Judith Gerlach: »Ihr System funktioniert« |
Brigitte M. Gensthaler |
09.10.2024 16:20 Uhr |
Judith Gerlach (CSU), Bayerische Staatsministerin für Gesundheit, Pflege und Prävention, kam persönlich zum Deutschen Apothekertag und nahm sich auch Zeit für eine Diskussion. / © PZ/Alois Müller
Die Gesellschaft und viele Systeme im Gesundheitswesen seien im Wandel, aber man müsse immer im Gespräch bleiben, sagte Gerlach. In ihrem Grußwort ging sie in vielen Punkten auf die Rede von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ein, der unmittelbar vorher per Video zu den Apothekern gesprochen hatte. »Es ist wichtig, persönlich miteinander zu sprechen. Unser Ministerium ist im ständigen Austausch mit den Apothekern«, stichelte die CSU-Ministerin, die persönlich zum DAT gekommen war. »Wir müssen wissen, wie Apotheken funktionieren, um echte Wertschätzung zu entwickeln.«
Am meisten treibe sie um, dass der Bundesminister das Apothekenwesen mit dem Krankenhaussektor vergleiche. Dort bestünden ganz andere Probleme, eine andere Struktur und andere Personalthemen und dort sei eine Struktur- und Vergütungsreform zwingend nötig. »Sie sind nicht zu vergleichen mit den Kliniken, denn Ihr System funktioniert«, rief sie den Delegierten zu.
Gleichwohl gebe es auch im Apothekenbereich Optimierungs- und Innovationspotenzial. Allerdings sieht sie den Lauterbach’schen Weg höchst kritisch und sprach von einem kalten Strukturwandel. »Wenn man ein funktionierendes System finanziell austrocknen lässt, wird es nicht mehr funktionieren und Betriebe werden sterben.« Wenn dann der Geldtopf unter den verbliebenen Apotheken verteilt werde, »fühlen Sie sich an der Nase herumgeführt«.
Natürlich könne man nicht alle Probleme lösen, indem man einfach mehr Geld bereitstellt. »Wertschätzung hat nichts mit Geldscheinen zu tun, die auf den Tisch gelegt werden, sondern mit ehrlicher Auseinandersetzung und gemeinsamer Suche nach Lösungen.« Reformen mit der Brechstange lehnte sie entschieden ab.
Das mangelnde Gefühl der Wertschätzung und der Verlust an Vertrauen in die Politik seien gefährlich für die Demokratie, warnte die Politikerin. Die Politik verliere an Vertrauen, wenn die Bürger nicht mehr einbezogen und Veränderungen diktiert würden. »Es macht etwas mit den Menschen, wenn man ihr Krankenhaus wegkippen lässt und die Apotheke am Ort dicht machen muss. Wir dürfen das Vertrauen und die Strukturen nicht verlieren, zum Beispiel die Rund-um-die-Uhr-Versorgung mit Arzneimitteln.«
Lauterbachs Monitum, dass Apotheker die Digitalisierung fernhalten wollten, wies Gerlach, vormals bayerische Digitalministerin, entschieden zurück. Beim E-Rezept seien die Apotheken die Ersten gewesen, bei denen das digitale System funktioniert habe. Sie habe immer das Gefühl gehabt, dass Apotheker stolz auf das E-Rezept und dessen Umsetzung sind und darin eine große Chance sehen.
Es gehe keineswegs darum, Digitalisierung fernzuhalten, sondern darum, Rumpfapotheken zu verhindern, in die sich ein Apotheker oder eine Apothekerin gelegentlich zuschaltet. Die Probleme der Menschen würden nicht von einem Apotheker-Avatar gelöst. Das besondere Vertrauensverhältnis der Menschen zu ihrer Apotheke müsse erhalten bleiben.
Gerlach sieht Reformen als zwingend an, denn die nächsten Jahre würden sehr herausfordernd werden. Sie setzt jedoch darauf, im Schulterschluss gemeinsam Lösungen zu suchen und umzusetzen. Hier wünsche sie sich »maximale Offenheit der Apotheker«. Zugleich stärkte sie mit hoher Wertschätzung dem Berufsstand den Rücken: »Behalten Sie Ihr Selbstverständnis als Apotheker.«