Kammer hält neuen Gesundheitsmarkt für rechtlich bedenklich |
Ist es rechtens, wenn PTA in den Räumen einer ehemaligen Apotheke Arzneimittel abgeben? Die Landesapothekerkammer Thüringen bezweifelt dies. Bei den Patienten entstehe der Eindruck, es handele sich um eine Apotheke. / Foto: Getty Images/Luis Alvarez
Seit Wochen läuft die Apothekerschaft Sturm gegen die Pläne von Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) zur Apothekenreform. Laut einem Eckpunktepapier will Lauterbach den Ausbau von Fililalen mit geringeren Auflagen fördern. So sollen PTA diese Filialen führen dürfen, wenn sie sich bei Bedarf per Video Unterstützung holen können. Sollte dieses Modell in Thüringen bereits umgesetzt sein? Und das, bevor der mit Spannung erwartete Gesetzentwurf vorliegt?
Ein Report des MDR mit dem Titel »Treffurter Apotheke wird zum Gesundheitsmarkt« legt das zumindest nahe. So berichtete der Sender in dieser Woche, dass die bisherige Inhaberin der »Pilgrim-Apotheke« in der Kleinstadt im Thüringer Wartburgkreis im Februar in Rente gegangen sei, ohne einen Nachfolger zu finden. Um die Treffurter weiterhin mit Arzneimitteln versorgen zu können, sei die Offizin kurzerhand in einen »Gesundheitsmarkt« umgewandelt worden.
Dieser funktioniert laut MDR-Bericht folgendermaßen: Drei PTA nehmen die Rezepte – auch E-Rezepte – entgegen. Und Apotheker Christoph Zähle aus Mühlhausen, der nun zusätzlich den »Gesundheitsmarkt« betreibe, liefere die Medikamente aus. Michael Reinz, parteiloser Bürgermeister des 6000-Einwohner-Ortes, erklärt in dem Bericht, er sei stolz, mit dem neuen Konzept ein Nachfolgemodell gefunden zu haben. Apotheker Zähle weist darauf hin, dass es bereits zwei weitere Gesundheitsmärkte mit ähnlichem Konzept in Thüringen gebe. Angesichts der elektronischen Verordnungen mache der Betrieb einer Rezeptsammelstelle aus seiner Sicht keinen Sinn mehr. Noch gebe es aber die Perspektive, wieder eine Apotheke in Treffurt zu etablieren.
Zu Wort kommt in dem Beitrag auch Katja Böhler, Staatssekretärin für Forschung, Innovation und Wirtschaftsförderung in Thüringen. Sie verweist auf »sehr große Herausforderungen« für die Offizinen zum Beispiel durch Fachkräftemangel und Lieferengpässe. Ein ganz wichtiger Punkt sei auch die Vergütungsstruktur der Apothekerinnen und Apotheker. »Hier muss der Bund nachsteuern«, fordert die SPD-Politikerin im MDR-Bericht.
Bei den Verantwortlichen der Landesapothekerkammer Thüringen (LAKT) sorgt das Modell hingegen für Bauchschmerzen. Geschäftsführer Danny Neidel hält den sogenannten Gesundheitsmarkt für rechtlich bedenklich. Zuständige Behörde sei das Landesamt für Verbraucherschutz. Die Kammer habe erst aus Medienberichten von der Eröffnung erfahren, eine Betriebserlaubnis habe sie dafür nicht erteilt. Schon deshalb könne es sich nicht um eine Apotheke handeln, erläuterte Neidel auf Anfrage der PZ.
Insofern halte es die LAKT für problematisch, dass ehemalige Apothekenräume für ein Einzelhandelsgeschäft genutzt werden könnten. Das erwecke bei den Patientinnen und Patienten den Eindruck, dass es sich um eine Apotheke handele, die offenkundig ohne approbierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betrieben werde.
