IQWiG will Zusatznutzen-Bewertung überprüfen |
Das IQWiG hat analysiert, inwieweit sich die Methodik zur Einstufung des Zusatznutzens neuer Arzneimittel in der Praxis bewährt hat – anhand von mehr als 1000 Ergebnissen aus über zehn Jahren. / © Getty Images/Liudmila Chernetska
Mit dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) hat der Gesetzgeber 2011 den Begriff des Zusatznutzens in das SGB V eingeführt. Seitdem ist nach Informationen des IQWiG rechtlich festgelegt, dass frisch zugelassene Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen sofort nach Markteintritt eine Bewertung ihres Zusatznutzens durchlaufen müssen. Hierzu legt der pharmazeutische Unternehmer ein Dossier mit allen relevanten Daten vor. Das IQWiG erstellt eine Dossierbewertung für den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Auf deren Grundlage stuft der G-BA den Zusatznutzen ein. Dieser Beschluss dient als Entscheidungsgrundlage dafür, zu welchem Preis der Hersteller das neue Arzneimittel anbieten darf.
Wie das IQWiG am Dienstag mitteilte, hat es nun die Methodik untersucht, die es seit 2011 für die Einstufung des Zusatznutzens neuer Arzneimittel verwendet. In einem Arbeitspapier mit dem Titel »Ausmaßmethodik Zusatznutzen – Empirie aus Dossierbewertungen« hat das Institut überprüft, inwieweit Effektgrößen, die für ein bestimmtes Ausmaß mindestens vorliegen sollten, bei der Anwendung der Methodik tatsächlich erreicht werden. Dabei habe sich gezeigt: In der Mehrzahl der Endpunktkategorien erreichten die tatsächlichen Effektgrößen mindestens die gewünschten Effekte. Es gab demnach aber auch Abweichungen, und zwar vor allem bei der Bewertung eines erheblichen Zusatznutzens.
Die Auswertung hat laut IQWiG Folgendes gezeigt: Der Median der tatsächlichen Effektschätzungen der höchsten Ausmaßkategorie »erheblich« war etwa für die Sterblichkeit mit 0,54 etwas größer als der erwartete Wert von 0,50. Hier blieb der tatsächliche Effekt in mehr als der Hälfte der Fälle hinter den Erwartungen zurück, die an einen erheblichen Effekt gestellt werden, nennt das Institut ein wesentliches Ergebnis der Untersuchung.
Ähnliche Situationen fänden sich auch für die jeweils höchsten Ausmaßkategorien der anderen Zielgrößen der Symptome, Nebenwirkungen und gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Bei den jeweils folgenden niedrigeren Ausmaßkategorien lägen die Werte der Effektschätzungen ganz überwiegend unterhalb der erwarteten Werte. »Die tatsächlichen Effekte erreichen damit die Erwartungen beziehungsweise übertreffen diese sogar in der Mehrzahl der Fälle«, heißt es.
In nächster Zeit will das IQWiG nun prüfen, ob die Ergebnisse der Analyse »in eine Überarbeitung der Methodik münden«. Deutlich werde, dass der Fokus einer möglichen Anpassung bei den höchsten Ausmaßkategorien liegen sollte, so das Institut.
Im Arbeitspapier erläutert das IQWiG auch die Systematik. So legte das Institut im Jahr 2011 Zielgrößenkategorien in drei Kategorien fest:
Für jede Zielgrößenkategorie legte das IQWiG für die Einstufung eines Ergebnisses in die verschiedenen Ausmaße des Zusatznutzens (erheblich, beträchtlich, gering) jeweils einen gewünschten Effekt zugrunde. Dabei gelte: Je höher das Ausmaß, umso größer muss der Effekt auf patientenrelevante Endpunkte in den Arzneimittelstudien sein.
Von der Einführung des AMNOG im Jahr 2011 bis Ende 2022 habe das Institut laut der Mitteilung knapp 700 Dossierbewertungen erstellt. In 1747 Endpunkten hat es dabei mithilfe der Schwellenwerte für Konfidenzintervalle jeweils das Ausmaß des Zusatznutzens festgelegt. Gut drei Viertel dieser Endpunkte stammten aus dem Gebiet der Onkologie.
Der vfa befürchtet nun eine »Verschärfung der Bewertungskriterien«. Laut einer Pressemitteilung sieht der Verband diese Entwicklung kritisch. Die Methodik des Instituts habe sich von Beginn an »auf Abwegen bewegt«, da sie keinen internationalen Standard der evidenzbasierten Medizin darstelle.
Auch in der aktuellen Untersuchung hinterfrage das Institut nicht die umstrittenen Grundannahmen. »Und dies, obwohl die Ergebnisse zeigen, dass die Methode zu konservativ ist und seltenere Erkrankungen benachteiligt«, kritisiert der vfa. Vom G-BA werde der Methodenvorschlag des IQWiG zwar seit 13 Jahren bei der Nutzenbewertung nicht übernommen, dennoch könnten »verzerrte Empfehlungen des Instituts« auch die G-BA-Bewertungen negativ beeinflussen. Der vfa fordert daher, die Methodik des IQWiG grundlegend zu hinterfragen – ohne »nationale Alleingänge« und in einem offenen wissenschaftlichen Austausch. Die pharmazeutischen Unternehmen seien dazu bereit, betont der Verband.