Kassen sollen früher zahlen |
Alexander Müller |
05.08.2024 13:00 Uhr |
Hochpreiser sind ein Problem für Apotheken. Eine Lösung wäre, wenn die Kassen früher zahlen. / Foto: Adobe Stock/Valerii Evlakhov
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) plant eine Umverteilung beim Honorar. Der variable Teil der Vergütung soll schrittweise von 3 auf 2 Prozent gesenkt, das Fixum analog erhöht werden. Erklärtes Ziel ist eine Stärkung kleinerer Apotheken zulasten umsatzstarker Betriebe.
Die Abrechnungszahlen sprechen indes nicht dafür, dass der gewünschte Effekt eintreten würde. Denn so gut wie jede Apotheke gibt hochpreisige Medikamente ab – mit teilweise fünfstelligen Kosten, die oft wochenlang vorfinanziert werden müssen. Für kleine Apotheken kann daher schon eine einzige Abgabe finanziell herausfordernd sein. Und bei spezialisierten Betrieben sind es bis zu zweistellige Millionenbeträge, die vor Erstattung durch die Krankenkassen aufgewendet werden müssen.
Eine mögliche Lösung des Problems wäre eine frühere Zahlung durch die Krankenkassen. Auf Landesebene wird zwischen Apothekerverbänden und Kassen schon über einen 10-Tage-Rhythmus diskutiert.
Der Deutsche Apothekerverband (DAV) würde dabei lieber insgesamt kürzere Fristen mit den Krankenkassen vereinbaren, statt nur für bestimmte Preisklassen. Für die Kostenträger wäre eine Umstellung aber nicht trivial: Neben dem zusätzlichen Aufwand bei der Abrechnung läge die Last der Vorfinanzierung dann bei ihnen.
Und da kommt die Politik ins Spiel. Die Hochpreiser-Problematik wurde bei der Anhörung zum ApoRG im BMG angesprochen, von den besonders betroffenen spezialversorgenden Apotheken. Prominenteste Vertreterin ist die frühere Präsidentin der Bundesapothekerkammer, Magdalene Linz.
Sie berichtet gegenüber der PZ, dass sie das BMG auch schriftlich auf die falschen Annahmen bezüglich der Umverteilung hingewiesen habe. Bei den Erträgen lägen Stadtapotheken deutlich unter dem Bundesdurchschnitt – und nicht die Landapotheken. Für als besonders versorgungsrelevant eingestufte Apotheken sollte es nach ihrer Ansicht gezielte Hilfen geben, statt mit einem Umbau der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) alle Apotheken zu belasten.
Auch der Kölner Apotheker Erik Tenberken, wie Linz im Vorstand der Deutschen Arbeitsgemeinschaft HIV- und Hepatitis-kompetenter Apotheken, warnt vor den Folgen für die Versorgung, sollte das Honorar wie geplant umgestellt werden: »3 Prozent sind nicht wirklich üppig, 2 Prozent wären nicht mehr machbar«, sagte er zur PZ. Schon heute kämen Patienten mit ihren Hochpreiser-Rezepten zu ihm, die in anderen Apotheken abgewiesen worden seien. Bei Privatversicherten und Beihilfe-Empfängern müssten die Apotheken sonst irgendwann zur Vorkasse übergehen, warnt Tenberken.
Gerade mit der Einführung des E-Rezepts wäre eine schnellere Abrechnung technisch ohne Weiteres möglich. Das würde auch die Rechenzentren der Apotheken entlasten, die mit Abschlagszahlungen bei der Vorfinanzierung gegen Gebühr einspringen.
Zwar sind die Zahlungsfristen in den Arzneilieferverträgen geregelt und damit Sache der Selbstverwaltung. Im BMG werden aber durchaus Überlegungen angestellt, wie man eine Umstellung der Zahlungsströme gesetzgeberisch begleiten könnte.
Eine Sprecherin des Ministeriums teilte auf Nachfrage der PZ mit, dass mit der geplanten Reform unter anderem »die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Apotheken verbessert werden« sollen.
Und zur Hochpreiser-Problematik schreibt das BMG: »Alle bislang eingegangenen Stellungnahmen und Hinweise der Verbände und Länder werden, wie auch Ihre Ausführungen, in die weiteren Überlegungen einbezogen. Im Anschluss bleibt das parlamentarische Verfahren abzuwarten.« Aus den Bundestagsfraktionen der Ampel-Parteien ist zu hören, dass das Hochpreiser-Problem erkannt wurde und angegangen werden soll.
Zunächst muss Lauterbach sein ApoRG aber durchs Kabinett bringen. Das ist nach neuem Zeitplan für den 21. August geplant. Allerdings heißt es aus Lauterbachs Ressort nach wie vor: »Der Meinungsbildungsprozess innerhalb der Bundesregierung zu diesen Themen ist noch nicht abgeschlossen.«
Das BMG weist darauf hin, dass die Abgabe eines hochpreisigen Arzneimittels aktuell deutlich besser vergütet werde als die Abgabe eines preisgünstigen Arzneimittels, »obwohl der Beratungsbedarf grundsätzlich nicht höher ist«. Rund 90 Prozent der abgegebenen Packungen kosteten unter 100 Euro, nur 1 Prozent mehr als 1500 Euro. Letztere machten aber einen Umsatzanteil von fast 40 Prozent der verschreibungspflichtigen GKV-Arzneimittel aus.
Der Gesetzentwurf sehe daher eine umfassende Strukturform und Anpassungen beim Apothekenhonorar »mit Schwerpunkt der Verbesserung der Vergütung von Apotheken im ländlichen Raum« vor, so das BMG. Dieser Effekt würde nach Einschätzung der Steuerberatungsgesellschaft Treuhand Hannover und anderer Experten gerade nicht erzielt. Abgesehen davon, dass das BMG mit der Reform nur umverteilt und keinerlei Stärkung der Apotheken vorsieht.