Kann KI Kunst? |
Jennifer Evans |
07.02.2024 16:00 Uhr |
Sind Roboter wirklich kreativ oder nur eine Art moderner Pinsel, den Kunstschaffende für ihre Zwecke einsetzen? / © Shutterstock/Stock-Asso
Künstliche Intelligenz (KI) kann Kunstwerke erschaffen, die wir von Produkten menschlicher Schöpferkraft nicht unterscheiden können. Extreme Aufmerksamkeit bekam das Thema 2018, als das französische Künstlerkollektiv Obvious mithilfe eines Algorithmus das Gemälde »Portrait of Edmond De Belamy« erstellen ließ und dafür im Aktionshaus Christies 432.500 US-Dollar (knapp 400.000 Euro) kassierte. Die intelligente Maschine hatte von dem Erlös natürlich nichts. Das Geld ging an den Schöpfer. Und genau da stellt sich schon die Frage, wer ist das eigentlich – die Programmierer des Algorithmus oder das Künstlerkollektiv?
Damit der Algorithmus überhaupt loslegen konnte, hatte das Obvious-Team ihn zuvor mit Daten gefüttert, sprich: Bilder von Gemälden, die von Menschenhand erschaffen waren. Auf dieser Basis lernte die KI, selbst Kunstwerke zu kreieren. Der Rest war nur noch Marketing.
Das Ereignis veranlasste unter anderem Forscher des Massachusetts Institute of Technology und des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung sich zu fragen, ob KI ein Recht auf Kunstschöpfungen hat oder lediglich ein künstlerisches Werkzeug ist? Und ob es einen Zusammenhang gibt zwischen der Vermenschlichung von KI und der Meinung, wem am Ende der Applaus für ein KI-Kunstwerk zugesprochen wird. In der darauffolgenden Studie mit 600 Teilnehmenden zeigte sich: Wer die KI vermenschlichte, war auch der Ansicht, dass ihr die Anerkennung für ein Werk zustehe. Ähnliches zeigte sich bei der Frage nach dem Urheberrecht. Auch dabei sahen jene Befragte, die KIs vermenschlichten, die Maschinen bei Verstößen stärker in der Verantwortung als die eigentlichen Personen dahinter, die zuvor den Algorithmus programmiert oder gefüttert hatten.
Eine weitere Erkenntnis der Studie ist nach Angaben des Max-Planck-Instituts, dass sich mithilfe von Sprache »aktiv manipulieren« lässt, ob KI in unserer Gesellschaft vermenschlicht wird oder nicht. Der Unterschied liegt demnach darin, wie der Entstehungsprozess von KI-Kunst erklärt wird. Entweder, dass die KI mit etwas Unterstützung von außen Kunstwerke selbst konzipieren und gestalten kann oder ob ein Künstler das Konzept zunächst erfunden hat und die KI dann lediglich dessen Befehle ausführt. Sprache beeinflusse unsere Sicht auf KI, eine zu starke Vermenschlichung bringe Probleme bei der Zuweisung der Verantwortung mit sich, heißt es.
Die Meinungen zu KI-Kunst sind nach wie vor sehr gespalten – die einen sehen darin Plagiate bereits vorhandener Meisterstücke, für andere entsteht durch das maschinelle Lernen von Mustern eine neue Kunst. Einige Künstlerinnen und Künstler sehen in KI sogar eine Unterstützung, ihre Ideen schneller zu verwirklichen. Fest steht allerdings, dass derzeit etliche Probleme noch ungelöst sind. Zum Beispiel suchen sich viele Algorithmen von KI-Kunst-Programmen willkürlich Quellen aus dem Netz, die inhaltlich und ethisch nicht gefiltert sind. Die dann generierten Werke können zuweilen zu besorgniserregenden Ergebnissen führen.
Auf Plattformen wie open.ai kann jeder mit ein paar Stichworten wie »ein Motorrad im Stil von Picasso« Bilder erstellen lassen, die das System nach nur wenigen Sekunden fix und fertig ausspuckt. Einige Kunstschaffende fühlen sich durch die Werke auf Knopfdruck ihres Stils beraubt. Rechtlich gesehen besitzen sie jedoch nicht ihren Stil, sondern nur ihr Werk. In Zukunft wird sich vermutlich die Frage stellen, ob sie vorab zu informieren sind, wenn die KI-Systeme anhand ihrer Werke lernen? Und ob sie später einen Anteil von den Einnahmen der Technologien-Unternehmen bekommen?
