Kassen fordern Honorardeckel und degressives Fixum |
Alexander Müller |
21.05.2024 16:26 Uhr |
Die Krankenkassen fordern eine Reform des Apothekenhonorars. / Foto: IMAGO/Zoonar
Das Papier des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-SV) trägt den Titel »Für eine moderne und wohnortnahe Arzneimittelversorgung – Ansätze zur Stärkung der niedergelassenen Apotheken«. Kommentiert werden unter anderem die Eckpunkte, die das Bundesgesundheitsministerium (BMG) bereits im Dezember vorgelegt hatte. Der Zeitpunkt ist insofern erstaunlich, als zeitnah der Referentenentwurf zum Apotheken-Reformgesetz erwartet wird.
Die bisherigen Pläne von Minister Lauterbach sehen bekanntlich vor, dass der variable Teil des Honorars abgesenkt, das Fixum entsprechend angehoben wird. Grundsätzlich sieht auch der Kassenverband »das Erfordernis einer Weiterentwicklung der Vergütung«. Dieses Ziel werde mit den angekündigten Maßnahmen aber nicht konsequent erreicht, heißt es in dem Papier. »Von einem erhöhten Fixum würden insbesondere jene Apotheken profitieren, die heute schon viele Fertigarzneimittel-Packungen abgeben. Eine Stärkung von flächenversorgenden Apotheken insbesondere im ländlichen Raum ist hiervon nicht zu erwarten«, moniert der GKV-SV.
Die vom BMG geplante Absenkung des variablen Honoraranteils sei zu begrüßen, so der GKV-SV. Denn bei sehr hochpreisigen Arzneimitteln stehe die Vergütung nicht in Relation zum tatsächlichen Aufwand. Die Kassen wünschen sich einen Honorardeckel analog zur Großhandelsvergütung.
Insgesamt sollte die Vergütung aus Sicht der Kassen künftig nicht mehr am Absatz, sondern stärker an »Bedarfskriterien« orientiert sein. Die Logik: Leistet eine Apotheke mehr Notdienste, ist sie offenbar für die Versorgung relevanter. Gegenfinanziert werden soll das über ein degressiv gestaltetes Fixum. Dieses soll künftig einen Grundbestandteil haben und eine zusätzliche Vergütungskomponente für Apotheken mit wenig Packungen – einen »Versorgungsbonus«.
Ab 2027 soll das Apothekenhonorar nach Lauterbachs Plänen gar nicht mehr vom Gesetzgeber festgelegt, sondern zwischen Deutschem Apothekerverband (DAV) und GKV-SV verhandelt werden. Die Kassenseite wünscht sich hierzu konkrete Vorgaben: »Eine Beschränkung der Verhandlung auf die Höhe des Fixums und eine Kopplung dieses Vergütungselements an Indizes wie den Verbraucherpreisindex und die Grundlohnsumme stünde im Widerspruch zu einer leistungs- und sachgerechten Vergütung«, heißt es in dem Papier.
Zudem fordern die Kassen eine »repräsentative Datengrundlage«, die im Apothekensegment bislang nicht vorhanden sei. »Die Vergütungssituation im Apothekensektor ist eine Black Box«, meint der Kassenverband. Seit dem 2hm-Gutachten im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums habe es kein umfassendes Datenbild zur Lage der Apotheken mehr gegeben.
Besonders kritisch werden in der Apothekerschaft Lauterbachs Pläne gesehen, Apotheken ohne Apotheker zuzulassen. Unter bestimmten Voraussetzungen sollen PTA die Approbierten demnach vertreten können. Aus Sicht des GKV-SV ist das angesichts des Fachkräftemangels eine gute Idee. »Dies gilt besonders mit Blick auf die geplanten Möglichkeiten der Führung von Filialapotheken.« Das könne die Attraktivität des Berufsbildes der PTA steigern.
Eine Reform wünschen sich die Kassen auch bei den pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL). Angebot und Nachfrage seien noch gering, so dass nur ein Bruchteil der bereitstehenden Mittel abgerufen werde. Wichtig sei ein gesicherter Mehrwert für Patientinnen und Patienten, auch mit Blick auf die derzeit diskutierten Präventionsmaßnahmen.
»Zudem sollten die Höhe der für die pharmazeutischen Dienstleistungen vorgesehenen Vergütung, die Mittelaufbringung über einen Zuschlag in der Arzneimittelpreisverordnung pro abgegebener Fertigarzneimittelpackung und die Verteilung des Vergütungsvolumens über den Nacht- und Notdienstfonds überprüft werden«, so der GKV-SV, der sich zudem eine Direktabrechnung von Apotheken mit Krankenkassen wünscht.
Ferner schlägt der GKV-SV vor, die »Potenziale telepharmazeutischer Beratung« in die Versorgung zu integrieren. Auch »alternative Abgabeformen« können sich die Kassen vorstellen, etwa »die automatisiert unterstützte Abgabe von Arzneimitteln und Beratung«.
Zur Bekämpfung von Lieferengpässen setzt der GKV-SV auf ein »umfassendes Frühwarnsystem«. Ärztinnen und Ärzte sollten bereits zum Zeitpunkt der Verordnung im Rahmen ihrer Praxisverwaltungssysteme über Engpässe und Verordnungsalternativen informieren können. »Dies würde erneute Rücksprachen von Ärztinnen und Ärzten mit Apotheken vermeiden, Unsicherheiten in der Arzneimitteltherapie für Patientinnen und Patienten reduzieren und in vielen Fällen den Apotheken Austauschvorgänge ersparen.« In Österreich sei dies bereits heute möglich.