Juristische Fallstricke der EPA |
Lukas Brockfeld |
29.11.2024 13:30 Uhr |
Die EPA soll einen Überblick über die Medikation der Patienten bieten und auch andere medizinische Befunde beinhalten. / © IMAGO/Westend61
Mit der elektronischen Patientenakte (EPA) steht nach dem E-Rezept ein weiteres großes Digitalisierungsprojekt in den Startlöchern. Ab dem 15. Januar soll die neue Akte für alle Patientinnen und Patienten, die dem nicht aktiv widersprochen haben, angelegt werden. Zunächst wird der Rollout in den Modellregionen Franken, Hamburg und Nordrhein-Westfalen erfolgen.
Wenn alles funktioniert, soll nach der etwa vierwöchigen Pilotphase die bundesweite Einführung und damit die verpflichtende Nutzung der EPA für alle medizinischen Einrichtungen folgen. Zuletzt gab es Zweifel, ob dieser Zeitplan eingehalten werden kann. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) klagte beispielsweise, dass die Kliniken nur unzureichend vorbereitet seien.
Auch die Apotheken sollen auf die digitale Patientenakte zugreifen können. Die Gematik lud daher am Mittwochabend zu einer online Infoveranstaltung ein, in der die Grundlagen der EPA noch einmal erläutert wurden.
Anke Rüdinger, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes (DAV), äußerte sich zunächst zu dem Zeitplan. »Der Bundesweite Rollout soll voraussichtlich am 15. Februar 2025 starten. Allerdings nur dann, wenn die Apothekensysteme EPA-ready sind. Ob das tatsächlich bundesweit am 15. Februar der Fall sein wird, werden wir sehen. Das hängt von den Erfahrungen der ersten vier Wochen ab und natürlich auch davon, inwieweit die technische Umsetzung in der Arzt- und Apothekensoftware dann tatsächlich vorhanden ist«, erklärte Rüdinger.
Im Anschluss erläuterte die stellvertretende DAV-Vorsitzende noch einmal die Grundlagen der neuen Patientenakte. Dabei betonte sie auch, dass die Apotheken, anders als die Arztpraxen, nicht per Gesetz dazu verpflichtet seien, Daten in die EPA zu übertragen. »Für die sinnvolle Nutzung der EPA ist es aber sicherlich wünschenswert, dass wir ab dem Zeitpunkt, ab dem es möglich ist, Daten aus dem Behandlungskontext in die EPA übertragen«, so Rüdinger.
In jeder Akte werde eine elektronische Medikationsliste hinterlegt, die das zentrale Instrument für die Arbeit der Apotheken sei. Die Liste führe chronologisch alle Arzneimittel eines Versicherten auf, die auf Rezept verordnet und anschließend abgegeben wurden. »Das wird vom Fachdienst bereitgestellt, wir müssen da nicht irgendwie tätig werden, das passiert automatisch, allerdings mit einem Zeitverzug von einigen Minuten«, erläuterte Rüdinger. Die Medikationsliste werde den behandelnden Ärztinnen und Ärzten sowie den Apothekerinnen und Apothekern, eine ausführliche Übersicht über die Medikation ihrer Patientinnen und Patienten bieten.
Die EPA werde zunächst nur mit den Daten des E-Rezeptes befüllt. Medikamente wie zum Beispiel Betäubungsmittel, die auf Papierrezepten verordnet wurden, seien erstmal nicht enthalten. Das gelte auch für OTC-Arzneimittel.
Doch welche juristischen Fallstricke müssen die Apotheken beim Umgang mit der EPA beachten? Darüber sprach Marcel de la Chevallerie, Syndikusrechtsanwalt aus dem ABDA-Geschäftsbereich Ökonomie, in einem weiteren Vortrag. »Ich möchte Ihnen ein bisschen die Angst nehmen, mit einem Bein im Knast stehen wir sicherlich nicht«, stellte der Jurist gleich zu Beginn klar.
Der Anwalt erklärte zunächst die Paragraphen des Sozialgesetzbuches, die die neue EPA betreffen. »Die Patientenakte ist genau auf den Versicherten zugeschnitten. Der Versicherte hat die Datenhoheit, es ist der Versicherte, der die EPA führt«, so de la Chevallerie. Der Umstand, dass die Patienten Herr ihrer Daten seien, nähme die Apotheken aus der direkten juristischen Schusslinie.
Dennoch gäbe es verpflichtende und optionale Regelungen im Gesetz, mit denen sich die Apothekerschaft auseinandersetzen müsse. Apotheker müssten beispielsweise bereits heute die Versicherten bei der Verarbeitung ihrer Daten in der EPA nach der Abgabe eines Arzneimittels unterstützen, wenn die Versicherten danach verlangen. Diese Aufgabe ließe sich auch auf pharmazeutisches Personal übertragen. Diese Regelung sei noch auf die alte Opt-in-Modell zugeschnitten. Ab dem 15. Januar gelte die Einschränkung »auf Verlangen« nicht mehr.
Aus dem neuen Gesetz entstünden zusammengefasst zwei Verpflichtungen für die Apotheken. »Einmal haben wir die sogenannte ›Unterstützungspflicht‹. Zum Zweiten gibt es die ›Ergänzungspflicht‹«, erklärte der Jurist.
»Die Versicherten bei der Verarbeitung der Daten zu unterstützen, ist juristisch relativ offen«, betonte de la Chevallerie. »Minimal gedacht bedeutet es, dass die Apotheke den Versicherten nur bei der Anwendung seines Handys unterstützt. Weitreichender gedacht bedeutet es, dass die Apotheke selber die technische Ausstattung besitzt, um für den Versicherten auf Wunsch tätig zu werden.«
Die Unterstützungspflicht adressiere im wesentlichen die Aktualisierung des Elektronischen Medikationsplans (EMP). »Hier geht es darum, dass der Apotheker die Daten bei der Abgabe eines Arzneimittels und die Dispensierinformationen in den EMP stellt und die Patienten dabei unterstützt«, erläuterte der Jurist.
Die im Gesetz vorgegebene Ergänzungspflicht beziehe sich darauf, dass der Apotheker in der Akte noch nicht vorhandene Daten in der EPA zu speichern habe. Das werde sich vor allem auf die elektronische Medikationsliste (EML) beziehen.
Die meisten Regeln sind nach der Einschätzung von Marcel de la Chevallerie im Grunde nichts Neues, da der elektronische Medikationsplan beispielsweise schon seit 2020 Teil der elektronischen Gesundheitskarte (EGK) sei.
Die Bestimmungen im Gesetz sind unscharf. Daher muss die konkrete Gestaltung der Vorgaben noch in Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband festgelegt werden. Das betrifft auch die Vergütung der jeweiligen Leistungen.
Auch andere Vorgaben, wie die Beratung zu Betroffenenrechten oder die Vorgaben zur Einsicht in die EPA, müssen noch mit dem GKV-Spitzenverband verhandelt werden. Diese Verhandlungen werden erst im Laufe des kommenden Jahres stattfinden. »Erst wenn diese Verhandlungen zu einem Ende gekommen sind, werden Sie das, was ich Ihnen vorgestellt habe, als EPA in der praktischen Anwendung finden«, schloss der Jurist seien Vortrag.
Die EPA wirft viele Fragen auf. Die Gematik bietet deswegen ein ausführliches Infopaket mit Materialien an, die sich an die Apothekenteams und an die Patientinnen und Patienten richten. Außerdem sind weitere Informationsveranstaltungen geplant. So soll es am 18. Dezember online eine Demonstration der Primärsysteme für Apotheken geben. Weitere Infos finden Sie auf der Website der Gematik.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.