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Oesterles innerer Reichsparteitag

17.04.2000  00:00 Uhr

-Wirtschaft & HandelGovi-VerlagGEHE

Oesterles innerer Reichsparteitag

von Thomas Bellartz, Stuttgart

"Wir wollen auch in Zukunft eher klotzen denn kleckern." Dr. Fritz Oesterle, Vorstandsvorsitzender Gehe AG, präsentierte mit stolz geschwellter Brust in Stuttgart die positiven Zahlen des Konzerns für das Geschäftsjahr 1999. Trotz guter Umsatz- und Ertragszuwächse entwickelt sich aber der Aktienkurs weiter mehr schlecht als recht.

"Da müssen wir uns an die eigene Nase fassen", konstatierte Oesterle mit Blick auf das schwächelnde Papier. 1999 wartete Gehe mit einem Umsatzschub von 11,2 Prozent auf. Insgesamt setzte man im Kerngeschäft Pharmadistribution 13,6 Milliarden Euro um (1998: 12,2 Milliarden Euro). Das Ergebnis vor Steuern wurde um 15,5 Prozent auf 230 Millionen Euro (199,3 Millionen) gesteigert. Der Gesamtkonzern setzte 13,9 Milliarden Euro um. Hier lag das Ergebnis vor Ertragssteuern bei 260,9 Millionen Euro. Der Vorstand schlägt der Hauptversammlung eine Dividende von 0,77 Euro pro Aktie vor.

Das erste Quartal des aktuellen Geschäftsjahres liege weiter in der Spur der guten Geschäftsverläufe des Vorjahres. Nach rund 13 Prozent Zuwachs in den ersten drei Monaten erwartet Gehe für das Gesamtjahr ein Wachstum von etwa 10 Prozent. Zudem habe man die Umsatzschallmauer von 30 Milliarden DM fest im Visier.

Darf man Oesterles Worten glauben, marschiert die Gehe weiterhin rosaroten Zeiten entgegen. Der in Europa führende Pharmagroßhändler wolle seine Präsenz weiter intensiv ausbauen. Zuletzt sei man mit dieser Linie auch in Österreich bei der Akquisition der Herba erfolgreich gewesen. Mittlerweile halte das Unternehmen rund 80 Prozent des Kapitals. Im Wettbewerb um die Anteilsmehrheit hatte sich die Gehe im Januar gegen die mitbietende Sanacorp durchgesetzt.

Neben dem Ausbau der Großhandelsaktivitäten in möglichst vielen Ländern will die Gehe auch ihre Einzelhandelspräsenz stärken. "Wo es möglich ist, müssen wir im Einzelhandel tätig sein", betonte Oesterle. Wo zum Beispiel Apothekenketten rechtlich möglich seien, werde man in den Markt einsteigen. "Wenn wir es nicht tun, machen es andere", rechtfertigte der Jurist sein Engagement. Schließlich können die Marktteilnehmer "im Apothekeneinzelhandel Geld verdienen". So erwartet das Unternehmen besonders dort ein enormes Wachstumspotenzial, das der Vorstand "mit Augenmaß" ansteuere. Am Apothekeneinzelhandel gehe in Deutschland auch in Zukunft kein Weg vorbei, betonte Oesterle. Er sprach von der wachsenden Bedeutung der Apotheken als "point of sale".

Im Internet habe man verschiedene Portale geschaffen und sei zu einem "maßgeblichen Anbieter von E-Commerce-Lösungen für Apotheken in Europa" geworden. Dieses Engagement beschränke sich derzeit allerdings ausschließlich auf den B2B (Business to Business) - Bereich.

Den Aktienkurs wolle man durch einen Ausbau der Investor Relations, also der Öffentlichkeitsarbeit für potenzielle Anleger, beflügeln. Roadshows und Präsentationen seien dafür geeignete Mittel. Gehe müsse sich stärker in der Öffentlichkeit verkaufen, plädierte Oesterle für einen offensiveren Auftritt. Nach Angaben von Gehe-Finanzchef Stefan Meister schätzen Analysten das Potenzial der Gehe-Aktie auf 39 bis 50 Euro. Bislang scheint dieses Ziel indes in weiter Ferne. Großaktionär Franz Haniel habe sein Aktienpaket auf rund 60 Prozent aufgestockt, wolle es nach Informationen des Gehe-Vorstandes aber dabei belassen.

Oesterle ließ keine Chance ungenutzt, das weiterhin favorisierte Wachstum der Gehe zu propagieren. Zukäufe und Übernahmen seien hierfür das geeignete Mittel. Offen ließ der Vorstandsvorsitzende, wo das Stuttgarter Unternehmen als nächstes zuschlagen werde. Überhaupt gab sich Oesterle betont kämpferisch. "Es war mir ein innerer Reichsparteitag, auch die Mitbewerberschaft mit Grippemitteln zu beliefern", konnte sich Oesterle zudem einen Hinweis auf die Schlagkraft und logistischen Fähigkeiten des Konzerns nicht verkneifen.Top

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