Interprofessionelles Lernen fördern |
Laura Rudolph |
15.09.2025 11:26 Uhr |
Eine gute Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Apothekern und Pflegepersonal lässt sich bereits im Studium und während der praktischen Ausbildung fördern. / © Adobe Stock/peopleimages.com
In der Monatszeitschrift »Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz« zeigten Jennifer Weber, stellvertretende Leiterin der Apotheke des Klinikums Fulda, sowie die Professoren Dr. Carsten Culmsee und Dr. Roland Radziwill vom Institut für Pharmakologie und Klinische Pharmazie der Philipps-Universität Marburg, wie die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern bereits in der Ausbildung gezielt gefördert werden kann.
Anhand konkreter Beispiele machten sie deutlich, wie interprofessionelles Lernen frühzeitig in die Lehre integriert werden kann, um die spätere Zusammenarbeit im Berufsalltag zu stärken.
In Marburg lösen Studierende in Kleingruppen mit zwei bis vier Personen Fallbeispiele. Sie erhalten dazu kurze Schilderungen zu Erkrankungen, Medikation und aktuellen Problemen des Patienten. Zur Hilfe nehmen dürfen sie Datenbanken, Medikationsanalysesoftware und Literatur. Anschließend besprechen und diskutieren sie ihre Lösungen mit ihren Kommilitonen (Gruppen aus 20 bis 25 Studierenden) und den Lehrenden.
Mithilfe dieses Formats können die Studierenden »ihre pharmazeutischen Kenntnisse und Fähigkeiten in der gesamten Breite des Fachs selbstständig anwenden, verknüpfen und vertiefen«, schreiben die Autoren. Die Beratung der Patienten sowie die interprofessionelle Kommunikation mit Ärzten und Pflegekräften werde ausdrücklich mit in die Lösungsansätze integriert und in Rollenspielen vorgestellt.
Ein anderes Lehr- und Prüfungsformat sind die Objective Structured Clinical Examinations (OSCE), die im Medizinstudium schon lange etabliert sind. Die Studierenden müssen dabei eine Art Prüfungsparcours mit zehn bis zwölf Stationen absolvieren, bei denen ihr pharmazeutisches und pharmakologisches Wissen anhand von kurzen Fallbeispielen geprüft wird. An manchen Stationen wird die interprofessionelle Kommunikation mit Ärzten oder dem Pflegepersonal mithilfe von Schauspielern geübt, die für solche Formate ausgebildet wurden.
In Marburg werden die OSCE im interdisziplinären Skills Lab »Maris«, dem Zentrum für medizinische Lehre am Fachbereich Medizin, durchgeführt. Dort können verschiedene Umgebungen – zum Beispiel die Klinik oder Offizin – realitätsnah nachgestellt werden. Beispielsweise gibt es vollständig eingerichtete Krankenhauszimmer. Die Lehrenden können die Studierenden auch von speziellen Abhörräumen aus beobachten und bewerten, ohne von ihnen oder den Schauspielpatienten wahrgenommen zu werden.
»Die theoretischen und praktischen Stationen sind klar strukturiert und laufen nach einem festen Zeitplan ab, der von zwei Personen überwacht und mittels akustischer Signale gesteuert wird«, heißt es im Beitrag im Bundesgesundheitsblatt. Die Trainingsstationen mit Simulationspatienten und zur Kommunikation mit Ärzten und Pflegekräften sind auf sechs Minuten angelegt. Zwei Minuten dienen der Orientierung: Die Teilnehmenden erhalten einen kurzen Fallbericht und erfahren, worum es geht. Anschließend bleiben vier Minuten Zeit für das eigentliche Beratungsgespräch. Anschließend werden die Leistungen der Studierenden mithilfe eines Punktesystems ausgewertet, während diese bereits zur nächsten Station rotieren.
An den theoretischen Stationen bekommen die Studentinnen und Studenten ebenfalls jeweils sechs Minuten Zeit, um die Aufgabe zu lösen. Sie dürfen dabei beispielsweise die Fachinformation und die Rote Liste heranziehen. In diesem Prüfungsformat können in Marburg bis zu 60 Studierende pro Tag geprüft werden.
Vor sechs Jahren initiierte das Zentrum für medizinische Lehre an der Universität Marburg das fachbereichsübergreifende Projekt »Medizin trifft Pharmazie«, bei dem Medizin- und Pharmaziestudierende in zwei Unterrichtsformaten gemeinsam lernen: bei der Visite am Patientenbett und bei einem Seminar.
Bei der Klinikvisite lernen die Studierenden die jeweilige Sicht der anderen Profession auf die Erkrankungen und Therapie des Patienten kennen. Beim Seminar erarbeiten sie in Kleingruppen Diagnosen und mögliche Therapien anhand von realistischen Fallbeispielen. Lehrende aus beiden Fachbereichen besprechen am Ende gemeinsam mit den Studierenden die Ergebnisse.
Auch im Praktischen Jahr (PJ) gibt es fachübergreifende Lehrformate, zum Beispiel interprofessionelle Ausbildungsstationen (IPSTA) im Krankenhaus innerhalb einer Normalstation. Ein bunt gemischtes Team aus Studierenden und Auszubildenden verschiedener Professionen betreut dabei eigenständig Patienten unter Aufsicht von erfahrenen »Lernbegleitern« der beteiligten Berufsgruppen.
IPSTA, die es in Deutschland seit 2017 gibt, nehmen zu – jedoch würden Pharmazeuten im Praktikum (PhiP) im interprofessionellen Team noch nicht regelhaft berücksichtigt, schreiben die Autoren. Mehrheitlich seien es Medizinstudierende im PJ und Pflegeauszubildende.
Am Klinikum Fulda wurden solche Ausbildungsstationen im Januar 2022 in der Nephrologie, der Allgemein- und Viszeralchirurgie sowie der Kinderklinik eröffnet. Hier sind auch PhiP mit an Bord. Eine IPSTA-Einheit dauert in der Regel vier Wochen. Am Einführungstag lernt sich das Team untereinander sowie die Station und die Aufgaben kennen.
Ab dem Folgetag betreuen die Auszubildenden eigenständig – aber unter Supervision – zwei bis drei Zimmer mit bis zu sechs Patienten. Sie erarbeiten Behandlungsoptionen und Therapien. Die Lernbegleiter beobachten, motivieren und unterstützen. Sie greifen erst dann ein, wenn das IPSTA-Team Hilfe einfordert oder es notwendig wird. Nach der Eingabe der Medikation, größeren Therapieentscheidungen oder vor Vorträgen müssen die Auszubildenden grundsätzlich Rücksprache mit den Betreuern halten.
Die PhiP in Fulda können während des PJ an jeder der IPSTA-Einheiten teilnehmen. Pro Jahr finden etwa acht statt. So unterschiedlich wie die Fachrichtungen sind auch die Lernziele der einzelnen Stationen. In wöchentlichen Besprechungen werden der Stand der Lernziele verfolgt und offene Fragen geklärt.
Am Ende jeder IPSTA stellen die PhiP den anderen Auszubildenden und dem Team der Klinikapotheke den komplexesten Patientenfall vor.