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Wann lohnen sich Retouren?

31.08.1998  00:00 Uhr

-Wirtschaft & Handel

Govi-Verlag

Wann lohnen sich Retouren?

Die Treuhand Hannover Steuerberatungsgesellschaft hat Überlegungen angestellt, welche Faktoren die Wirtschaftlichkeit von Retouren an die pharmazeutischen Großhandlungen beeinflussen können. Denn abgesehen von Falschlieferungen durch den Großhandel und Rückrufaktionen der Pharmaindustrie schicken die Apotheken Waren an die Lieferanten zurück, die sie vor längerer Zeit oder nur zur Kundenansicht bestellt haben, jedoch nicht abverkaufen konnten.

Lagerbereinigungen stehen immer wieder auf der Tagesordnung, insbesondere um Ladenhüter rechtzeitig vor ihrem Verfall auszusortieren. Die Lagerbereinigungen verursachen jedoch betriebsintern einen Mindestarbeitsaufwand. Zusätzlich sind die mit den Lieferanten getroffenen Retourenregelungen zu beachten.

Das Für und Wider von Retouren

Der Großhandel stellt nach der seit 1996 wirksamen Änderung der Betriebsverordnung für Arzneimittelgroßhandelsbetriebe bestimmte Anforderungen an die Retouren- und Rückkaufabwicklung. Daher sollte vorneweg überlegt werden, was aus ökonomischer Sicht für und was gegen Retouren spricht.

Pro Retouren spricht einmal das beschränkte Platzangebot in den Schubladen und die begrenzte Lagerkapazität für Übervorräte. Um den Lagerumschlag zu erhöhen, sollten Ladenhüter zugunsten von neuen Artikeln eliminiert werden. Vermieden werden können so unnötige Lagerverluste (Zinsverluste, Verfall). Die zum Teil unkomplizierte Handhabung durch die Warenwirtschaftssysteme und die Verschiebung des Entsorgungsproblems sprechen gleichfalls für Rückverkäufe.

Kontra Retouren sprechen der Arbeitsaufwand für die Apotheke, Zustand und Verkehrsfähigkeit der Ware, die steigenden Abschläge bei längerer Lagerdauer, die kontinuierlich verkürzten Rückgabefristen, die eventuell schlechteren Rabatt- zugunsten guter Retourenkonditionen und die eventuell doch verkäufliche Ware (durch Substitution im Notdienst). Die Abschläge beim Rückkauf sind ein besonders wichtiges Gegenargument. Sie fallen regelmäßig nach höchst unterschiedlichen, abschlagsfreien Fristen an und führen zu einem finanziellen Verlust. Mit dem Abschlag finanziert der Großhandel die aufwendige Bearbeitung und Prüfung der Arzneimittel vor Wiedereinlagerung.

Rentabilitätsbetrachtungen

Im Durchschnitt hat eine Apotheke rund 6500 Positionen im Wert von je 33 DM auf Lager. In unserem Berechnungsbeispiel werden jährlich 600 Positionen im Wert von 20.000 DM aus dem Lager genommen und an den Großhandel retourniert. Pro Position setzen wir zwei Minuten als Arbeitsaufwand für eine Pharmazeutisch-Kaufmännische Angestellte (PKA) an. Ihr Gehalt beträgt durchschnittlich 0,50 DM pro Minute. Je Retoure fällt also 1 DM Personalkosten an. Hochgerechnet auf 600 Positionen wären dies 600 DM im Jahr. Hinzu kommen die Zinskosten für die Lagerdauer. Der Großhandel nimmt jedoch die Hälfte der Waren (300 Positionen) nur unter Abzug eines 30prozentigen Abschlags zurück. Hinzu kommt ein jährlicher Sollzinssatz von 8 Prozent und ein halbes Jahr durchschnittliche Lagerdauer. Daraus ergibt sich die folgende Modellrechnung:

Warenwert der Retouren 10.000 DM
30 Prozent Abschlag 3.000 DM
Erstattung 7.000 DM
minus Arbeitskosten 300 DM
minus Zinsen 400 DM
Rücknahmeergebnis 6.300 DM
Verlust 3.700 DM

Die Apotheke macht bei der Hälfte der Retouren also einen Verlust von 3.700 DM pro Jahr. Eine längere Lagerdauer als das angenommene halbe Jahr erhöht den Verlust aufgrund der zusätzlichen Zinskosten. Der Verlust könnte jedoch größer werden, wenn die Ware bis zu ihrer Vernichtung im Lager bliebe.

