Ist die unbekannte Erkrankung eine Vergiftung? |
Theo Dingermann |
04.03.2025 16:00 Uhr |
Möglicherweise könnte eine Toxikation durch Trinkwasser hinter dem aktuellen Ausbruch einer unbekannten Erkrankung in der Demokratischen Republik Kongo stecken. / © Getty Images/Jadwiga Figula
Noch Ende vergangener Woche hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine unbekannte Krankheit in der Demokratischen Republik Kongo (DRC), an der nahezu 60 Menschen verstarben, als ein erhebliches Risiko für die öffentliche Gesundheit eingestuft. Die Patienten hatten Symptome wie Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Myalgie, Schwitzen, Nackensteifigkeit, Husten, Erbrechen und Bauchkrämpfe gezeigt; ein Großteil der Todesfälle ereignete sich innerhalb von 48 Stunden nach Krankheitsbeginn. Vorläufigen Untersuchungen zufolge hatte man vermutet, dass der Ausbruch in Boloko auf drei Todesfälle bei Kindern zwischen dem 10. und 13. Januar 2025 zurückging, die wohl vor dem Auftreten der Krankheitssymptome einen Fledermauskadaver verzehrt hatten. Nach einem potenziellen Erreger einer hämorrhagischen Infektionserkrankung wurde gesucht.
Nun scheinen Zweifel daran aufzukommen. In einem »Science-Insider«-Beitrag im Wissenschaftsmagazin »Science« berichtet John Cohen, dass diese Hypothese wahrscheinlich nicht korrekt ist. Auf einer Pressekonferenz, über die auch Associated Press berichtete, hatte Dr. Mike Ryan, der Exekutivdirektor der Health Emergencies Programme der WHO, die Vermutung geäußert, dass der Krankheitsausbruch wohl mit »einer Art Vergiftungsereignis« in Verbindung stehe. In dem am stärksten von der Krankheit betroffenen Dorf würden viele der erkrankten Menschen dieselbe Wasserquelle nutzen.
Ryan führte nicht aus, ob er sich auf eine Kontamination durch Unfall, Fahrlässigkeit oder vorsätzliches Handeln bezog. Auch nannte er nicht das Dorf, in dem die Vergiftung vermutet wurde.
Sollte sich tatsächlich bestätigen, dass die Krankheiten auf eine Kontamination des Trinkwassers zurückzuführen sind, werde es leicht sein, diese Gefahrenquelle zu beseitigen, sagte Professor Dr. Steve Ahuka, Virologe am Nationalen Institut für biomedizinische Forschung in Kinshasa, DRC, der einige Patientenproben aus betroffenen Gemeinden untersucht.
Es ist äußerst schwierig, in den unterentwickelten Gebieten der DRC Ursachen für Epidemien zu finden. Erst Ende vergangenen Jahres wurde beispielsweise ein Ausbruch einer mysteriösen Krankheit in dem Land letztlich auf akute Atemwegsinfektionen zurückgeführt; die Patienten hatten durch Malaria eine sehr schwere Krankheitssymptomatik entwickelt. Laut Ahuka bestehe eine weitere Möglichkeit darin, dass Stechmücken Arboviren übertragen, die dann schwere Krankheiten verursachen. Auch bakterielle Infektionen können die bei mehreren betroffenen Kindern beobachtete Meningitis verursachen, merkte der Experte auf der Pressekonferenz an.
Seit dem ersten Cluster von Todesfällen, das am 9. Februar 2025 gemeldet wurde, ist die Zahl der Todesfälle insgesamt zurückgegangen. Das meldet die WHO in einem Situationsbericht vom 3. März. Der letzte Todesfall wurde demnach am 22. Februar 2025 gemeldet: »Die aktuellen epidemiologischen Informationen deuten auf ein lokal begrenztes Ereignis mit einem stetigen Rückgang der Inzidenz hin, das sich nicht zeitlich und örtlich ausweitet.«
Aufgrund des klinischen Erscheinungsbildes der Todesfälle und der Schnelligkeit, mit der die Symptome einsetzten, gelten derzeit eine schnell auftretende bakterielle Meningitis oder eine Kontamination durch eine chemische Vergiftung als Schlüsselhypothesen. Die Ursachensuche sei noch nicht abgeschlossen. Die Untersuchungen vor Ort und zusätzliche Labortests seien im Gange, einschließlich Untersuchungen der Liquorflüssigkeit und die toxikologische Analyse von Umweltproben, vor allem Wasserproben.
Insgesamt hätten 1318 Patienten die unbekannte Erkrankung entwickelt, berichtet die WHO. Die Hälfte der Malaria-Tests, die bei diesen Personen durchgeführt wurden, fiel positiv aus. »Auf der Grundlage der vorliegenden Informationen stuft die WHO das lokale Gesundheitsrisiko als mäßig und das nationale und globale Gesundheitsrisiko als gering ein.«