Irreführend sei zudem, wenn die Bezeichnung »Gesundheitsmarkt« mit der Abgabe von Medikamenten in Verbindung gebracht werde. »Den Treffurter Einwohnerinnen und Einwohnern wird auf diese Weise suggeriert, dass ein Gesundheitsmarkt eine öffentliche Apotheke ersetzen könne und es sich um eine wohnortnahe und umfassende Arzneimittelversorgung handelt«, kritisierte Neidel. Diesen Eindruck verstärke auch das im MDR-Bericht zu sehende Apotheken-A in den Räumen des Marktes. Anhand der Informationen aus den Medien komme die Landesapothekerkammer »zu dem Schluss, dass die so dargestellte Vertriebsform nicht ohne Verstöße gegen das Arzneimittel- und Apothekenrecht umsetzbar zu sein scheint«, sagte Neidel gegenüber der PZ.
Nachfragen hätten ergeben, dass es sich beim Treffurter Gesundheitsmarkt um ein Einzelhandelsgeschäft mit freiverkäuflichen Arzneimitteln handele. Die ferner beworbene Versorgung mit verschreibungspflichtigen und apothekenpflichtigen Arzneimitteln erfolge scheinbar über eine Versandhandelserlaubnis. Das müsse aus Sicht der Kammer aber auch für die Patientinnen und Patienten erkennbar sein, schließlich gälten für diese Vertriebsform spezielle Regelungen, auch im Hinblick auf BGB-Infopflichten und das Widerrufsrecht.
Die Kammer habe den Betreiber des Gesundheitsmarkts und die für die Überwachung des Arzneimittelverkehrs und des Apothekenwesens zuständige Behörde auf die rechtlichen Bedenken hingewiesen, so Neidel. Daraufhin habe die Kammer die Rückmeldung erhalten, dass dies fehlerhaft dargestellt sei. Es sollten in dem Gesundheitsmarkt lediglich freiverkäufliche Arzneimittel erhältlich sein. Apothekenpflichtige und verschreibungspflichtige Arzneimittel sollten dort nicht direkt zu erwerben sein. Der Kammer zufolge sei dies aber auf der Internetseite der Stadtverwaltung («Treffurt aktuell«) sowie in der Druckausgabe der »Thüringer Allgemeinen« vom 3. April 2024 anders dargestellt.
Der Kammer sei die Rechtsgrundlage für das Konzept nach wie vor unklar. Die zuständige Behörde – das Thüringer Landesamt für Verbraucherschutz – müsse daher laufend überprüfen, ob in dem »Gesundheitsmarkt« tatsächlich keine verschreibungspflichtigen oder apothekenpflichtigen Arzneimittel abgegeben würden, forderte Neidel. Des Weiteren dürfe das Konzept nicht als Apotheke dargestellt werden. In diesem Zusammenhang prüfe die Kammer, ob sie weitere rechtliche Schritte auf der Grundlage der Berufsordnung einleiten müsse. Irreführend und unzulässig sei zudem die Verwendung des markenrechtlich geschützten »Apotheken-A´s«, welches in einem Fernsehbericht noch sichtbar gewesen sei. »In diesem Zusammenhang werden rechtliche Schritte geprüft«, kündigte Neidel an.
Apotheken ohne Approbierte erteilt die Kammer eine Absage. Die Patientinnen und Patienten hätten ein Recht auf eine gleichwertige Versorgung in allen Teilen von Thüringen. »Sie wollen keine Apotheken ohne Apothekerinnen und Apotheker, sie wollen keine Scheinapotheken ohne Notdienste und ohne Rezepturen. Sie brauchen vielmehr die wohnortnahe und verbindliche Arzneimittelberatung, sie brauchen die niedrigschwellige Expertise der Apothekerinnen und Apotheker und sie brauchen ein flächendeckendes, stabiles und leistungsstarkes Netz an Apotheken vor Ort, am Tag wie in der Nacht«, betonte Neidel.