Wirtschaft & Handel
Für die einen ist es das Medium der Zukunft, für die anderen ein weitgehend nutzloses Spielzeug, das nur von sinnvolleren Dingen abhält. Die Euphorie ist der nüchternen Abwägung von Vor- und Nachteilen gewichen. Als Medium zur Fachkommunikation scheint das Internet sich langsam durchzusetzen, kommerzielle Erfolge sind dagegen rar. Im World Wide Web läßt sich heute noch kein Geld verdienen.
"Der weltweite Umsatz im Internet entspricht den Einnahmen von zwei großen Supermärkten." Finanziell sei das Netz deshalb im Moment relativ uninteressant, sagte Dr. Klaus Preuß, Geschäftsführer Take Care Köln, auf der Mitgliederversammlung der Abteilung Selbstmedikation im Bundesverband der Deutschen Industrie (BPI). Die Qualität der Inhalte werde darüber entscheiden, ob in Zukunft mehr Menschen Online-Medien nutzen werden. Bei einem begrenzten Zeitbudget der Nutzer werden sich nur Angebote durchsetzen, die dem Konsumenten wirklich wichtige Informationen bereithielten.
Zu den chancenreichen Online-Diensten zählt Preuß das in der Projektphase befindliche deutsche Gesundheitsnetz der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Von den bereits laufenden Online-Diensten sei der Health Online Service (HOS) aufgrund seines breiten Angebotes bei den Ärzten der beliebteste. Bedauerlich sei jedoch, daß die Expertenkonsultation noch nicht funktioniere. Preuß erwartet, daß sich zwei bis drei medizinisch-pharmazeutische Online-Dienste in Deutschland etablieren können. "Für weitere ist der Markt zu klein." Grundsätzlich müßten die Informationen im Netz verläßlicher werden. Preuß: "Wenn ich heute den Lancet zitiere, muß ich mir wenig Gedanken darüber machen, ob die Angaben stimmen. Im Internet kann jeder schreiben, was er will." Nur wenn die Validität von Daten mit der anderer Medien vergleichbar sei, habe das Internet eine Chance als Fachmedium.
HOS nur für Ärzte und Apotheker zugänglich
Wesentlich positiver beurteilt Dr. Helmut Fluhrer, Geschäftsführer des Health Online Dienstes, die Entwicklungschancen des Netzes. Der Boom habe bereits eingesetzt. Heute würden 40 Millionen Menschen weltweit das immer billigere und einfacher zu bedienende Netz nutzen. Allein in Deutschland kämen monatlich 60.000 bis 70.000 dazu. In den vergangenen Jahren wurde das Internet billiger und wesentlich einfacher zu bedienen. Die großen Pluspunkte sind nach Fluhrer die Interaktivität, die Dialogfähigkeit und die Schnelligkeit. Auf dem Gebiet der Fachkommunikation möchte HOS in Europa ein wichtiges Wort mitsprechen. Der Online-Dienst ist ausschließlich für Ärzte und Apotheker zugänglich. Sie können sich registrieren lassen und erhalten ein Paßwort, mit dem sie das Internetangebot aufrufen können.
Im medizinischen Bereich kooperiert HOS mit dem Thieme Verlag. Das pharmazeutische Spektrum wird vom Deutschen Apotheker Verlag und dem Govi Verlag abgedeckt. So bietet der Govi Verlag neben aktuellen Nachrichten aus der PZ-Redaktion, Teile seines Verlagsprogrammes über HOS an. Die Inhalte unterscheiden sich vom bereits bestehenden Internetangebot der Pharmazeutischen Zeitung und des Govi Verlags. Bislang haben nach Fluhrers Angaben rund 21.000 Ärzte und Apotheker eine Zugang zu HOS beantragt. In Zukunft soll auch ein medizinisches Laienangebot bei HOS zu finden sein.
Mittlerweile haben auch die meisten Pharmaunternehmen den Weg ins Netz gefunden. Andreas Hiller, Geschäftsführer der Gesellschaft für Informationssysteme, verwies allerdings darauf, daß allein der Wunsch, auch dabei zu sein, für einen effektiven Netzauftritt nicht ausreicht. Seine Firma hat bei der Gestaltung der Netzseiten für Schaper und Brümmer in Salzgitter darauf Wert gelegt, eine Online-Präsenz aufzubauen, mit der sich auch die Angestellten des Phytopharmakahersteller indentifizieren. Kernstück der Seiten seien "objektiv gehaltene Informationen zu den Produkten des Unternehmens". Die Homepage diene außerdem der Kontaktaufnahme mit Ärzten und Apothekern, die über E-Mail auch direkt Anfragen an das Unternehmen richten können.
Auch der BPI ist seit einiger Zeit im Internet vertreten. Das Angebot wende sich an Schüler und Studenten, Ärzte und Apotheker sowie Journalisten, sagte Thomas Griese von der BPI-Presse- und Öffentlichkeitsarbeit . Interessierte können online die Pressemitteilungen des Verbandes abrufen, sich über europäische Entwicklungen informieren und Veranstaltungshinweise lesen.
Die Zahl der Apotheker mit Internetanschluß ist heute noch bescheiden. Da die meisten Apothekencomputer nicht mit dem Betriebssystem Windows arbeiten, fehlen hier die technischen Voraussetzungen für den Sprung ins Netz. Möglicherweise wird sich das bald ändern, denn die Firma Pharma Daig und Lauer will auf dem nächsten Apothekertag in Düsseldorf ein neues EDV-System für die Apotheken vorstellen, kündigte Geschäftsführer Günter Herzog an. Das Programm Win Apo soll den Einzug von Windows in die Offizin einleiten. Sollte es sich durchsetzen, dürfte die Zahl der Online-Anschlüsse in Apotheken deutlich steigen.
PZ-Artikel von Daniel Rücker, Frankfurt am Main
Internetadressen von den im Artikel erwähnten Unternehmen:
Govi Verlag:http://www.govi.de
HOS:http://www.hos.de
Lauer-Fischer: http://www.lauer-fischer.de
Schaper und Brümmer: http://www.schaper-bruemmer.de
BPI: http://www.pharma-bpi.com © 1996 GOVI-Verlag
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