Gelassener sehen dagegen aktuell Kuratoren und Wissenschaftler die Entwicklung im Kunstmarkt. Sie erinnern daran, dass auch Fotografie einst nicht als Kunst galt und heute doch ein wesentlicher Bestandteil davon ist. Oder aber, dass früher auch die großen Meister zunächst durch das Kopieren lernten. Geht es aber darum, Preise für KI-Kunst festzusetzen, wird es auch bei den Galeristen schwierig.
Unklar sind in diesem Zusammenhang außerdem viele philosophische Aspekte. Welche Auswirkungen hat KI-Kunst beispielsweise auf unsere Kreativität? Die Idee kann ja nun völlig losgelöst von eigentlichen Schaffensprozess existieren. Bei der Suche nach Antworten beruft sich der ein oder andere auf Definitionen des Philosophen Immanuel Kant. Er ging davon aus, dass Kunst Freiheit erfordert, sich immer selbst die Gesetze gibt und in der Lage ist, Genialität ohne Input hervorzubringen. Mit anderen Worten: Der KI gelingt es nicht, das genuin Menschliche zu ersetzen, also ist sie keine Kunst. Maschinen können zwar nachahmen, besitzen aber keine intrinsische Motivation oder Geistesblitze. Demzufolge sind Maschinen auch nicht in der Lage, neue Kunstrichtungen wie Expressionismus oder Kubismus zu entwickeln, weil sie für ihren Output zunächst einen Input benötigen.
Auch im deutschen Urheberrecht taucht der Begriff Schöpfungshöhe auf. KI kann demnach kein Urheber sein, Programmierer und Künstler dagegen schon. Mit den Detailfragen sind die Gerichte schon seit einiger Zeit beschäftigt. Eindeutig geklärt muss jedenfalls am Ende sein, bei wem die Urheberschaft liegt – vor allem, wenn daraus rechtliche Konsequenzen folgen.
Was mit Kants Argumenten so simpel erscheint, ist in der Realität oftmals anders. Ai-Da heißt die erste ultra-realistische humanoide Roboter-Künstlerin. Sie malt mit einem Pinsel Porträts sitzender Menschen. Außerdem kann sie detailliert Auskunft zu ihrem künstlerischen Prozess geben. Ihre erste Einzelausstellung hatte sie an der Oxford University im Jahr 2019. Sind ihre Werke Kunst? fragte man sich auch bei Ai-Da.
Einige Wissenschaftler machten darauf aufmerksam, dass die Kriterien dafür, etwas als Kunst zu bezeichnen, sowohl von kulturellen Konzepten als auch vom persönlichen Empfinden abhängen. Es liegt also immer noch an uns Menschen, darüber zu entschieden, ob eine KI Kunst geschaffen hat oder eben nicht.
Darüber hinaus spielt der Kontext der Rezeption eine Rolle. Auch er beeinflusst, ob ein Computer als kreativ wahrgenommen wird oder nicht. In der Wissenschaft spricht man häufig vom sogenannten Lovelace-Effekt. Dabei geht es in erste Linie um den Perspektivwechsel, sich nicht auf die Fähigkeiten der Maschinen zu konzentrieren, sondern auf die Reaktionen und Wahrnehmungen dieser durch den Menschen. Benannt ist der Lovelace-Effekt nach Ada Lovelace, einer britischen Mathematikerin aus dem 19. Jahrhundert und Tochter des Dichters Lord Byron. Sie gilt als die erste Programmiererin.
Einige Künstlerinnen und Künstler sehen in der KI-Entwicklung auch Chancen. In ihren Augen hat die Kunst nun eine neue Ausdrucksform hinzugewonnen. Zudem ist sie – wie unter anderem nach Erfindung der Fotografie – erneut gezwungen, für sich selbst einen neuen Sinn zu entdecken. Und zwar dieses Mal mit alten und neuen Werkzeugen.