Wirtschaft & Handel
Körpersprache
Serie Apotheke und Kommunikation
Stellen Sie sich folgende
Situation vor: Ein Kunde steht vollkommen reglos vor
Ihnen, während Sie ihm die Anwendung eines
Pulverinhalators erklären. Er verzieht keine Miene,
grüßt ausdruckslos und geht. Oder: Sie erkundigen sich
intensiv nach Wünschen und Symptomen des Kunden, dürfen
aber weder den Tonfall oder Gesichtsausdruck ändern,
noch die Hände bewegen. Sie würden vermutlich beide
Situationen als unangenehm empfinden und wären unsicher.
Die Bedeutung, Notwendigkeit und
Zwangsläufigkeit nonverbalen Verhaltens können uns
solche Szenen deutlich vor Augen führen. Es liegt an
uns, die Ausgestaltung unserer Mitteilungen vorzunehmen
und uns mit ihrer Interpretation zu beschäftigen. Die
ersten 30 Sekunden eines Gesprächskontaktes, in denen
noch keine bedeutenden Inhalte ausgetauscht werden, sind
für den weiteren Verlauf entscheidend. Der erste
Eindruck wird hauptsächlich von visuellen Reizen
hervorgerufen. Das menschliche Gehirn ist in
erstaunlichem Maß in der Lage, Bilder zu verarbeiten und
zu speichern. Jeder Computer übertrifft uns in der
Speicherfähigkeit von Schrift; in der Bildverarbeitung
und -erkennung erreicht er jedoch nicht einmal das Niveau
eines Einjährigen. Das Gehirn versucht mit Hilfe einer
ganzheitlichen, schnellen Bewertung die Situation als
angenehm oder unangenehm, vertrauenswürdig oder
risikoreich zu kategorisieren.
Dazu wird die Einrichtung und Beleuchtung der Apotheke,
die Kleidung, der optische Eindruck und auch die
Körpersprache des Personals herangezogen. Auf dem
HV-Tisch gestapelte Produkte können ,je nach Art der
Präsentation, Symbol für ein freundliches Angebot, ein
Verkaufen um jeden Preis oder einen Krämerladen sein.
Wir möchten zu Beginn des Kundenkontaktes eine
Vertrauensbasis zum Kunden herstellen, die durch unser
Verhalten anschließend verstärkt wird. Der Kunde soll
das Vertrauen, das er uns entgegenbringt, auf das
angebotene oder abgegebene Präparat übertragen. Unsere
Kenntnisse über die stoffunspezifische oder
Placebowirkung von Arzneimitteln belegen den hohen
Stellenwert der Erwartungshaltung geqenüber der
Therapie.
Ausdrucksformen
Die Mimik wird über das limbische System
kontrolliert. Von den 20 Muskeln, die für die mimischen
Veränderungen des Gesichts verantwortlich sind, haben
nur die Ringmuskeln der Augen und des Mundes sowie die
Kaumuskeln keine Ausdrucksfunktionen. Die Natur betreibt
also einen erheblichen Aufwand für unsere Mimik.
Besonders wichtig für den Verkauf ist das Lächeln, das
als unspezifisches Signal einen freundschaftlichen
sozialen Kontakt herstellen soll. Das Blickverhalten
läßt sich eher kognitiven Prozessen zuordnen. Wenn das
Gegenüber durch Denkprozesse, etwa die Vorbereitung
einer Antwort, beschäftigt ist, wird der Blick
abgewandt. Im allgemeinen schaut der Sprechende seinen
Partner weniger an als der Zuhörende. Schaut er ihn
wieder an, kann dies als Signal zum Sprecherwechsel
interpretiert werden. Wir sollten also den Kunden
anschauen, wenn er spricht, ihm aber Zeit geben, wenn er
nach etwas befragt auf die Seite oder nach oben blickt.
Die Gestik ist eng mit der Sprache verknüpft. Unsere
verbale Sprache soll sich aus einer Art Zeichensprache
entwickelt haben. Die Gestik kann das gesprochene Wort
betonen und die Aufmerksamkeit des Gegenübers steigern.
Bei schwierigen Themen oder solchen, die hohe
Sprechplanung erfordern (etwa Unterhaltung in einer
Fremdsprache), wird mehr gestikuliert. In Rhetorikkursen
wird der Einsatz von Gestik oft trainiert, da mit ihr
leichter bewußt gesteuert werden kann.
Die Körperhaltung des Apothekenpersonals kann Hinwendung
zum Kunden und Interesse ausdrucken. Nabel und Nase
sollten hierzu in gleicher Richtung auf ihn deuten. Der
Oberkörper sollte leicht nach vorne gebeugt sein. In
manchen modernen Apothekeneinrichtungen stehen die
raumgreifenden HV-Tische nicht mehr zwischen Personal und
Kunden. Das kann sich durchaus negativ auswirken, wenn
der Kunde sich in seiner persönlichen Sphäre bedroht
sieht und die von ihm als angenehm empfundene Distanz
durch Rückzug wiederherstellt.
Gesprächssituationen besser einschätzen
Nonverbales Verhalten wird vom Gegenüber meist
unbewußt wahrgenommen. Der Empfänger solcher
Botschaften versucht, die Signale einzuordnen, um ein
möglichst vollständiges Bild der Situation zu erhalten.
Einzelne Signale sind nicht eindeutig und können leicht
falsch interpretiert werden. Apotheker sollten die
Möglichkeiten und Grenzen der Körpersprache kennen. Die
beobachtete Körpersprache im täglichen Kundengespräch
erhöht die Chance, Konflikte oder Mißverständnisse
früher zu erkennen. Dabei sollte man sich zuerst der
eigenen nonverbalen Signale bewußt werden, um die
Zeichen anderer genauer zu registrieren und
interpretieren.
Ein Apotheker will weder schauspielern noch durch
Körpersprache manipulieren. Er kann und soll sich nicht
zu intensiv im Training körpersprachlicher
Ausdrucksformen engagieren, da sonst zwangsläufig die
Authentizität seines Verhaltens leidet. Er darf sich
aber seine eigenen körpersprachlichen Signale mit den
damit verbundenen Gefühlen und die Signale der Kunden
bewußter machen. Eine bessere Einschätzung von
Gesprächssituationen kann der Lohn sein - nicht nur bei
Kundenkontakten.
PZ-Artikel von Thomas Wurm, Passau
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