Inhalierbare IL-12-mRNA zur Immuntherapie |
Theo Dingermann |
25.03.2024 16:30 Uhr |
Lungenkrebs ist eine der tödlichsten Krebsarten. Eine inhalierbare Therapie hätte den großen Vorteil, dass gesundes Gewebe dabei geschont wird. / Foto: Getty Images/da-kuk
Das Lungenkarzinom, eine der häufigsten Krebsarten weltweit, stellt aufgrund seiner niedrigen Überlebensraten eine große Herausforderung dar. Herkömmliche Behandlungen sind oft mit starken unerwünschten Wirkungen und begrenzter therapeutischer Wirksamkeit verbunden.
Forschende an der Columbia University in New York schlagen jetzt einen neuen immuntherapeutischen Ansatz zur Behandlung des Lungenkarzinoms vor. Dr. Mengrui Liu und Kollegen beschreiben im Wissenschaftsjournal »Nature Nanotechnology« extrazelluläre Vesikel, sogenannte Exosomen, in denen mRNA für Interleukin-12 (IL-12) eingekapselt ist und die durch Inhalation appliziert werden.
Natürlich vorkommende Exosomen sind interzelluläre oder extrazelluläre Vesikel, die wichtige Informationen in Form von kleinen RNA-Molekülen, bioaktiven Lipiden und Proteinen übermitteln. Als entscheidende Vermittler in der Zell-Zell-Kommunikation spielen sie eine wichtige Rolle in vielen Bereichen der Physiologie und bei Krankheiten.
In den Untersuchungen zeigte sich, dass die von den Forschenden konstruierten Vesikel nach Inhalation bevorzugt von Krebszellen in der Lunge aufgenommen werden, was eine gezielte lokale Verabreichung von Wirkstoffen ermöglicht und die systemische Toxizität deutlich verringert. Die IL-12-mRNA wurde nach Aufnahme in die Krebszellen zu IL-12 translatiert und in der Folge wurde die Mikroumgebung des Tumors in einen intensiven Aktivierungszustand versetzt. Dies steigert die Immunogenität des Tumors, was bedeutet, dass vermehrt zytotoxische Tumor-Immuneffektorzellen entstehen, sich ein Immungedächtnis bildet, Antigene besser präsentiert werden und ein tumorspezifisches T-Zell-Priming stattfindet.
Die Forschenden beluden aus humanen embryonalen Nierenzellen gewonnene Exosomen (HEK-Exo) durch Elektroporation mit IL-12-mRNA und behandelten mit diesen Partikeln (IL-12-Exo) tumortragende Mäuse.
Es zeigte sich, dass IL-12-Exo das Tumorwachstum in der Lunge der Mäuse drastisch unterdrückte. Die Behandlung war im Vergleich zu Liposomen, die mit IL-12-mRNA beladen waren (IL-12-Lipo), deutlich überlegen. Die mit IL-12-Exo behandelten Mäuse nahmen moderat an Gewicht zu, während die Tiere in der IL-12-Lipo-Gruppe deutlich an Gewicht verloren. Bei verringerter Tumorlast hatten IL-12-Exo-behandelte Mäuse im Vergleich zu IL-12-Lipo-Pendants entsprechend geringere Lungengewichte.
Auch die Überlebensrate konnte durch die Behandlung gesteigert werden: Die Tiere in der IL-12-Exo-Gruppe zeigten eine mittlere Überlebenszeit von etwa 42 Tagen, die Mäuse in der IL-12-Lipo-Gruppe von 30 Tagen und die Tiere in einer Kontrollgruppe von 21 Tagen.
Die Forschenden konnten auch zeigen, dass die Behandlung wie eine Impfung wirkt. So entwickelten die Tiere durch die lokale Verabreichung von IL-12-mRNA einen signifikanten Schutz gegen eine erneute Tumorerkrankung, was auf ihr Potenzial als wirksame Behandlung sowohl für primäre als auch für metastasierende Lungentumoren hinweist.
Von dem durch Exosomen verabreichten Wirkmolekül gelangte nur wenig in den Blutkreislauf, sodass in der Studie nur minimale Nebenwirkungen beobachtet wurden. Auch beeinträchtigte die Inhalation die normale Atmung nicht.
»Exosomen funktionieren wie Textnachrichten zwischen Zellen, sie senden und empfangen Informationen«, sagte der leitende Forscher Professor Dr. Ke Cheng, Professor für Biomedical Engineering an der Columbia University, gegenüber dem Nachrichtenportal »Medscape Oncology«. Exosomen könnten eine mRNA-basierte Behandlung lokal zu den Lungenkrebszellen bringen, im Gegensatz zu einer systemischen Chemotherapie, die Nebenwirkungen im gesamten Körper habe. Im Gegensatz zu einer Infusion brauche man für die Applikation einer Inhalation zudem kein medizinisches Fachpersonal, ergänzte der Wissenschaftler.
Trotz aller guten Nachrichten muss aber auch erwähnt werden, dass man sich hier noch weit vor der Klinik befindet. Cheng geht davon aus, dass erste Studien am Menschen innerhalb von fünf Jahren beginnen könnten.