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L-Ornithin-L-Aspartat bei Enzephalopathie

29.09.1997  00:00 Uhr

- Medizin

Govi-Verlag

L-Ornithin-L-Aspartat bei Enzephalopathie

Zu den schwersten Komplikationen bei einer Leberzirrhose gehört die hepatische Enzephalopathie. Zirrhosepatienten, die unter dieser Folgeerkrankung leiden, haben ein drastisch erhöhtes Mortalitätsrisiko. Mediziner fordern deshalb eine frühstmögliche Behandlung. Eine im Juni veröffentlichte Studie belegt, daß die Infusion von L-Ornithin-L-Aspartat den Schweregrad einer Enzephalopathie deutlich reduziert.

Der Beginn einer hepatischen Enzephalopathie verläuft oft unbemerkt. Wie Professor Dr. Rüdiger Nilius von der Privatklinik für Innere Krankheiten Max Uibeleisen GmbH in Bad Kissingen ausführte, verlaufe die subklinische Phase zumeist ohne Symptome, die Krankheit sei jedoch auch in diesem Stadium mit psychometrischen Tests sicher diagnostizierbar. In der nächsten Stufe der Erkrankung (Schweregrad 1) zeigten sich emotionale Veränderungen und ein Nachlassen der Konzentrations- und Merkfähigkeit. In den nachfolgenden Krankheitsstadien können sich Lethargie und Apathie (Schweregrad 2), Persönlichkeitsveränderungen und Konfusion (Schweregrad 3) bis hin zu Koma (Schweregrad 4) einstellen.

Ausgelöst wird die hepatische Enzephalopathie durch die schlechte Entgiftung des Blutes aufgrund der verminderten Leistungsfähigkeit der zirrhotischen Leber, erläuterte Nilius. Vor allem der mangelhafte Abbau des neurotoxisch wirkenden Ammoniaks führe zu einer Beeinträchtigung der Gehirnfunktionen, sagte er auf einer von Merz veranstalteten Pressekonferenz am 11. September in Bonn. Der Abbau des Ammoniaks erfolgt im wesentlichen in den periportalen Hepatozyten, in denen das Molekül mit Hilfe der Carbamylphosphatsynthetase in Harnstoff umgebaut wird. Der zweite Abbauweg des Neurotoxins ist die Glutaminsynthese, bei der das Enzym Glutaminsynthetase eine Schlüsselfunktion hat. Fatalerweise seien bei einer Leberzirrhose beide Abbauwege gestört, so Nilius. Sowohl die Glutaminsynthetase als auch die Carbamylphosphatase arbeiteten nicht ausreichend. Die Folge ist eine Hyperammoniämie.

Wahrscheinlich ist der Ammoniaküberschuß jedoch nicht der alleinige Auslöser einer hepatischen Enzephalopathie. So werde bei Zirrhotikern eine Verschiebung der Aminosäureverteilung im Blut registriert. Während die verzweigtkettigen aliphatischen Aminosäuren (Leucin, Isoleucin und Valin) in geringerer Konzentration gefunden werden, steigt der Anteil aromatischer Aminosäuren (Phenylalanin, Tyrosin und Tryptophan) deutlich an. Aus den aromatischen Aminosäuren würden dann im Gehirn sogenannte falsche Transmitter synthetisiert, beschrieb Nilius. Diese besetzten dieselben Rezeptoren wie die echten Transmitter, seien jedoch weniger potent, wodurch die Signalübertragung im Gehirn gestört werde.

Im Vergleich zu anderen zerebralen Funktionsstörungen sind die therapeutischen Möglichkeiten bei einer hepatischen Enzephalopathie recht vielversprechend. Die Krankheit sei potentiell reversibel, betonte Nilius. Bei der Behandlung der hepatischen Enzephalopathie stehe der Einsatz von Medikamenten nicht im Vordergrund. Am wichtigsten sei die Vermeidung von Noxen, etwa Alkohol, Chemikalien und verschiednene Arzneimittel. Ebenfalls zwingend sei ein adäquate Ernährung mit vielen Ballaststoffen und wenig tierischem Eiweiß. Außerdem müßte eine mögliche Infektion beseitigt und ein regelmäßiger Stuhlgang angestrebt werden.

In einigen Fällen sei eine zusätzliche medikamentöse Therapie mit L-Ornithin-L-Aspartat durchaus sinnvoll, führte der Mediziner weiter aus. Das aus den beiden Aminosäuren Ornithin und Aspartat bestehende Salz habe einige positive Wirkungen bei hepatischer Enzephalopathie, so verbessere es das Verhältnis der Aminosäuren hin zu den aliphatischen, steigere die Regenerationsfähigkeit der Leberzellen und senke den Ammoniakspiegel im Blut.

Eine Studie, die Nilius zusammen mit Dr. Gerald Kircheis, Merz und Co, in der US-amerikanischen Wissenschaftszeitschrift Hepatology publizierte, belegt diese Bewertung. Die beiden Wissenschaftler konnten zeigen, daß die intravenöse Gabe von 20 Gramm L-Ornithin-L-Aspartat pro Tag innerhalb einer Woche sowohl die venöse Ammoniakkonzentration senkt, als auch die geistige Leistungsfähigkeit erhöht. Insgesamt nahmen 126 Patienten an der Studie teil, erläuterte Kircheis. 63 wurden mit L-Ornithin-L-Aspartat behandelt, die anderen erhielten Placebo. Nach sieben Tagen lag die nüchtern bestimmte Ammoniakkonzentration in der Verumgruppe bei durchschnittlich 61,8 µmol/l, in der Placebogruppe dagegen bei 76,9µmol/l. Der mentale Zustand hatte sich in der Verumgruppe am stärksten bei Patienten mit hepatischer Enzephalopathie des Schweregrades 2 verbessert. 82 Prozent der Probanden zeigten bessere Leistungen als zu Beginn der Studie, in der Placebogruppe erreichten lediglich 22 Prozent ein besseres Ergebnis als vorher. Weniger deutlich fiel der Unterschied bei subklinischer Enzephalopathie aus. Lediglich bei 35 Prozent besserte sich der mentale Zustand, in der Placebogruppe waren es wiederum 22 Prozent.

Nach Angaben von Kircheis ist die perorale Gabe von L-Ornithin-L-Aspartat ähnlich effektiv wie die Infusion. Eine noch nicht veröffentlichte Studie mit 66 Probanden, die jeweils 18 Gramm der Substanz täglich peroral eingenommen haben, komme zu vergleichbaren Ergebnissen, wie die bereits in Hepatology publizierte Studie.

PZ-Artikel von Daniel Rücker, Bonn Top

 

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