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Arzneimittel ohne Zusatznutzen

IQWiG fordert mehr politische Einmischung

Mehr als die Hälfte der Medikamente, die in Deutschland neu auf den Markt kommen, bieten keinen Zusatznutzen gegenüber etablierten Therapien. Das kann so nicht weitergehen, findet das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) – und fordert die Politik auf, sich stärker in die Arzneimittelforschung einzubringen als bisher.
Christina Müller
11.07.2019  15:28 Uhr

Zwischen 2011 und 2017 hat das IQWiG nach eigenen Angaben insgesamt 216 neue Arzneimittel begutachtet. Lediglich bei 54 von ihnen (25 Prozent) konnte der jeweilige Hersteller anhand klinischer Studien belegen, dass sein Medikament einen erheblichen oder beträchtlichen Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie aufweist. In 35 weiteren Verfahren (16 Prozent) sah das Institut zumindest noch einen geringen oder nicht quantifizierbaren Vorteil. Mehr als die Hälfte (58 Prozent) war gegenüber der Standardtherapie nicht überlegen. Von den 89 Medikamenten, die sich behaupten konnten, profitierte in 52 Fällen (58 Prozent) das gesamte Patientenkollektiv, bei 37 Bewertungen (42 Prozent) war der Zusatznutzen nur für eine Teilpopulation nachweisbar.

Noch schlechter ist es um die Überlegenheit von Wirkstoffen bestellt, die ein beschleunigtes Zulassungsverfahren durchlaufen haben und trotz dünner Evidenz auf den Markt kommen: In einem Beitrag im Fachjournal »British Medical Journal« verweisen die Autoren um Beate Wieseler, Leiterin des Ressorts Arzneimittelbewertung beim IQWiG, auf einen Review der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA. Diese hatte über rund 100 Indikationen hinweg jene Arzneimittel betrachtet, die im Eilverfahren zugelassen worden waren, und geprüft, ob für sie inzwischen ein Zusatznutzen belegt sei. Das ernüchternde Ergebnis: Nur in weniger als 10 Prozent der Fälle war es gelungen, einen Vorteil zu beweisen (»BMJ« 2017, DOI: 10.1136/bmj.j1680).

Postmarketing-Studien? Fehlanzeige!

»Ein kritisches und allgemein bekanntes Problem mit Postmarketing-Studien ist, dass sie nicht stattfinden«, bemängeln Wieseler und Kollegen. Analysen hätten gezeigt, dass lediglich die Hälfte der bei Markteintritt vom Hersteller angekündigten Erhebungen innerhalb von fünf bis sechs Jahren abgeschlossen sei. Die aktuelle Situation lege ein politisches Versagen nahe. »Wir brauchen neue Herangehensweisen«, betonen die Wissenschaftler daher.

Zum einen sollten die Zulassungsbehörden die Regeln wieder strenger auslegen und von den Antragstellern robuste Evidenz aus groß angelegten Langzeitstudien fordern. Zum anderen gelte es, die Pharmafirmen zu verpflichten, gegen einen aktiven Wirkstoff und nicht ausschließlich gegen Placebo zu testen. Darüber hinaus dürfe in Erstattungsfragen und Preisverhandlungen nur belohnt werden, wer ein relevantes Ergebnis vorlegen kann. Bei unsicherer Datenlage und lediglich geringfügigen Verbesserungen für die Patienten wollen die Autoren künftig härtere Kriterien anlegen als bisher.

»Sowohl die US-amerikanischen als auch die europäischen Fachgesellschaften der Onkologen haben Bewertungsrahmen entwickelt, mit deren Hilfe sich das Ausmaß des Nutzens einordnen lässt und relevante von marginalen Outcomes unterschieden werden können«, informieren Wieseler und ihr Team. Das sei ein erster Schritt, um Studienergebnisse zu gewichten.

Politik muss proaktive Rolle spielen

Langfristig sollten aber auch politische Entscheidungsträger eine proaktive Rolle einnehmen. »Statt darauf zu warten, was die Pharmafirmen zu entwickeln gedenken, sollten sie die Lücken im Gesundheitssystem benennen und dafür sorgen, dass in den Bereichen geforscht wird, in denen es nötig ist«, schreiben die Kölner Wissenschaftler. Als positives Beispiel nennen sie die Global Antibiotic Research and Development Partnership (GARDP), eine die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) koordinierte Initiative zur Entwicklung neuer Antibiotika. Dabei identifiziert die WHO etwa besonders bedrohliche Erreger, berücksichtigt die Wirkstoffe, die sich noch in der Entwicklung befinden und kümmert sich in Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen um das Design und die Umsetzung klinischer Studien.

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