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Das Suchtgedächtnis löschen

Datum 15.04.2002  00:00 Uhr

Das Suchtgedächtnis löschen

von Stephanie Czajka, Berlin

Sucht wird gelernt. Was sich einmal im Suchtgedächtnis eingegraben hat, ist dauerhafter vorhanden und auf bestimmte Reize hin schneller präsent, als jede gebüffelte Latein-Vokabel.

Entsprechend schwer ist es, das Gelernte absichtlich zu vergessen, die vorhandenen Reizbahnen zu löschen. Doch genau daran arbeiten Wissenschaftler zurzeit. Das Suchtgedächtnis war Thema des Vortrags von Professor Dr. Jobst Böning, Universitätsklinik Würzburg, auf der Wissenschaftlichen Tagung der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie (DG Sucht) vergangene Woche in Berlin.

Wer gezwungen wird, Alkohol zu trinken, wird nicht süchtig. Abhängig wird nur, wer trinkt, um positive Effekte wie Euphorie zu erreichen oder wer negative Effekte wie Angst oder Stress vermeiden will. Anders als wenn man zum Beispiel eine Sprache lernt, findet diese Art der Gedächtnisbildung in evolutionsgeschichtlich sehr alten Hirnarealen wie dem basalen Vorderhirn statt. Dort sind feste Reiz-Reaktions-Muster festgelegt. Kommt es bei süchtigen Tieren zum Kontrollverlust, steuern für automatisiertes Verhalten zuständige Nervenbahnen das Verhalten. Der Substanzkonsum wird zwanghaft.

Nicht bei jedem Alkoholiker prägt sich auf diese Weise ein Suchtgedächtnis aus. Im Verlauf einer Suchtkarriere gibt es eine sensible Phase, in der sich die Wege von Vieltrinkern und unkontrollierten Trinkern mit Suchtgedächtnis trennen. An Ratten äußert sich der Unterschied darin, dass nach einer Entzugsphase ein Teil Chinin-vergällten Alkohol ablehnt, während Ratten mit Suchtgedächtnis ihn trinken.

Archaische Strukturen

Was sich einmal im Suchtgedächtnis eingegraben hat, ist also so stark verankert, dass auch Jahre nach Entgiftung und Entwöhnung bestimmte suchtmittelassoziierte Reize (cues) Reaktionen unabhängig vom Willen des Patienten auslösen können. Solche Reize können Geruch oder Anblick des Suchtmittels sein, aber auch Stress oder emotional besonders belastende Ereignisse.

Alkoholiker mit Suchtgedächtnis dürfen Böning zufolge daher keinesfalls "kontrolliert trinken". Schon kleine Dosen des Suchtstoffes können zwanghafte Handlungen auslösen. Diese Art der Therapie kann höchstens Vieltrinkern helfen.

Das Suchtgedächtnis gilt an sich als "löschungsresistent". Als eine der "größten Herausforderungen zukünftiger Suchtforschung und Suchttherapie" bezeichnete es Böning, ein Suchtgedächtnis möglicherweise doch eines Tages kausal durch einen "pharmako-verhaltenstherapeutischen Rückprägungsprozess" zu löschen.

Im Tiermodell wurde dies bei Opiatsucht bereits erreicht. Ratten erhielten Cortison, das auch bei starken emotionalen Erlebnissen ausgeschüttet wird und so die Drogenwirkung erleichtert. Die drogenabhängigen Ratten wurden also mit Cortison künstlich sensibilisiert und danach umgeprägt. Sie erhielten den Suchtstoff nicht als Belohnung in Reizsituationen sondern unabhängig vom Verlangen in forcierter Form. Eine ähnliche Therapiestudie wurde in Tübingen an heroinabhängigen Patienten begonnen.

Eine derartige Therapie kann möglicherweise den Kontrollverlust rückgängig machen, nicht aber das soziale Umfeld verändern. Pharmako- und Psychotherapie müssen nach wie vor ineinander greifen. Ethisch bedenklich könnte das Verfahren werden, wenn sich herausstellt, dass Menschen auf diese Weise einfach umgeprägt werden können.

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