| Theo Dingermann |
| 14.05.2025 12:30 Uhr |
Elternteile mit Substanzgebrauchsstörung sind für Kinder emotional kaum nahbar. Eine aktuelle Studie zeigt, dass in den USA fast jedes vierte Kind diese Erfahrung macht. / © Adobe Stock/M-Production
Abhängigkeit von Alkohol und anderen Rauschmitteln in der Gesellschaft ist ein Problem, über das nur ungern gesprochen wird. Leidtragende sind nicht nur die Abhängigen selbst, sondern auch Angehörige und ganz besonders Kinder. Die Größenordnung dieses Problems in den USA verdeutlicht jetzt eine Studie, die im Wissenschaftsjournal »JAMA Pediatrics« veröffentlicht wurde.
In dieser Publikation präsentieren Dr. Sean Esteban McCabe und Kollegen von der University of Michigan School of Nursing in Ann Arbor Daten einer umfassenden Analyse zur Anzahl von Kindern in den USA, die mit mindestens einem Elternteil mit einer Substanzgebrauchsstörung (Substance Use Disorder, SUD) gemäß DSM-5-Kriterien zusammenleben.
Das DSM stellt das dominierende psychiatrische Klassifikationssystem in den USA dar und spielt dort eine zentrale Rolle bei der Definition von psychischen Erkrankungen. Es wird von der Amerikanischen Psychiatrischen Gesellschaft (APA) herausgegeben.
Basis der jetzt publizierten Analyse bildet der 2023er National Survey on Drug Use and Health (NSDUH). Durch die Anpassung an die DSM-5-Kriterien schließt die Studie eine wesentliche Lücke in der bisherigen Forschung, die meist auf DSM-4-Kriterien beruhte, und liefert somit aktualisierte und realistischere Schätzungen der Prävalenz dieser Risikosituation in Haushalten mit Kindern. SUD auf Basis von DSM-5-Kriterien schlossen missbräuchlichen Konsum von Alkohol, Cannabis, Kokain, Halluzinogenen, Heroin, Inhalanzien, Methamphetamin sowie verschreibungspflichtigen Medikamenten wie Opioiden Benzodiazepinen, Sedativa, Tranquilizern und Stimulanzien ein.
Die Forschenden schätzen, dass im Jahr 2023 etwa 18,97 Millionen Kinder in den USA mit mindestens einem Elternteil mit einer DSM-5-basierten SUD lebten. Das entspricht rund einem Viertel aller US-Kinder. Innerhalb dieser Gruppe lebten 7,6 Millionen Kinder mit Eltern mit einer moderaten bis schweren SUD und etwa 3,4 Millionen mit Eltern, die unter multiplen SUD litten.
Besonders besorgniserregend ist die Subgruppe von circa 6,1 Millionen Kindern, deren Eltern neben der SUD auch eine komorbide psychische Erkrankung aufwiesen. Besorgniserregend ist dies deshalb, weil eine solche Kombination bekanntermaßen mit einem besonders hohen Risiko für nachteilige kindliche Entwicklungsverläufe verbunden ist.
Die häufigste Diagnose bei betroffenen Eltern war eine Alkoholgebrauchsstörung, gefolgt von Cannabisgebrauchsstörungen, verschreibungsbezogenem Missbrauch und weiteren illegalen Drogen (zum Beispiel Kokain, Methamphetamin). Die Prävalenz war geschlechtsunabhängig ähnlich hoch, betraf jedoch insbesondere einkommensschwächere Haushalte und Kinder in urbanen Regionen.
Die Studienergebnisse sprechen dafür, dass politische und gesundheitssystemische Maßnahmen nicht nur auf die Behandlung der betroffenen Erwachsenen fokussieren sollten, sondern verstärkt familienorientierte, evidenzbasierte Interventionsansätze benötigen, um die intergenerationale Weitergabe gesundheitlicher Risiken zu durchbrechen.