IT-System soll Notdienstpläne verschlanken |
Brigitte M. Gensthaler |
22.06.2023 15:00 Uhr |
Nachtdienste sind eine Belastung für die Apotheken, aber ein wichtiger Dienst am Patienten. Hier einen Ausgleich zu finden, ist Aufgabe der Apothekerkammern. / Foto: Adobe Stock/Michael Bihlmayer
Nacht- und Notdienste sind eine zunehmende Belastung für die Apotheken. Viele fordern eine Ausdünnung des Notdienstnetzes, doch dies geht zulasten der Kranken. Dem steht die Landesapothekerkammer (LAK) kritisch gegenüber. Sie ist laut Heilberufe-Kammergesetz für die Sicherstellung des Apotheken-Notdienstes zuständig und dabei an Weisungen des Sozialministeriums gebunden, erklärte Kammerjustiziar Uwe Kriessler gestern bei der Vertreterversammlung in Stuttgart.
Der Rückgang der Apothekenzahl erhöhe die Belastung für die Vor-Ort-Apotheken, sagte Kriessler. Aktuell würden weniger als 2300 Apotheken im Land die Versorgung der Bevölkerung sicherstellen. Die Kernfrage sei, in welchem Umfang Apotheken vom Notdienst entlastet oder wie künftige Mehrbelastungen durch weitere Schließungen aufgefangen werden können – ohne Veränderung des regulatorischen Rahmens. Die LAK setzt hierbei auf eine optimierte Planung durch Umstellung auf ein landesweites digitales Planungstool mit Wegfall der Notdienstkreise.
Wie eine softwaregestützte landesweite Notdienstplanung aussehen kann, stellte Christian Dethloff von der sberg it-systeme GmbH, Potsdam, vor. Das Unternehmen arbeitet nach eigenen Angaben seit vielen Jahren auf diesem Gebiet und inzwischen mit mehreren Landesapothekerkammern zusammen.
Es gehe um eine »arhythmische Verplanung unabhängig von Notdienstkreisen und -gruppen«. Dabei berücksichtige ein ausgeklügelter Algorithmus zwei Aspekte, so Dethloff, der von »Gerechtigkeiten« sprach. Zur Wahrung der »räumlichen Gerechtigkeit« – im Sinne der Bürger und Patienten – würden die Apothekenstandorte geocodiert und eine Entfernungsmatrix aufgebaut. Der »zeitlichen Gerechtigkeit« – für die Inhaber und Apotheker – komme der Algorithmus zum Beispiel durch eine gerechte Verteilung der Dienste auf Wochen- und Feiertage sowie Wochenenden nach.
»Unser System findet einen Kompromiss zwischen den beiden Gerechtigkeiten.« Nach vorgegebenen Parametern, zum Beispiel Entfernungskilometern, suche es Partner- und Stellvertreterapotheken im Land aus, die an einem Tag den Dienst versehen. Das Optimierungspotenzial resultiere aus dem Wegfall der festgelegten Kreise.
Weit fortgeschritten ist die digitale Notdienstplanung in Rheinland-Pfalz; sie soll im kommenden Jahr starten. Im Beispielplan 2023 ergaben sich 16.037 Dienste pro Jahr. »Das ist eine Reduktion um 27 Prozent«, berichtete Dethloff. Es gebe durchschnittlich 44 Dienste am Tag im Land, wobei 90 Prozent in einer Entfernung bis 20 Kilometer erreichbar sind. Die Dienstzahl pro Apotheke und Jahr sei auf 29 gedeckelt.
Was ist für Baden-Württemberg zu erwarten? Dethloff prognostizierte eine »signifikante Reduktion der Gesamtdienstzahl«, wobei die meisten Apotheken entlastet würden. Es werde aber Betriebe geben, vor allem in Stadtrandlagen, die mehr Dienste leisten müssen. Eine Einführung sei zum 1. Januar 2025 möglich, aber nicht früher, da die Pilotierungsphase umfangreich und komplex sei.
In der ausführlichen Diskussion signalisierten die Vertreter sehr große Zustimmung und plädierten für eine rasche Einführung des IT-Systems. Christoph Gulde vom Beirat des Landesapothekerverbands drängte auch angesichts der Altersstruktur der Inhaber und ihrer Angestellten zum Handeln: »Die Apothekenschließungen gehen immer weiter.« Apotheken mit zu vielen Notdiensten würden unverkäuflich. »Ohne gesteuerte Veränderung, die sich für die Bevölkerung bemerkbar machen wird, wird es Wildwuchs geben.«
Kammerpräsident Dr. Martin Braun unterstrich dies: »Die Verkäuflichkeit von Apotheken ist ein zunehmend wichtiges Argument in der politischen Diskussion.« Der Vorstand stehe hinter dem digitalen System, denn: »Die Softwarelösung hat in anderen Kammerbereichen zur drastischen Reduktion der Notdienste geführt.«