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ooperationskonzepte im Apothekenmarkt

31.05.1999  00:00 Uhr

-Wirtschaft & HandelGovi-Verlag

MARKETINGGEMEINSCHAFTEN

Kooperationskonzepte im Apothekenmarkt

von Burkhard Strobel, Worms

Künftige Kooperationsnetze mit Apotheken sind zwischen vielen unterschiedlichen Partnern denkbar. Eine systematische Analyse aller Formen würde diesen Beitrag allerdings sprengen. Im folgenden soll daher nur auf diejenigen Netzbildungen eingegangen werden, die bereits heute im Ansatz machbar sind. Das sind neben lokalen Netzen am konkreten Standort der Apotheke, Marketinggemeinschaften der Apotheken und großhandelsorientierte Apothekengruppen.

Eine Systematisierung der Kooperationsnetze könnte nach vielen Kriterien erfolgen. Unterschieden wird in der Analyse der Fachhochschule Worms:

o nach der Zugehörigkeit zu einer Wirtschaftsstufe. So gibt es zum einen horizontale Kooperationen, also auf Apotheken- beziehungsweise auf Großhandelsebene stattfindende Gruppierungen, und zum anderen vertikale Kooperationen zwischen Großhandel und Apotheken beziehungsweise Industrie und Apotheken. Im letzteren Bereich operiert die Marketinggesellschaft Deutscher Apotheker bereits erfolgreich.

o nach dem Sortiments- und Leistungsangebot der Partner. Von den verschiedenen Apotheken-, Gesundheits- sowie Handels- und Dienstleistungskooperationen wird nachfolgend noch die Rede sein.

o nach der regionalen Verbreitung der Partner. In diesem Bereich sind die regionalen Kooperationen, wie etwa die lokalen Standortnetze, und die nationalen oder gar internationalen Gruppen zu nennen.

o nach der Dauer der Kooperation. Neben einer sporadische Zusammenarbeit der Partner gibt es auch dauerhafte, strategische Allianzen.

Lokale Standortnetze

Die sporadische Zusammenarbeit von Apotheken mit unterschiedlichen Partnern (Ärzten, Kassen, Sanitätshäusern) hat bereits lange Tradition. Aber seit einigen Jahren mehren sich die Berichte von Apotheken, die auf unterschiedliche Art und Weise planmäßig ein strategisches Netzwerk aufbauen, mit dem Ziel, bestehende Kunden besser zu versorgen und damit an die Apotheke zu binden sowie um neue Geschäftsfelder abzudecken und dadurch neue Kunden zu gewinnen.

Solche Netzwerke können als Dienstleistungs-, Sortiments- und Betreuungsnetzwerke (Leistungsnetze) einerseits und als Informationsnetzwerke andererseits beschrieben werden.

o Dienstleistungsnetzwerke haben das Ziel, dem Apothekenkunden eine umfassende Palette an Serviceleistungen anzubieten, zu empfehlen oder nachzuweisen. Die Apotheke ist dabei die zentrale Anlaufstelle. Gegenstand können alle Dienstleistungen im Gesundheitsbereich sein, vom Geräteverleih über die Krankenpflege bis zum Nachweis von Fachärzten, speziellen Kuren, Selbsthilfegruppen oder Sportaktivitäten.

o Sortimentsnetzwerke werden gebildet, um den Bereich der angebotenen Waren um die Sortimente zu ergänzen, die Apotheken aus rechtlichen Gründen nicht führen dürfen, wegen mangelnder Kapazität nicht führen können oder wegen fehlender Kompetenz nicht führen wollen. Diese Ergänzungen können sehr eng geknüpft sein, wenn Großhandel oder Merchandiser bestimmte Freiwahlsortimente in der Apotheke (im sogenannten Rack-Jobbing) betreuen. Sie können durch Partnerschaften benachbarter Branchen am gemeinsamen Standort sich gegenseitig ergänzen (Haus der Gesundheit) oder auch nur empfehlenden oder informierenden Charakter haben.

o Betreuungsnetzwerke schließlich umwerben spezielle Kundenzielgruppen durch besondere Sortiments-, Belieferungs-, Beratungs- und Informationsleistungen. Betroffen sind dabei nicht unbedingt nur Patienten- oder Rehabilitations-Gruppen, sondern auch das weite Feld der gesundheitsbewußten Zielgruppen, die in ihrer besonderen Lebensform unterstützt werden.

o Kommunikationsnetze haben das Ziel, die Kunden effizient und kostengünstig zu erreichen. Dabei sind hier gemeinsame Aktionen mit einer Vielzahl von Unternehmen und Organisationen denkbar. Zu wenig beteiligen sich Apotheken an Aktionen von Werbegemeinschaften, zu wenig werden gemeinsame Aktionen mit Vereinen oder anderen Fachhandelspartnern zu konkreten Themen veranstaltet. Nur vereinzelt finden sich Gemeinschaftsaktionen der Apotheker zu Gesundheitsthemen.

Die möglichen Partner für die Netzwerke sind ebenso vielfältig wie die Netzwerkaufgaben. Im Handelsbereich sind die Apothekenkollegen ebenso mögliche Partner wie benachbarte Branchen (Sanitätshäuser, Reformhäuser, Drogeriemärkte) oder völlig fremde Bereiche (Sportgeschäfte, Buchhandel). Je enger die Sortimentsverwandtschaft, um so vielfältiger die möglichen Gemeinschaftsaufgaben - je problematischer aber auch die Wettbewerbsvermeidung.

Als Dienstleistungs- und Betreuungspartner stehen natürlich die Ärzte und sonstigen Heilberufe an erster Stelle. Hinzu kommen Rehabilitationszentren, Pflegedienste und Altenheime, Patientenbetreuer und Krankenkassen, Sportvereine und Schulen bis hin zu Fitneß-Studios.

Solche Kooperationen am konkreten Standort finden schon jetzt häufig statt. Was ihnen meist fehlt, ist die systematische Verknüpfung von sporadischen Aktionen zu Netzwerken, die der Apotheker initiiert, organisiert und kontrolliert.

Marketing-Gemeinschaften  der Apotheken

Es gibt bereits viele Apotheken, die bereit sind, Entscheidungskompetenz abzugeben, um gemeinsam effizienter im Markt aufzutreten. Das zeigen die zur Zeit existierenden Gemeinschaften. Andere Branchen zeichnen den Weg solcher Gruppierungen vor. Erkennbar sind dabei Tendenzen der Expansion bestehender Gruppierungen durch neue Mitglieder und Gründung neuer Allianzen sowie durch eine Intensivierung der Aufgabenfelder der Gruppen:

Kooperationen werden künftig wesentliche Aufgaben der Apothekenführung übernehmen oder unterstützen. Dies reicht von Schulungen und Beratungen über Betriebsvergleiche bis hin zu gemeinsamen Warenwirtschaftssystemen.

Ein Teil der Apotheken wird in zunehmendem Umfang in das Warengeschäft einsteigen mit dem Ziel, im OTC- und Ergänzungssortiment die wesentlichen Lieferanten zu listen und mit ihnen besondere Konditionenvereinbarungen zu treffen. In den Bereichen des Ergänzungssortimentes und der Importe werden diese Gruppen zunächst durch Aktionen in dieses Geschäft einsteigen. In ferner Zukunft sind sogar Eigenmarken für bestimmte Sortimentsbereiche denkbar. Möglicherweise werden die Apotheken einer Gruppe verstärkt unter einem einheitlichen Logo auftreten, um ihre Aktivitäten gemeinsam effizienter gestalten zu können.

Allerdings sind hier noch erhebliche Widerstände der Apotheken zu überwinden. Ein vollständig vereinheitlichter Marktauftritt im Sinne eines Franchise ist dabei zunächst auszuschließen.

Das MGDA-Konzept

Erfreuliche Fortschritte sind allerdings in gemeinsamen Aktivitäten von Industrie und Apotheke zu beobachten. Ein Teil der Apotheken wird sich in zunehmendem Umfang für die Ziele und das Konzept der MGDA (Marketing-Gesellschaft Deutscher Apotheker mbH) einsetzen*). Die von dem Deutschen Apothekerverband und den Landesapothekerverbänden gegründete Gesellschaft ist dabei in einer übergeordneten Rolle als neutraler Mittler zwischen Apotheken und Industrie zu sehen.

Ziele der MGDA sind, die Fach- und Beratungskompetenz der Apotheken herauszustellen und den Vertriebsweg Apotheke sowohl im Bewußtsein der Verbraucher als auch bei der Industrie zu stärken. Damit soll die Selbstmedikation in Apotheken gesichert werden.

Für die Umsetzung der Marketingmaßnahmen signalisieren die Apotheken verstärkt neben dem roten Apotheken-A mit einem weiteren Markenzeichen die Aufforderung "Gesundheit aus der Apotheke – Sicherheit durch Beratung" an die Verbraucher. Gemeinsam mit der Industrie werden für die Produkte in der Selbstmedikation Beratungsaktionen durchgeführt. Apothekenkunden wird in möglichst vielen Apotheken in einem festgelegten Zeitraum einheitlich die Beratungskompetenz für ausgewählte Indikationen angeboten. Für diese Beratungsaktionen stellt die MGDA gemeinsam mit den Industriepartnern Hilfsmittel für Schaufenster, Warenpräsentation, Mitarbeiterschulung und Verbraucherwerbung zur Verfügung.

Großhandelsorientierte Gruppen

Problematisch wird es sein, eine Apotheke ausschließlich an einen Großhandelspartner zu binden. Das Modell einer sogenannten freiwilligen Kette, bei der ein Einzelhändler ausschließlich (oder doch zum großen Teil) seine Bezüge über einen Großhändler deckt und dafür von diesem eine bevorzugte Behandlung in Kondition und Service erfährt, wird eine Abwandlung erfahren.

Dennoch werden die Großhandelsunternehmen überlegen, wie sie ihre wichtigen Apothekenkunden noch enger an sich binden können. Erfahrungen der Vergangenheit mit Clubs, besonderen Apothekentypen oder Verkaufsförderungsaktionen waren nicht nachhaltig genug. Ein umfassenderes Kundenbindungskonzept sollte – ähnlich wie bei den Marketing-Gemeinschaften beschrieben – alle Facetten der Betriebsführung und des Marketings einschließen.

Dabei erleichtert es möglicherweise die Akquisition von kooperationswilligen Apothekern, wenn diese Kooperation formal eine eigene Organisation erhält, bei der die Apotheker auch an den Entscheidungsprozessen beteiligt sind.

Anschrift des Verfassers:

Dr. Burkhard Strobel, Professor der Fachhochschule Worms
Braeunigstraße 33
67550 Worms

*) Die Anmerkungen zur MGDA wurden von Ernst Maurer, Darmstadt, übernommen, dem ich für seinen Beitrag herzlich danke.Top

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