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Sanacorp wartet auf den 13. Juli

10.05.2004  00:00 Uhr
Bundesgerichtshof

Sanacorp wartet auf den 13. Juli

von Thomas Bellartz, Karlsruhe

Im seit mehr als vier Jahren dauernden Verfahren um die Mehrheitsübernahme der Sanacorp bei der Anzag hat der Bundesgerichtshof am Dienstag mündlich verhandelt. Das Urteil des Kartellsenats wird am 13. Juli verkündet. Bei der Sanacorp gab man sich nach dem Termin zuversichtlich.

Rund zwei Stunden dauerte die Verhandlung in Karlsruhe. Hintergrund ist die vom Bundeskartellamt untersagte Übernahme eines rund 25-prozentigen Anzag-Aktienpakets von der DZ Bank durch die Sanacorp. Das OLG Düsseldorf hatte bereits vor mehr als Jahr der Untersagung durch die Kartellbehörde eine Abfuhr erteilt und der Sanacorp damit grünes Licht gegeben. Gegen die OLG-Entscheidung hatte das Bundeskartellamt wiederum Einspruch eingelegt. Nun ist die Angelegenheit schließlich beim BGH gelandet. Wie verzwickt nicht der Rechtsstreit ist, verdeutlichten die Einlassungen der beiden Parteien.

Für das Kartellamt unterstellte der Leiter der Prozessabteilung, Jörg Nothdurft, dem OLG, bei seiner Entscheidung einige wesentliche Punkte nicht berücksichtigt zu haben. Zudem seien den OLG-Richtern handwerkliche Mängel bei der Urteilsfindung unterlaufen. Nothdurft: „Das OLG hat nicht die richtigen Fragen gestellt.“ Insbesondere bei der Fragestellung zur möglicherweise marktbeherrschenden Stellung nach einem Anzag-Sanacorp-Zusammenschluss in einzelnen Regionen, insbesondere in Südbaden und Südwürttemberg, habe das OLG als Beschwerdegericht nicht die Thematik der Marktbegrenzung als Hilfskriterium gewertet, sondern diesem eine andere Bedeutung beigemessen.

Nothdurft wies darauf hin, dass insbesondere im Südwesten der Republik, dem Stammland der Sanacorp, die Apotheken besonders auf eine hohe Lieferbereitschaft setzten. Wenn aber aus den dort dominanten Lieferanten Sanacorp und Anzag nach der Fusion ein einziger Anbieter werde, habe dies Folgen für die Angebotsvielfalt. Das OLG Düsseldorf hätte nach Ansicht des Kartellamts die Frage klären müssen, ob ein Mitbewerber „auch aus Stuttgart oder Karlsruhe in die Festung der Beteiligten eindringen würde“. Nothdurft kritisierte, dass sich die Sanacorp verweigert habe, Zugeständnisse beispielsweise zur Aufgabe eines Standortes zu machen, um dieses Problem zu klären.

Rätselhafte Konstellation

Dass die DZ Bank als Finanzinvestor ihre Anteile an der Anzag an die Mitbewerber Celesio und Phoenix verkauft habe, führe zu einer „seltsamen Konstellation“. Nothdurft: „Das gibt mir Rätsel auf.“ Er verwies auf ein „größeres Bußgeldverfahren“, das das Bundeskartellamt gegen Sanacorp, Anzag, Phoenix und Celesio wegen möglicher Rabattabsprachen führe. Nach Angaben Nothdurfts laufe es derzeit in diesem Verfahren „nicht auf eine Einstellung hinaus“.

Rechtsanwalt Dr. Rainer Kögel, der für die Sanacorp das Wort ergriff, erläuterte den „hoch kompetitiven Wettbewerb“ im deutschen Pharmagroßhandel. Das Kartellamt habe bislang beispielsweise die große Dynamik und Optimierung im technischen und logistischen Bereich bei seinen Betrachtungen vernachlässigt. Überdies sei es nicht so, dass nur Anzag und Sanacorp in den vom Kartellamt angeführten Regionen lieferten, sondern auch Gehe, Phoenix und Holdermann seien mit Touren präsent. Kögel: „Sie müssen nicht in die Festung eindringen.“

Es handele sich bei der Kritik des Kartellamtes, das vor dem OLG in knapp zwei Dutzend Punkten unterlegen war, um eine „strategische Blockade“. Kögel betonte, dass mögliche Nebenbestimmungen vom Bundeskartellamt abgelehnt worden seien; er selbst habe sich diesbezüglich um eine Klärung bemüht. Überdies gebe es auch heute noch einen Rabatt- und Preiswettkampf im Pharmagroßhandel. Der habe im vergangenen Jahr zu einem weiteren Margeneinbruch bei den beteiligten Unternehmen geführt. Dies spreche gegen die Untersuchungen des Kartellamts, die überdies nicht zur Sache gehörten.

