Kann THC den kognitiven Verfall im Alter bremsen? |
Theo Dingermann |
28.08.2024 15:30 Uhr |
Mäuse blieben im Tierversuch geistig fitter, wenn sie regelmäßig niedrige Dosen Δ9-THC bekamen. / Foto: Getty Images/fergregory
Eine langfristige Verabreichung von Δ9-Tetrahydrocannabionol (Δ9-THC), bekannt als Wirksubstanz aus Cannabis, könnte nicht nur Alterungsprozesse im Gehirn rückgängig machen, sondern generell Anti-Aging-Effekte entfalten. Zu dem Schluss kommen Forschende des Universitätsklinikums Bonn (UKB) zusammen mit Wissenschaftlern der Hebrew University in Israel, die ihre Ergebnisse kürzlich in der Fachzeitschrift »ACS Pharmacology & Translation Science« publizierten.
Privatdozent Dr. Andras Bilkei-Gorzo vom Institut für Molekulare Psychiatrie an der Universität Bonn und Kollegen hatten Mäusen über 24 Tage mit niedrig dosiertem Δ9-THC behandelt. Bei der Analyse der Daten identifizierten sie einen zweiphasigen Effekt auf die mTOR (Mechanistic Target of Rapamycin)-Signalübertragung.
Es ist bekannt, dass mTOR als ein sensibles intrazelluläres Energie-Sensorsystem eine zentrale Schaltstelle für das Zellwachstum und den Zellstoffwechsel darstellt und dadurch auch einen großen Einfluss auf den Alterungsprozess entfaltet. So resultieren eine kalorienarme Ernährung oder intensive körperliche Aktivität in einer Verringerung der mTOR-Aktivität, was wiederum mit einer allgemeinen Anti-Aging-Wirkung in Verbindung gebracht wird. Zudem führt eine verminderte mTOR-Aktivität im Alter zur Beeinträchtigung der synaptischen Plastizität des Gehirns.
Die Forschenden konnten nun zeigen, dass die Behandlung mit Δ9-THC zunächst zu einem vorübergehenden Anstieg der mTOR-Aktivität und der damit verbundenen synaptischen Proteinsynthese im Gehirn verbunden war. Mit der Zeit folgte dann auf diese erhöhte Aktivität eine Herunterregulierung der mTOR-Signalübertragung.
Zudem beobachteten die Forschenden einen Anstieg von Aminosäuren und Metaboliten, die an der Energieproduktion beteiligt sind. Auch dieser Stoffwechselschub nahm mit der Zeit ab, ähnlich wie bei Tieren, die eine kalorienreduzierte Diät einhalten.
Vor allem bei älteren Mäusen wurden durch die Δ9-THC-Behandlung kognitive Verbesserungen und eine Zunahme der Synapsendichte festgestellt. Es wurden erhöhte synaptische Proteinspiegel im Kortex beobachtet, was auf eine verbesserte synaptische Stabilität hindeutet. Bei jüngeren Mäusen zeigten sich nur minimale oder sogar negative Effekte als Folge einer Δ9-THC-Behandlung.
Im Gehirn stieg die mTOR-Aktivität zunächst an, während sie im Fettgewebe während des gesamten Behandlungszeitraums abnahm. Die Veränderungen der Metabolitenspiegel variierten je nach Gewebe und Zeitpunkt und erreichten am Tag 14 im Hippocampus, am Tag 28 im Blutplasma und am Tag 42 im Fettgewebe ihren Höhepunkt.
Die beobachteten Stoffwechselveränderungen glichen denen, die bei körperlicher Aktivität, Kalorienrestriktion oder ketogener Ernährung beobachtet werden. Somit deuten die Ergebnisse der Arbeit darauf hin, dass eine langfristige niedrig dosierte Δ9-THC-Behandlung bei Mäusen die Alterung des Gehirns wirksam bekämpfen könnte, indem sie einen doppelten Mechanismus nutzt, der sowohl die synaptische Bildung durch vorübergehende mTOR-Aktivierung fördert als auch den metabolischen Aufwand ähnlich wie bei einer Kalorienrestriktion reduziert.
Weitere Forschung ist notwendig, um die langfristigen Auswirkungen zu verstehen und um zu untersuchen, ob ähnliche Vorteile auch auf den Menschen anwendbar sind. Darüber hinaus ist die Bestimmung der genauen Dosierung zum Ausgleich zwischen kognitiven Vorteilen und möglichen Nebenwirkungen nach wie vor von entscheidender Bedeutung.