Kassen fordern staatliche Versender-Aufsicht |
Alexander Müller |
26.09.2025 11:12 Uhr |
Der GKV-Spitzenverband sähe die Haftungsrisiken bei Sanktionen gegen Versender lieber beim Bund. / © picture alliance / Fotostand
Mit dem Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) wurde das Rx-Boni-Verbot 2020 vom Arzneimittelrecht ins Sozialrecht übersiedelt. Die Durchsetzung wurde mit einer juristisch etwas wackligen Konstruktion vom damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) an die Selbstverwaltung übertragen. Die »Paritätische Stelle« soll Verstöße ahnden und Sanktionen verhängen.
Das im Rahmenvertrag verankerte Gremium ist mit je drei Vertretern des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-SV) und des Deutschen Apothekerverbands (DAV) besetzt – hat sich aber bislang als stumpfes Schwert erwiesen.
Der GKV-SV teilte auf Nachfrage der PZ mit: »Die Paritätische Stelle hat bisher noch keine Sanktionen gegen Versender verhängt. Nach unserer Auffassung wäre es sachgerechter, die Aufsicht über den Versandhandel mit Arzneimitteln bei einer staatlichen Stelle anzusiedeln, so dass auch Haftungsrisiken in staatlicher Hand verblieben.«
Mit Verweis auf die Haftungsrisiken begründet auch der DAV, dass bislang keine Strafen gegen die Versender verhängt wurden oder gar der Ausschluss aus der Versorgung angedroht wurde. Ein Gutachten im Auftrag des DAV soll eine persönliche Haftung der Mitglieder der Paritätischen Stelle zumindest nicht ausgeschlossen haben. Und Doc Morris hat gegen die Apothekerkammer Nordrhein tatsächlich schon eine millionenschwere Schadenersatzklage aufgrund angeblich entgangener Gewinne losgetreten.
Der GKV-SV verweist in diesem Zusammenhang auf die sogenannte Länderliste, für die das Bundesgesundheitsministerium (BMG) ebenfalls selbst zuständig sei. »Das BMG veröffentlicht danach gemäß §73 Absatz 1 Satz 3 Arzneimittelgesetz in regelmäßigen Abständen eine aktualisierte Übersicht über die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und die anderen Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraumes, in denen für den Versandhandel und dem elektronischen Handel mit Arzneimitteln dem deutschen Recht vergleichbare Sicherheitsstandards bestehen.«
ABDA-Präsident Thomas Preis hatten beim Deutschen Apothekertag (DAT) im Gespräch mit Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) ebenfalls gefordert, dass der Staat seine eigenen Regeln durchsetzt.
Die Ministerin stärkte der Paritätischen Stelle den Rücken: »Ich will jetzt nicht nur den Ball zurückspielen, aber es besteht heute die Möglichkeit, dass die GKV und die Apothekerschaft gegen diese Rechtsbrüche vorgehen.«
Gleichzeitig bekräftigte Warken im Gespräch mit der PZ, dass das Thema Versandhandel mit der aktuellen Apothekenreform angegangen werden soll: »Es braucht einen Mix: Man muss die bestehenden Gesetze besser durchsetzen und prüfen, ob man nachjustieren muss, wo es Lücken gibt. Und wir müssen die Rahmenbedingungen für die Versandapotheken noch enger gestalten, um den Spielraum einzuschränken.«
ABDA-Präsident Thomas Preis kündigte an, man werde der Politik einen Vorschlag machen, damit die Sanktionierung von Verstößen wieder eindeutig staatliche Aufgabe werde. Mit dieser Idee hätte er offenbar zumindest die Krankenkassen an seiner Seite.
Denn der GKV-SV befürchtet offenbar, mit Klagen gegen verhängte Sanktionen in Luxemburg zu landen. Es dürfte als sicher gelten, dass die Versender alles daran setzen würden, ein solches Verfahren vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu bringen. Denn aus ihrer Sicht verstößt auch das Boni-Verbot im Sozialrecht gegen europäisches Recht.
Beim GKV-SV sieht man diese Frage als offen: »Die Antwort auf die Frage, ob Versandapotheken mit dem Angebot von Boni für verschreibungspflichtige Arzneimittel rechtswidrig handeln, hängt davon ab, ob die Regelung in § 129 Absatz 3 Satz 3 SGB V mit höherrangigem Recht – hier insbesondere Unionsrecht – in Einklang steht«, so ein Sprecher der Verbands Ende Juli im Zusammenhang mit einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH).