Bayer kämpft an vielen Fronten |
26.05.2003 00:00 Uhr |
Lipobay-Skandal, Import-Prozesse und Vorwürfe gegen ein Blutermedikament des Konzerns: Die Bayer AG kämpft derzeit an vielen Fronten.
Als „unbegründet“ hat Bayer eine neue Klage im Zusammenhang mit Lipobay/Baycol bezeichnet, die kürzlich in Corpus Christi im US-Bundesstaat Texas eingereicht worden war. Ein Unternehmenssprecher sagte, die Klage sei von den selben Anwälten erhoben worden, die in ähnlichen Verfahren bereits am 18. März in Corpus Christi unterlegen gewesen seien. Die amerikanischen Anwälte versuchten lediglich, die gleichen Argumente, mit denen sie sich seinerzeit nicht vor Gericht hätten durchsetzen können, einem anderen Geschworenen-Gremium in neuer Verpackung vorzulegen. Bayer vertrete die Auffassung, dass das Verfahren abgewiesen werden müsse.
Das Unternehmen hatte kürzlich mitgeteilt, dass die Zahl der Lipobay/Baycol-Klagen in den USA gegen Bayer auf 8800 gestiegen sei. In 785 Fällen habe sich Bayer ohne Schuldeingeständnis mit den Klägern außergerichtlich geeinigt. Hierfür habe das Unternehmen eine Summe von 240 Millionen US-Dollar (rund 210 Millionen Euro) ausgegeben.
Hoffnung im Import-Streit
Im Streit um Parallelimporte preisgünstigerer Arzneimittel innerhalb der EU hat der Gutachter beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) Bayer gestützt. Der Leverkusener Konzern hatte Parallelimporte des Herzmittels Adalat in den frühen 90er Jahren nach Großbritannien verhindert.
Der Generalanwalt des Luxemburger Gerichts, Antonio Tizzano, schlug in seinem Schlussantrag vor, die Berufung der EU-Kommission gegen ein Urteil des EU-Gerichts aus erster Instanz abzulehnen. In diesem Urteil vom Oktober 2000 hatte das EU-Gericht ein EU-Bußgeld gegen Bayer von 3 Millionen Euro gekippt. Das Gericht sah damals angebliche Absprachen als nicht bewiesen an.
Der Generalanwalt stützte nun mit seinem Gutachten diesen Kurs. Der EuGH ist zwar nicht an Gutachten gebunden, hält sich aber in der Praxis häufig an diese Empfehlungen. Ein Urteil wird in einigen Monaten erwartet.
Von 1989 bis 1993 lagen die Preise für Adalat in Frankreich und Spanien weit unter den Preisen in Großbritannien. Diese Preisunterschiede von etwa 40 Prozent veranlassten die Großhändler in Spanien seit 1989 und in Frankreich seit 1991, große Mengen Adalat nach Großbritannien auszuführen. Wegen dieser so genannten Parallelimporte entstanden der britischen Bayer-Tochter Umsatzverluste. Der Bayer-Konzern änderte daraufhin seine Lieferpolitik und erfüllte die Bestellungen der spanischen und französischen Großhändler nur noch in Höhe ihres herkömmlichen Bedarfs. Nach Beschwerden betroffener Großhändler erließ die Kommission am 10. Januar 1996 eine Entscheidung, in der sie Bayer aufforderte, ihre angeblich gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft verstoßende Praxis zu ändern und verhängte gegen Bayer die Millionen-Geldbuße. Nach der Strafentscheidung beschritt Bayer den Rechtsweg.
„New York Times“ wittert Skandal
Bayer hat einen Bericht zurückgewiesen, wonach er in den 80-er Jahren ein Blutgerinnungsmittel mit erhöhtem Aids-Risiko nach Lateinamerika und Asien verkauft hat, obwohl bereits ein sichereres Produkt erhältlich gewesen sei. Die „New York Times“ hatte berichtet, die Bayer-Tochter Cutter Biological habe das mit dem Aids-Virus belastete Medikament für Bluter noch ein Jahr verkauft habe, obwohl es bereits im Februar 1984 eine sicherere Variante vorgestellt habe.
Konzernsprecher Michael Diehl sprach von „alten Vorgängen“ und wies das in dem Artikel unterstellte Fehlverhalten beim Vertrieb von verunreinigten Blutplasma-Produkten Mitte der 80er Jahre zurück. Die Entscheidungen der damaligen US-Tochter Cutter - wie auch der anderen Anbieter solcher Produkte - hätten auf den vor knapp 20 Jahren verfügbaren besten wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie dem Stand der Technik basiert und hätten im Einklang mit den damals gültigen Vorschriften gestanden.
Insgesamt gebe es noch sieben Klagen von Betroffenen aus den USA und anderen Ländern gegen Bayer in Zusammenhang mit dem Blutgerinnungsmittel. Das Unternehmen hoffe aber, mit ihnen noch einen Vergleich schließen zu können. Die in der “New York Times” zitierten Dokumente hätten schon 1984 vorgelegen.
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