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Roche ist in Deutschland gut positioniert

23.10.2000  00:00 Uhr

Roche ist in Deutschland gut positioniert

von Erdmuthe Arnold, Frankfurt am Main

Drei Jahre nach der Akquisition von Boehringer Mannheim ist der Roche-Konzern wieder schuldenfrei, liquide und bereit, neue, strategische Allianzen einzugehen und Investitionen zu tätigen. Deutschland ist zum zweitwichtigsten Standort geworden, an dem in Mannheim, Penzberg, Grenzach und Eppstein insgesamt 11.850 Mitarbeiter beschäftigt sind. In diesem Jahr werden hier insgesamt 470 Millionen DM investiert, wie der Konzernleitungsvorsitzende und Pharmachef Dr. Franz B. Humer in einer Pressekonferenz am 20. Oktober hervorhob.

Dank des um 19 Prozent auf 4.537 Millionen Franken gesteigerten Diagnostikageschäfts entwickelte sich der Konzernumsatz in den ersten neun Monaten 2000 um 10 Prozent auf 20.317 Millionen Franken. Bedeutendstes Standbein bleibt aber das Pharmageschäft mit 13.065 Millionen Franken (plus 9 Prozent). 2.715 Millionen Franken (minus 1 Prozent) wurden mit Vitaminen und Feinchemikalien umgesetzt. In diesem Bereich wirkte sich das Kartellverfahren gegen Roche, BASF, Merck und andere negativ aus.

Bewusst setzt der Konzern laut Humer in Forschung und Entwicklung aber auch im Marketing künftig Prioritäten mit dem Ziel, jedes Jahr zwei neue Produkte einzuführen. So befinden sich derzeit verschiedene Wirksubstanzen in der Einführungsphase, wie Pegasys zur Behandlung der chronischen Hepatitis C, Herceptin für metastasierenden Brustkrebs (in USA bereits eingeführt), Mabthera gegen rezidivierenden, niedrig malignen Lymphdrüsenkrebs (in Europa und USA zugelassen), Xeloda gegen metastasierenden Darm- und Brustkrebs (in USA zugelassen) und Tamiflu zur Grippetherapie. Zum Teil sind Indikationserweiterungen beantragt. So etwa soll Xenical in Europa und USA für die Therapie des Diabetes II eingeführt werden, um den Patienten eine Erstattung durch die Krankenkassen zu ermöglichen.

Interessant war hier der Hinweis auf eine laufende Praxisstudie mit über 15.000 Patienten, die sich darauf konzentriert, Patienten so zu unterstützen, dass sie ihre Therapie optimal nach Art und Länge durchführen. Darüber hinaus läuft eine Studie mit 800 übergewichtigen Ärzten, deren Ergebnis im Frühjahr 2001 vorliegen soll. Einräumen muss Roche nämlich, dass wie bei anderen Reduktionstherapien die Zahl der Abbrecher (nach zwei Monaten) doch relativ hoch ist, obwohl die Therapie erst nach drei Monaten gute Ergebnisse präsentieren würde.

Insgesamt sieht der Konzernchef auf Grund der Pipeline mit großer Zuversicht in die Zukunft und erwartet auch 2001 wieder ein über dem Marktdurchschnitt liegendes Wachstum. Zugleich beklagte Humer die innovationsfeindliche Budgetsituation im Gesundheitswesen, die zu einer Unterversorgung in bestimmten Therapiebereichen (wie Alzheimer, Hepatitis, Krebstherapie) geführt habe.

Apotheker stärker einbinden

Der Vorstandsvorsitzende der Hoffmann-La Roche AG in Grenzach, Dr. Karl H. Schlingensief, der die Position Roches im Pharmamarkt Deutschland näher beschrieb, rechnet bis zum Jahresende mit einem Umsatzanstieg um 2 Prozent auf 1,08 Milliarden DM plus 85 Millionen DM parallelimportierter Roche-Präparate. Mit einem Marktanteil von 3,8 Prozent belege das Unternehmen Platz 6 (die Stellung von Glaxo-SmithKline noch nicht berücksichtigt). Die Reimporte, so Schlingensief, seien für das Unternehmen nicht zuletzt aus Gründen der Arzneimittelsicherheit ein Ärgernis. Er verwies in diesem Zusammenhang auf 200 Verfahren, die derzeit gegen Reimporteure laufen.

Die größten Umsatzzuwächse wurden mit Herceptin, NeoRecormon, MabThera, CellCept, Dilatrend und Bondronat erzielt. Unzufrieden ist Schlingensief mit der Umsatzentwicklung mit Xenical. Nur 4,5 Millionen der 19,1 Millionen Übergewichtigen sollen überhaupt therapie- und zahlungsbereit sein, wie eine Studie ergab.

Deswegen sollen neue Schwerpunkte bei der Betreuung und Optimierung der Therapiedauer gesetzt werden, so auch durch eine verstärkte Einbindung der Apotheker in ein Patientenprogramm. Denn die bereits erwähnte Praxisstudie habe ergeben, dass bei einer effektiven Gewichtsreduktion um 11 Prozent eine Blutdrucksenkung um 13 mmHg, Blutzuckersenkung um 15 Prozent und eine Verbesserung der Blutfette (LDL minus 12 Prozent und HDL plus 11 Prozent) erreicht werde.

Integrierte Versorgung als Unternehmensziel

Die Marktführerschaft konnte gemäß den Ausführungen des Vorsitzenden der Geschäftsführungen Roche Diagnostics und Corange Deutschland Holding, Dr. Jürgen Schwiezer, in allen vier Geschäftssegmenten – Molekulare Systeme, Molekulare Biochemika, Laborsysteme und Patientenbetreuung – ausgebaut werden.

Während der gesamte Diagnostikamarkt in Deutschland 2000 um 1 Prozent auf 3.080 Millionen DM wachse, werde Roche einen Umsatzzuwachs um 9 Prozent erreichen und mit großem Abstand einen Marktanteil von 31 Prozent halten, vor den anderen großen Anbietern Abbott (11 Prozent), Bayer (9 Prozent) und Dade Behring (8 Prozent). Es seien über 350 neue Arbeitsstellen im Diagnostikabereich geschaffen worden.

"Integrierte Gesundheitslösungen" ist künftig ein Ziel Roches in Diagnostik und Therapie angesichts der neuen diagnostischen Möglichkeiten und Aufklärung von genetisch bedingten Krankheitsursachen. Dies macht, so die Ausführungen Schwiezers und Humers, eine Überwachung des Therapieerfolgs einschließlich der Patienten-Selbstkontrolle unerlässlich, zumal die Bezahlbarkeit von Erkrankungen künftig eine immer wichtigere Rolle spielen wird. Schwiezer nannte hier als Beispiel die jährlichen Kosten von 2000 DM für einen gut eingestellten Diabetiker und von 6000 DM und mehr eines schlecht eingestellten Patienten. Die zusätzlichen Folgeschäden nicht mitgerechnet.

Biotechnologische Produkte würden darüber hinaus neue Trends in der Diagnostik setzen. So könnten mit einfachen und breit anwendbaren Technologien, wie zum Beispiel der Polymerase-Kettenreaktions-Technologie (PCR), standardisierte diagnostische Nachweismethoden für Chlamydien, dem HI-Virus, Hepatitis C-Virus und Tuberkulose angeboten werden. Top

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