme die den Anstieg der Ausgaben der Solidargemeinschaft kurzfristig in den kommenden zwei Jahren dämpfen wird«, heißt es. Vor diesem Hintergrund sei die Maßnahme zu befürworten.
Die Innungskrankenkassen betonten in ihrer Stellungnahme, sie begrüßten grundsätzlich alle Maßnahmen, die Einsparungen auf Seiten der Leistungserbringer und im Arzneimittelbereich vorsähen. Allerdings brächten diese Regelungen lediglich Mehreinnahmen in Höhe von 5 Milliarden Euro ein. »Hier hätte die GKV-Gemeinschaft im Sinne einer ausgleichenden Gerechtigkeit eindeutig mehr vom Gesetzgeber erwartet«, heißt es.
Für die Bereiche Arzneimittel und Apotheken seien sowohl das verlängerte Preismoratorium wie auch der erhöhte Apothekenabschlag gute Instrumente, allerdings seien diese Regelungen nicht ausreichend. »Völlig unverständlich« sei in diesem Zusammenhang die wieder gestrichene Senkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel, die noch im Entwurf aus dem März zu finden war. »Gerade diese Maßnahme wäre sowohl zeitnah umsetzbar als auch nachhaltig gewesen«, schreibt die Interessenvertretung der Innungskrankenkassen. In Deutschland habe die GKV allein im Jahr 2020 für die Arzneimittelausgaben mehr als 5 Milliarden Euro an Mehrwertsteuer an den Bundeshaushalt abgeführt.
Für den Apothekenbereich empfehlen die Innungskrankenkassen dem Gesetzgeber, das Honorargutachten des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) von 2017 heranzuziehen »und die dort aufgeführten Vorschläge für Effizienzgewinne, die mit 1,24 Milliarden Euro jährlich beziffert wurden, umzusetzen«.
Auch der BKK Dachverband wertet einen erhöhten Apothekenabschlag als passende kurzfristige Maßnahme, sieht aber nach dem Ablauf der geplanten Dauer von zwei Jahren Ausgabensteigerungen auf die Kassen zukommen, die es dann zu kompensieren gelte. Langfristig soll ihm zufolge bei Einkauf und Abgabe von Arzneimitteln gespart werden, etwa durch die Deckelung des 3-prozentigen Aufschlags auf das Fixhonorar.
Diese Deckelung gewinne angesichts von immer mehr neuen, hochpreisigen Arzneimitteln stetig an Bedeutung, so der Dachverband. Der bislang nicht gedeckelte prozentuale Vergütungsanteil von 3 Prozent setze dabei »den Anreiz zur Abgabe hochpreisiger Arzneimittel« – wobei teurere Arzneimittel keinen höheren Aufwand bei der Abgabe erzeugen. Um hier Einhalt zu gebieten, solle in § 3 Satz 1 AMPreisV nach den Wörtern »Festzuschlag von 3 Prozent« die Wörter »bis zu einem Betrag von 30,00 Euro« eingefügt werden.
Auch den Aufschlag von 8,35 Euro je abgegebener Packung hat der Verband im Visier. Wie auch die Innungskrankenkassen bezieht er sich auf das BMWi-Gutachten von 2017, nach dem dieser Betrag »deutlich zu hoch angesetzt« sei und auf 5,84 Euro gesenkt werden solle. Zudem solle die Vergütung auch bei der Rezepturherstellung von parenteralen Lösungen angepasst werden.
Der Verband der Ersatzkassen vdek hat weiteres Sparpotenzial bei den Apotheken ausgemacht. Über einen höheren Kassenabschlag hinaus wertet er die Abschaffung der Finanzierung des Botendienstes durch die Krankenkassen als gute Maßnahme; schließlich sei diese Leistung vormals durch die Apotheken kostenfrei erbracht worden.
Auffällig defensiv verhält sich der AOK-Bundesverband. Das AOK-Lager begrüßt zwar, dass die Apotheken mit einer Erhöhung des Kassenabschlags »in die Pflicht genommen« werden sollen. Weitere Vorschläge zu Einsparungen am Apothekenhonorar legt der AOK-BV allerdings nicht vor.
Der Referentenentwurf zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz war vorige Woche bekannt geworden und hatte Kritik aus etlichen Lagern hervorgerufen. Ende der Woche wurde es ohne Änderungen an Länder und Verbände geleitet. Die Verbände hatten bis zum heutigen Dienstag Gelegenheit zu einer Stellungnahme.