»Jahre der Bewährung« gut gemeistert |
Brigitte M. Gensthaler |
11.11.2022 15:30 Uhr |
Der sächsische Kammerpräsident Friedemann Schmidt sieht die Apotheker gut aufgestellt: »Die Apotheke ist mittel- und langfristig zukunftsfähiger geworden.« / Foto: PZ/Alois Müller
Angesichts der Herausforderungen der Pandemie sprach der Präsident der Sächsischen Landesapothekerkammer (SLAK) bei der gestrigen Kammerversammlung in Dresden von »Jahren der Bewährung«. Diese habe der Berufsstand dank seiner Anpassungsfähigkeit »extrem gut« bewältigt und seine Versorgungsaufgaben deutlicher gemacht als je zuvor. »Anpassungsfähigkeit ist ein großes Plus und wird das entscheidende Kriterium sein für jede Struktur, die überleben will.« Schmidt rief alle Apothekerinnen und Apotheker auf, ihre hohe Anpassungsfähigkeit und ihren Unternehmergeist zu erhalten und auszubauen. »Dann werden wir die kommenden kritischen Jahre bestehen.«
Der gesetzgeberische Dreischritt aus Masern-Schutzgesetz, Corona-Sonderregelungen und Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) habe den Apothekern den größten Fortschritt in ihrer Professionalität seit 2012 gebracht. Neue Aufgaben wie das Impfen in Apotheken, pharmazeutische Dienstleistungen und selbst initiierter und vergüteter Botendienst hätten die Eigenständigkeit der Berufsausübung gefördert. »Die Apotheke ist mittel- und langfristig zukunftsfähiger geworden.« Allerdings sei es nicht gelungen, den Berufsstand vor Eingriffen in die finanziellen Rahmenbedingungen zu schützen, bedauerte er.
Positiv bewertete Schmidt die in den letzten vier Jahren gestiegene Zahl der Kammermitglieder (zum 31. Oktober: 3557). Dies zeige die Attraktivität des Apothekerberufs und das hohe Interesse junger Menschen daran. Während die Zahl der Inhaber deutlich gesunken ist, stieg die der Filialleiter und Angestellten. Dies spiegle den Wandel in der Berufsplanung. »Es ist nicht mehr selbstverständlich, sich selbstständig zu machen.«
Dramatisch sei die sinkende Zahl der Apothekenbetriebe, sagte Schmidt. Zum Stichtag 31. Oktober gab es 926 Apotheken im Freistaat, darunter 233 Filialen. In den letzten vier Jahren schlossen etwa 40 Apotheken. Dies betreffe vor allem den ländlichen Raum und wirke sich somit auf die flächendeckende Versorgung und die Notdienstregelung aus. Auch in der Diskussion wurden große Sorgen angesichts von Apothekenschließungen und Personalmangel laut. Schmidt versicherte, dass man in der politischen Debatte auf Bundes- und Landesebene stets auf die Ausdünnung der Apothekendichte hinweise, aber dies werde nicht als dramatisch bewertet. »Das Problembewusstsein in der Politik ist nicht hinreichend.«
Den Mitarbeitermangel bezeichnete der Kammerpräsident als das drängendste Problem der Apotheken und ermutigte die Kollegen ausdrücklich, auch Menschen mit Migrationshintergrund auszubilden. Sonst komme man irgendwann zu dem Punkt, wo die Apotheke mangels Personal die Arzneimittelversorgung nicht mehr professionell leisten kann.
Mehr Flexibilität soll eine Änderung der Allgemeinverfügung Öffnungszeiten bieten, die Vorstandsmitglied Daniel Mädler erläuterte. Künftig soll von Montag bis Freitag eine tägliche Mindestöffnungszeit von sechs Stunden zwischen 8 und 18 Uhr gelten, wobei die genauen Uhrzeiten – anders als vor Corona – nicht mehr vorgeschrieben sind. Der Inhaber kann vielmehr frei wählen, wann er seine Apotheke öffnet. Samstags muss eine Apotheke mindestens drei zusammenhängende Stunden zwischen 8 und 14 Uhr geöffnet sein.
»Die neue Regelung ermöglicht flexiblere Öffnungszeiten und Personalengpässe können besser abgefedert werden«, erklärte Mädler die Vorteile. Damit könnten Apotheken übergangsweise auch im Einschichtsystem betrieben werden. »Für die Bevölkerung ist es besser, eine Apotheke mit gekürzten Öffnungszeiten zu haben als gar keine.« Allerdings bedeute die Neuregelung einen Paradigmenwechsel. Inhaber könnten Probleme bekommen, gegenüber den Mitarbeitern weiterhin Öffnungszeiten bis mindestens 18 Uhr zu rechtfertigen, wenn diese nicht mehr verpflichtend sind, gab er zu bedenken. Zudem könnte die Änderung als »Filialförderungsprogramm« verstanden werden.
Sowohl Schmidt als auch Vizepräsident Göran Donner warben für die Neuregelung, die den Patienten zugutekomme. »Aus Sicht des Patienten ist eine Teilzeitapotheke besser als eine Vollzeit-Rezeptsammelstelle. Auch mit sechs Stunden pro Tag kann man eine ordentliche pharmazeutische Versorgung gewährleisten.« Dem stimmte die Versammlung nach ausführlicher Diskussion mehrheitlich zu. Wichtig: Die Allgemeinverfügung Öffnungszeiten gilt ab 1. Dezember 2022 für alle Apotheken im Freistaat. Zuständig für die Erstellung der Allgemeinverfügung ist die Geschäftsstelle.
Auch Donner zog ein positives Fazit der zurückliegenden Jahre. »Wir sind ganz gut durch die Stürme gekommen und waren erfolgreich.« Ausdrücklich rief er die Kollegen auf, pharmazeutische Dienstleistungen anzubieten und abzurechnen. Zum aktuellen Disput mit den Ärzten sagte er: »Wir Apothekerinnen und Apotheker können Medikationsmanagement. Wir nehmen damit niemandem etwas weg. Es geht um die Gesundheit und das Wohlergehen unserer Patienten.«
Donner kritisierte zudem die Lieferengpässe als Gefahr für die flächendeckende Arzneimittelversorgung. Die Verfügbarkeitslage bei notwendigen Arzneimitteln sei für Deutschland »unwürdig«. Auf diesen Missstand müssten die Berufsangehörigen »überall – bei der Politik und in den Medien - hinweisen und maximalen Druck ausüben«.