Der von Sanacorp ebenfalls ins Rennen geschickte Professor Dr. jur. Wernhard Möschel beschrieb die erheblichen Auswirkungen der Verfahrensdauer auf die Vorstandsarbeit der Sanacorp und die finanziellen Auswirkungen. So habe der Großhändler bislang rund 8,6 Millionen Euro für die Finanzierung der Call Option aufwenden müssen.

Er machte deutlich, dass der Zusammenschluss „wettbewerbspolitisch förderlich“ sei. Es gehe „um den Zusammenschluss der beiden Fußkranken in diesem Gewerbe“. Der Sinn liege nicht nur in der Realisierung von Vertriebssynergien, um daraus einen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen. Es gehe auch um eine Verbreiterung der Kapitalbasis im Verhältnis zu anderen großen und kapitalstarken Wettbewerbern wie Celesio und Phoenix. Der Erhalt der nach einer möglichen Fusion insgesamt 37 Niederlassungen sei zwar ökonomisch nicht zwingend sinnvoll. Allerdings gebe es keine konkreten Planungen für die Zusammenlegung von Niederlassungen, so Kögel. Möschel betonte, dies sei auch deswegen schwierig, weil die einzelnen Niederlassungen die steigenden Kapazitäten nach der möglichen Schließung eines benachbarten Standorts nicht logistisch auffangen könnten. Die Verbindung von Anzag und Sanacorp sei im wesentlichen ein Schritt weg von „der drohenden Marginalisierung“, so Möschel.

Überraschende Steilvorlage

Etwas zu offenherzig mag der Professor bekundet haben, dass man einen englischen Konkurrenten mit der Übernahme des DZ-Bank-Pakets durch Celesio und Phoenix, die Möschel als „Parkwächter“ bezeichnete, „vom Markt halten“ wolle. Nothdurft gab sich nach dem Prozess „sehr überrascht“ von dieser Steilvorlage. Er war bereits in der Verhandlung auf den Verkauf eines größeren Noweda-Pakets an Alliance UniChem eingegangen. Nothdurft: „Die Noweda war vergrätzt, weil ihr Aufsichtsratsmitglied herausgehagelt worden war.“ Daraufhin habe die Noweda ein Aktienpaket „an den verhassten Wettbewerber“ verkauft. Damit habe die Noweda für Unruhe innerhalb der Anzag und bei den anderen Anteilseignern sowie in der gesamten Großhandelsbranche gesorgt, so Nothdurft weiter.

Das Kartellamt hatte während der Verhandlung mehrfach darauf hingewiesen, dass es die passive Haltung der übrigen zur Verhandlung geladenen Parteien, Phoenix, Celesio und Noweda, bemängele. Von deren Seite wollte man sich an der Verhandlung nicht mit eigenen Einlassungen beteiligen. Die Anzag schloss sich schlicht dem Vortrag der Sanacorp-Vertretung an.

In der Diskussion mit dem Richter-Quintett hielt sich zunächst der Eindruck, dass die BGH-Juristen den Ausführungen der Kartellbehörde nicht folgen wollten; die Skepsis war offensichtlich. Erst bei den Nachfragen und der längeren Einlassung von Professor Möschel fanden die Richter Antworten auf die aus ihrer Sicht wichtigen Fragestellung einer marktbeherrschenden Position. Die konkreten Schlüsse bleiben abzuwarten. Das Urteil wird am 13. Juli in Karlsruhe verkündet.

Manfred Renner, Vorstandschef der Sanacorp und Aufsichtsratvorsitzender der Anzag, war nicht nur in Begleitung seiner Vorstandskollegen, sondern auch mit Sanacorp-Aufsichtsratschef Jürgen Funke nach Karlsruhe gereist. Er gab sich nach der Verhandlung optimistisch: „Ich bin zuversichtlich, dass der Kartellsenat dem OLG Düsseldorf folgen wird.“ Allerdings ärgerte Renner die Einlassung der Kartellbehörde mit Bezug auf das laufende Ermittlungsverfahren: „Diese Untersuchung macht doch den Eindruck einer Beeinflussung des Prozesses.“

Nach einem positiven Urteil werde man den Zeitpunkt für die Ausübung der Optionen via DZ Bank ermitteln. Für eine tragfähige Finanzierung dieses Pakets gebe es eine „interessante Lösung“, die man bislang noch ungenutzt gelassen habe. Auf die Frage, mit welchem Partner man die Mehrheit bei der Anzag – sofern möglich – sichern wolle, gab sich Renner freimütig: „Wir denken da europäisch.“ Top

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