Ideal, aber nicht erreichbar ist natürlich ein zu 100 Prozent abverkaufsorientierter Einkauf, der Retouren gar nicht entstehen läßt. Ziel muß also sein, Verluste durch rechtzeitiges Handeln zu minimieren. Denn trotz eventueller Abschläge ist eine Lagerbereinigung in der Regel vorteilhafter. Bevor im Einzelfall entschieden wird, einen Artikel zurückzuschicken, empfiehlt sich jedoch eine genaue Abwägung auch anderer Faktoren. Wie sieht es mit der Verkaufschance und dem prozentualen Taxaufschlag des Arzneimittels aus? Welcher Rohgewinn ist zu erzielen?

Dazu eine Berechnung, wie lange ein Artikel theoretisch auf Lager liegengelassen werden kann, ohne eine wirtschaftliche Einbuße zu erleiden, ehe der Artikel verkauft wird. Mit der nachstehenden Formel wird die maximale (kritische) Lagerdauer eines Präparats unter Berücksichtigung der Sollzinsen (8 Prozent) und der Abschläge für Retouren ermittelt.

(Rohgewinn in DM - Abschlag in DM) : (Einkaufsspreis in DM x Sollzinssatz) = Lagerdauer

Bei der Lagerdauer handelt es sich um einen theoretischen Endpunkt. Danach wird ein möglicher Rohgewinn vom Abschlag sowie den Zins- und gegebenenfalls den Arbeitskosten gänzlich aufgezehrt. In der Praxis wird diese maximale Lagerdauer durch die Restlaufzeit (bis zum Verfall) eingegrenzt. Dazu ein Beispiel. Eine Arzneimittelpackung mit einem Nettoverkaufspreis von 30 DM hat eine maximale Lagerdauer ohne Abschlag von

(9,72 DM - 0,00 DM) : (20,27 DM x 8 Prozent ) = 6 Jahre

und bei einem 10prozentigen Abschlag von

(9,72 DM - 2,03 DM) : (20,27 DM x 8 Prozent) = 4 ¾ Jahre

Für jeden zusätzlichen Abschlag von 10 Prozent verringert sich die maximale Lagerdauer um jeweils eineinviertel Jahr bei einem Sollzinssatz von 8 Prozent.

Generell gilt: Je geringer der Sollzins und der Abschlagssatz sind, desto länger ist die maximale Lagerdauer. Sie reduziert sich, je geringer der prozentuale Taxaufschlag auf hochpreisige Arzneimittel ist. Einzubeziehen ist gleichfalls der Bearbeitungsaufwand in der Apotheke, da dieser gleichfalls die Lagerdauer verkürzt. Er wirkt sich zwar bei höheren Preisen nur geringfügig aus, doch gehen die absoluten Rohgewinne bei niedrigeren Preisen ab 10 DM zurück, so daß die Personalkosten immer mehr ins Gewicht fallen.

Konsequent sollten insbesondere Arzneimittelpackungen mit einem hohen Verkaufspreis möglichst noch vor dem Abzug von Abschlägen retourniert werden. Niedrigpreisige Packungen können dagegen (Haltbarkeit vorausgesetzt) länger gelagert werden. Bei sehr preiswerten Präparaten lohnt eine Retoure aufgrund der Bearbeitungskosten nicht mehr.

PZ-Artikel von Ursula Hasan-Boehme, Christian Meyer, Hannover

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