Kammer kritisiert angespannte Lage der Apotheken |
| Melanie Höhn |
| 10.03.2023 11:30 Uhr |
Der Präsident der Apothekerkammer Sachsen-Anhalt, Jens-Andreas Münch (links), und der Vorsitzende des Landesapothekerverbandes Sachsen-Anhalt, Mathias Arnold, vor dem Magdeburger Landtag. / Foto: Apothekerkammer Sachsen-Anhalt
Die aktuelle Gesetzgebung des Bundes lasse das »Stimmungsbarometer bei der Apothekerschaft entweder in Richtung depressive Resignation oder Explosivität ausschlagen. Der Grund: Derzeit fühlen sich die Apothekerinnen und Apotheker von der Politik gerade in höchstem Maße missachtet und degradiert.« Mit diesen Worten beendete Jens-Andreas Münch, Präsident der Apothekerkammer Sachsen-Anhalt, seine Ausführungen zur Situation der Apotheken in Sachsen-Anhalt vor dem Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt. Gleich der erste Tagesordnungspunkt am 8. März 2023 ging auf die Situation der Apotheken in Sachsen-Anhalt ein. Nach einem Gespräch zwischen dem Landesapothekerverband Sachsen-Anhalt und dem FDP-Abgeordneten Konstantin Pott hatte die FDP-Fraktion mit einem Selbstbefassungsantrag das Thema eingebracht.
Münch erläuterte, wie angespannt die wirtschaftliche und personelle Lage der Apotheken im Land ist. Allein das Managen der Lieferengpässe und die damit verbundene Bürokratie binde Arbeitszeit, für die es weder genügend Personal noch eine ausreichende Honorierung gebe. Obwohl der Apothekerberuf ein akademischer Heilberuf mit hohem Berufsethos sei, werde das aufopferungsvolle Kümmern um jeden einzelnen Patienten von der Politik nicht wahrgenommen und gewürdigt. Stattdessen werden sinnvolle und bewährte Regelungen zur vereinfachten Versorgung der Patientinnen und Patienten gestrichen und bürokratische Hemmnisse wieder eingeführt. »Ab 7. April verschlechtert sich für die Patienten die Versorgungslage, da an diesem Tage viele Corona bedingte Sonderregeln endgültig außer Kraft treten. Dann muss zur Lösung vieler Lieferengpässe eine Arztrücksprache erfolgen oder ein Rezept geändert beziehungsweise neu ausgestellt werden. Eine unzumutbare Belastung für die Arztpraxen und für uns Apotheken. Unsere apothekerliche Fachkompetenz wird vollkommen ignoriert und uns die Handlungsfreiheit in der Versorgung genommen«, monierte der Präsident.
»Wir sehen zahllose Liefer- und Versorgungsengpässe. Allein 445 Fertigarzneimittel fehlten laut BfArM-Liste am Vorabend, angefangen von Antibiotika über Antidiabetika bis hin zu Zytostatika«, informierte Mathias Arnold, Vorsitzender des Landesapothekerverbandes Sachsen-Anhalt (LAV) die Ausschussmitglieder. »Hinzu kommen nicht verfügbare Impfstoffe und nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, wie Hustenmittel und Fiebersäfte für Kinder. Letztere sind gar nicht erst in der Liste aufgeführt. Es fehlt also an allen Ecken und Enden. Und es sind zum Teil lebensnotwendige Mittel wie Insuline oder Antibiotika, die nicht verfügbar sind.«
Arnold verwies auf die betriebswirtschaftlich angespannte Situation der Apotheken. »Die ständig steigenden Kosten stehen im krassen Widerspruch zu einer seit zehn Jahren nicht angepassten Honorierung der Apotheken. Wir müssen und werden das Thema in die Öffentlichkeit und die Medien tragen und die Proteste auch eskalieren.«
Münch und Arnold stellten in dem zweistündigen Fachgespräch die gesamte Brandbreite an Themen vor, die die Apothekerschaft derzeit belasten. Ob die schon genannten Lieferengpässe, die ausufernde Bürokratie, insbesondere die Präqualifizierung und die Null-Retaxationen, der Fachkräftemangel, die schlechte Honorierung oder laufende Nachwuchskampagnen: Alle Themen stießen auf offene Ohren, was sich in den zahlreichen Nachfragen der Politikerinnen und Politiker äußerte. Manche Themen wurden der ebenfalls anwesenden Gesundheitsministerin zur Weiterleitung an die Gesundheitsministerkonferenz der Länder mitgegeben, um dort entsprechende Lösungen zu finden. Immerhin konnte aus der Landespolitik heraus mehrfach auf die Bundespolitik eingewirkt werden. Münch verdeutlichte: »Wenn die Gesellschaft nicht Gefahr laufen will, später vor unumkehrbaren Tatsachen zu stehen oder Fehlentwicklungen für sehr teures Geld ausgleichen zu müssen, muss sie jetzt gegensteuern.«
Die Mitglieder des Gesundheitsausschusses nahmen die dargestellten Probleme und Sichtweisen der Apothekerschaft sehr ernst und bedankten sich für die ausführliche Darstellung. Die beiden Standesvertreter verabschiedeten sich mit der ausdrücklichen Einladung an die Abgeordneten, sich in einer Apotheke vor Ort über das umfangreiche Leistungsspektrum einer Apotheke zu informieren. Bei einem Blick hinter die Kulissen ließe sich viel besser verstehen, was die Mitarbeitenden tagtäglich für ihre Patienten leisten und mit welchen Hürden sie zu kämpfen haben.