Pharmazie

Guaraná, eine Liane aus dem Amazonas-Regenwald, ist bekannt als die
coffeinreichste Droge überhaupt. Die Maués-Indianer und die Brasilianer
verwenden sie als Heilmittel gegen viele Leiden.
Gewonnen wird Guaraná aus den Samen von Paullinia cupana H.B.K. var. typica
(Orinokogebiet) oder P. cupana H.B.K. var. sorbilis (Mart.) Ducke (Mauésgebiet).
Aufgrund des hohen Saponingehalts gehört die Paullinia zur Familie der
Seifenbaumgewächse (Sapindaceae). Die Samen bestehen aus konvexen
Kotyledonen, aus denen eine Paste, die Pasta Guaraná, hergestellt wird. Die zehn
bis zwölf Meter lange Kletterpflanze mit kleinen weißen rispigen Blütenständen
bringt dreifächrige rote Kapselfrüchte hervor. Die fünfteiligen Fiederblätter sind circa
20 Zentimeter lang. Als Kulturpflanze wird die Paullinia im tropischen Klima von
Brasilien, Venezuela und Paraguay angebaut. Zweimal im Jahr können die
haselnußgroßen Kapselfrüchte geerntet werden. Guaraná wird auch als
Brasilianischer Kakao oder Guaranábrot bezeichnet.
In Deutschland wird Guaraná vom Fachhandel für südamerikanische Ware verkauft.
80 Prozent der Ware kommt aus dem Maués-Gebiet. Pharmaunternehmen
verarbeiten die Rohprodukte zu Tees, Tabletten Kapseln, Pulvern und
Pflanzenextrakten. Das braune geruchlose Pulver schmeckt bitter, kakaoähnlich und
wirkt adstringierend. Isotonische Getränke, Kaugummis, Bier, pflanzliches Ecstasy
und Stimulantien enthalten Guaraná vor allem wegen des hohen Coffeingehalts.
Weiterhin findet man Guaraná in Dermatologika wie zum Beispiel Rasierschaum.
Nach Untersuchungen in den Jahren 1982 und 1989 von Henman und Hildreth
enthält der Samen Guaranin, ein Tetraxanthinderivat ähnlich dem Coffein. Es wird
angenommen, daß nach der alten indianischen Herstellungsmethode das Guaranin
erhalten bleibt und bei der industriellen Herstellung in Coffein umgewandelt wird.
Guaraná hat bei den Indianern ein sehr großes Anwendungsgebiet und darf in keiner
"Apotheke" eines Indianerstammes fehlen. 1669 wurde die Paullinia zum ersten Mal
von dem Jesuitenmissionar J. F. Bettendorf beschrieben. Maués-Indios bauen auch
heute noch an einem südlichen Nebenfluß des Amazonas die Paullinia als
Kulturpflanze an. Andere Völker im Amazonas- und Orinokogebiet sammeln die
Früchte der wildwachsenden Liane.
Hat der Medizinmann Guaraná verordnet, schabt man sich mit dem knochenharten,
rauhen Gaumen eines Piracuru-Fisches circa 1 bis 2 Gramm ab und löst dies in
Wasser. Das Mittel wird als Tonikum, Anregungsmittel, zur Unterdrückung des
Appetits, zur Linderung bei Fieber und Krämpfen, bei Durchfall,
Menstruationsbeschwerden, bei starker körperlicher Belastung und zur schnelleren
Genesung nach Erkrankung ausgegeben.
Guaranásamen enthalten etwa 4 bis 8 Prozent Coffein. Im Vergleich dazu findet man
in Kaffee circa 1 bis 2 Prozent gebundenes Coffein, im Tee bis zu 5 Prozent, und
Cola-Nüsse enthalten 2 bis 3 Prozent Coffein. Das Coffein in Guaraná wird
aufgrund der Gerbstoffbindung langsam freigesetzt, vom Körper entsprechend
resorbiert, demethyliert und oxidiert. Der hohe Anteil an Gerbstoffen erklärt den
Einsatz von Guaraná bei Diarrhoe. Die Gerbstoffe in Verbindung mit Saponinen
bewirken eine langsame Freisetzung der Tannine in den Darm und bieten einen
Retardschutz. Äußerlich werden Gerbstoffe bei der Wundbehandlung und bei
Entzündungen aufgrund ihrer antimikrobiellen Wirkung eingesetzt.
Bei Studien in Europa wurde Testpersonen entweder Guaraná oder eine
entsprechende Coffeindosis verabreicht. Es ist festzustellen, daß die Wirkung von
Guaraná nicht der von reinem Coffein entspricht. Die Studie von Bo Netterstrom
(Staatliches Krankenhaus Kopenhagen) belegt, daß Guaraná den Fibrinogengehalt
des Blutes senkt. Weiterhin berichteten die Guaranátestpersonen von dem Gefühl
eines Energieschubs.
Welche lnhaltsstoffe konkret für welche Wirkungen verantwortlich sind, ist bis jetzt
noch nicht geklärt. Auch steht noch eine Untersuchung darüber aus, ob und
inwieweit sich die Inhaltsstoffe in ihrer Wirkung gegenseitig beeinflussen.
PZ-Artikel von Nicole Ehmann, Marburg


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