Ist die Krankenhausreform ein teurer Etikettenschwindel? |
Lukas Brockfeld |
26.09.2024 15:30 Uhr |
Im Paul-Löbe-Haus des Bundestags wurde am Donnerstag über die geplante Krankenhausreform diskutiert. / Foto: IMAGO/IPON
Über die lange angekündigte Krankenhausreform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gab es schon viel Streit. Am Mittwoch wurde bei einer öffentliche Expertenanhörung des Gesundheitsausschusses des Bundestages erneut über den Gesetzentwurf des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) beraten. Dabei stießen vor allem die geplanten Finanzierungs- und Qualitätsvorgaben auf Skepsis. In der zweistündigen Sitzung wurden mehr als 50 Verbände und Experten angehört. Der knappe Zeitplan wurde im Vorfeld beispielsweise von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) kritisiert.
In einer gemeinsamen Stellungnahme forderten die Allianz kommunaler Großkrankenhäuser (AKG), der Deutsche Evangelische Krankenhausverband, der AOK-Bundesverband, die DAK und die Deutsche Krebsgesellschaft eine konsequente Umsetzung der Reform. Die deutschen Krankenhäuser müssten zukunftsfähig werden. Die Kliniken bräuchten dringend eine fallzahlunabhängig und bedarfsorientiert ausgestaltete Vorhaltefinanzierung. Die geplante Reform würde diese allerdings nicht schaffen. Stattdessen halte Lauterbach weiter an Mengenanreizen fest und bremse die Ambulantisierung aus.
Deutliche Kritik kam von der Initiative »Krankenhaus statt Fabrik«, die die geplante Reform als »Etikettenschwindel« bezeichnete. Auch das geplante Vorhaltebudget errechne sich aus Anzahl und Schwere der Behandlungsfälle. Daher könne von einer Entökonomisierung der Krankenhausversorgung und der Überwindung des Fallpauschalensystems (DRG) keine Rede sein. Die Initiative wünscht sich daher eine neue Bedarfsplanung, die auf Basis von wissenschaftlichen Daten, regional und demokratisch umgesetzt wird.
Der Vorsitzende der DKG, Gerald Gaß, warnte in seinem Statement vor einer »kalten Marktbereinigung« in der deutschen Krankenhauslandschaft. Die erheblichen Kostensteigerungen seit 2022 machten einen Inflationsausgleich unbedingt notwendig. Vor der Anhörung hatte die DKG eine Entökonomisierung der Kliniken gefordert und Lauterbach mangelnde Kompromissbereitschaft vorgeworfen.
Die Entökonomisierung der Kliniken wurde zwar immer wieder von Vertreterinnen und Vertretern der Krankenhäuser gefordert, stieß aber auf die Kritik der Krankenkassen. So kritisierte der GKV-Spitzenverband, dass Struktur- und Finanzierungsreform voneinander entkoppelt würden.
Ein großes Streitthema war die Schaffung eines Transformationsfonds von 50 Milliarden Euro aus den Mitteln der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Der GKV-Spitzenverband kritisierte dies als erhebliche Belastung der Beitragszahlenden. Der Sozialverband VdK bemängelte, dass die Gelder für den geplanten Transformationsfond aus den Mitteln der Gesetzlichen Krankenversicherung stammen sollen. Auch die Privaten Krankenkassen müssten sich an den Kosten der Reform beteiligen, außerdem solle der Bund einen finanziellen Beitrag leisten. Eine ähnliche Einschätzung wurde auch von Vertretern des Deutsche Städtetags vorgebracht.
Der Spitzenverband der Fachärztinnen und Fachärzte Deutschlands (Spifa) klagte über eine einseitige Stärkung des stationären Sektors. Zwar sei eine Reform zur Verbesserung der Krankenhäuser notwendig, doch es müsse gleichzeitig der ambulante Sektor gestärkt werden. Die geplante Krankenhausreform erfülle diesen Anspruch leider nicht.
Am Tag nach der Anhörung wurde die Sommerumfrage des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) für den Krankenhaus-Index veröffentlicht. Für die repräsentative Umfrage wurden 358 Krankenhäuser in Deutschland befragt. Dabei zeigte sich, dass 71 Prozent der Kliniken nicht davon ausgehen, dass die geplante Reform sie von wirtschaftlichem Druck befreie. 95 Prozent der Krankenhäuser halten die geplante Vorhaltefinanzierung für unzureichend. Außerdem rechnen ebenfalls 95 Prozent der befragten Krankenhäuser mit mehr Bürokratie durch die Reform.
Die Kliniken sind mit Blick auf ihre allgemeine Finanzlage sehr pessimistisch. Laut der Umfrage gehen 100 Prozent der Maximalversorger und 98 Prozent der Grundversorger davon aus, dass ihre Finanzierung auch künftig nicht auskömmlich sein wird. »Die Krankenhäuser benötigen Planungssicherheit, das zeigen überdeutlich die Umfrageergebnisse. Das muss auch Minister Lauterbach klarwerden. Wenn praktisch alle Krankenhäuser kein Vertrauen mehr in die Finanzierungspläne der Reform haben, muss er umsteuern«, sagte der DKG-Vorsitzende Gerald Gaß.