Wirtschaft & Handel

Pharmasektor funktioniert in Rußland
Eine neue Situationsanalyse des russischen Pharmamarktes belegt wachsenden Wettbewerb und neues technisches Niveau und Umsatzwachstum in den 19000 Apotheken. Schieflagen werden vor allem im Großhandelsmarkt festgestellt.
Die ersten Ergebnisse der Studie präsentierte die pmi-Verlagsgruppe auf einer Rußland-Tagung in Frankfurt am Main. Erstellt wurde sie in Zusammenarbeit mit TACIS (International Fonds for Technical Assistance CIS), der Moskauer Finanzakademie, verschiedenen Institutionen der EU und dem russischen Gesundheitsministerium unter Beteiligung von pmi und Universimed Moskau.
Für Professor Dr. Andrej Judanov von der Staatlichen Finanzakademie in Moskau ist nach fünf Reformjahren der Pharmamarkt ein marktwirtschaftlich funktionierender Sektor mit aktivem Wettbewerb. Etwa 300 russische Pharmahersteller und 400 ausländische Firmen bieten Arzneimittel an. Einige Präparate sind inzwischen in 40 bis 50 generischen Versionen vertreten.
Die 3000 im Pharmagroßhandel engagierten russischen Firmen beschränken sich auf die Bestseller. Dabei kann eine Apotheke allerdings nicht sicher sein, ob sie die angebotenen Arzneimittel auf Bestellung auch erhält. Werbeunterstützung seitens des Herstellers ist eine wichtige Voraussetzung, um ins Großhandelslager beziehungsweise Konsignations- oder Zollager aufgenommen zu werden.
Apotheken technisch gut ausgerüstet In den 19000 russischen Apotheken hat innerhalb der letzten zwei Jahre eine technische Revolution stattgefunden. 63 Prozent finden per Modem im Computernetz die benötigten Informationen und geben ihre Bestellung über dieses Medium auf. Für die Betriebe ist Lieferschnelligkeit der Arzneimittel zum wichtigen Kriterium geworden. In Moskau wird eine Apotheke von 58 Lieferanten bedient (früher nur über ein Staatslager). Der Direktbezug bei den Herstellern ist für Apotheken durchaus interessant, da sie solchermaßen neben dem von der Firma gewährten Rabatt und ihrem Handelsaufschlag von 10 Prozent den des Großhandels gleichfalls vereinnahmen können. Patienten, die in keine der Ausnahmegruppen gehören, denen bestimmte Arzneimittel aus der stark eingeschränkten Positivliste kostenfrei oder zu einem Rabatt von 54 Prozent verordnet werden, kaufen ihre Arzneimittel dort, wo sie für sie am billigsten sind. Wettbewerb zwischen den Apotheken ist also gleichfalls gegeben. In Moskau setzen sie im Monat durchschnittlich 102000 Dollar um.
Professor Dr. med. Alexander J. Malyi von der 3. Moskauer Medizinischen Universität ist sicher, daß sich von den 3000 Großhandlungen letztendlich 20 bis 30 den Markt teilen werden. Es herrscht eine äußerst harte Konkurrenz. Die 15 größten Händler erzielen einen Jahrsumsatz von 20 bis etwa 50 Millionen DM. Sie führen ein Sortiment von 100 bis maximal 2500 Artikel und bevorzugen dabei westliche Pharmahersteller, große russische und auslänische Handelsfirmen als Partner.
Ein Dorn im Auge der Fachkreise ist nach wie vor die Werbung für Arzneimittel, die seit Glasnost und Auflösung der Sowjet Union ihre Urständ feiert. Da fast jeder, der will und kann, als Pharmagroßhändler auftritt und gerade diese namens der Importeure, Hersteller und Vertreiber massiv für Arzneimittel werben, passieren in der Werbetätigkeit viele gravierende Folgen. Der Geschäftsführenden Gesellschafterin des Universimed Verlags in Moskau und Herausgeberin der medizinischen Fachzeitschrift Top Medizin Rußland lag daher sehr daran, die westlichen Unternehmen für diese negative Entwicklung zu sensibilisieren. Die Werbung nach westlicher Machart mache die Russenseele inzwischen auch sehr mißtrauisch. Dies gelte gerade auch für die Werbung im Fernsehen oder Werbeplakate in Metro-Unterführungen. Als Konsequenz entwickele das Komitee für Medizinische Ethik nunmehr Informationsstandards für alle Arzneimittel und diskutiere ein Werbeverbot für alle Arzneimittel durch Großhändler.
PZ-Artikel von Erdmuthe Arnold, Frankfurt am Main © 1996 GOVI-Verlag
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