
Titel
Placebo oder Pharmakon: Was leistet
Magnesium in der Therapie?
Die Erdrinde enthält etwa 1,9 Prozent Magnesium, das Meerwasser etwa 0,5
Prozent. Für Pflanzen ist das Kation als Zentralatom des Chlorophylls
lebenswichtig. Sie stellen den wichtigsten Magnesiumlieferanten für Mensch
und Tier dar. Mengenmäßig liegt das Erdalkalimetall mit 24 bis 28 Gramm im
menschlichen Körper an vierter Stelle hinter Calcium, Kalium und Natrium.
Zufuhr, Resorption und Ausscheidung bestimmen den Magnesiumhaushalt des
Menschen.
Dreißig Prozent des täglich aufgenommenen Magnesiums (etwa 300 mg) werden im
Dünndarm resorbiert. Auch im Dickdarm findet noch eine Resorption statt, der Rest
wird mit den Faeces ausgeschieden. Die hygroskopischen Eigenschaften des Kations
führen manchmal zur Stuhlerweichung bis hin zum Durchfall. Die Niere scheidet täglich
etwa 100 mg aus. Zwei Drittel des Metalls werden im Knochen gespeichert, der Rest
verteilt sich intrazellulär auf Organe und Skelettmuskulatur. Nur ein Prozent des
Körpermagnesiums kommt extrazellulär vor und sorgt für einen Serumspiegel von 0,8
bis 1,1 mmol/l (Normalwert). Davon liegen etwa 0,5 mmol/l ionisiert und damit
physiologisch aktiv vor. In der Zelle sind ebenfalls nur 0,5 mmol/l in ionisierter Form
vorhanden. Komplexgebunden erfüllt das Kation hier lebenswichtige Funktionen: Im
Mg-ATP-Komplex spielt es die Hauptrolle als Cofaktor von etwa 300
ATP-abhängigen Enzymen; es stabilisiert die Tertiärstruktur von Proteinen und
Nukleinsäuren; es reguliert Ionenströme und bindet an Phospholipide.
Die intrazellulären Magnesiumspiegel sind weitgehend unabhängig von der
extrazellulären Konzentration. Der Serumspiegel soll wegen circadianer Schwankungen
- morgens sind die Werte niedriger als abends -immer zur gleichen Zeit bestimmt
werden und ist vorsichtig zu interpretieren. Liegt er im unteren Normbereich (0,7 bis
0,8 mmol/l), kann ein latenter Mangel angenommen werden; unter 0,7 mmol/l muß
substituiert werden. Fällt der Serumspiegel unter 0,2 mmol/l, werden Mangelsymptome
manifest. Die Mangelsymptome sind vielfältig und können den gesamten Organismus
betreffen. Generell zeigt sich eine neuromuskuläre Übererregbarkeit, die den
Magen-Darm-Trakt, die Gebärmutter oder die Skelettmuskulatur beeinträchtigen kann.
Eine Magnesiumprophylaxe kommt bei Schwangeren spätestens im dritten Trimenon in
Frage; ebenso profitieren Patienten mit einem iatrogen bedingten Mangel
(Langzeittherapie mit Schleifendiuretika, Digitalis, Cisplatin, Ciclopsorin), Diabetiker
und Alkoholiker von einer peroralen Prophylaxe. Bei latentem Mangel klagen viele
Patienten über Krämpfe; auch hier ist eine perorale Substitution wirksam. Die Deutsche
Gesellschaft für Ernährung bietet mit ihren Zufuhrempfehlungen eine Leitlinie:
Erwachsene sollen täglich mindestens 300 mg = 12 mmol (Frauen) oder 350 mg = 14
mmol (Männer) aufnehmen.
Beim Herzinfarkt schützt Magnesium bei frühzeitiger parenteraler Gabe das geschädigte
Areal vor einer Calciumüberladung, die das Gewebe nach einer Lyse oft absterben läßt.
Der Serum-Magnesiumspiegel sollte auf mindestens 1,5 mmol/l über 24 Stunden
angehoben werden. Weitere Indikationen finden sich in der Gynäkologie
(Wehenhemmung = Tokolyse, Präeklampsie und Eklampsie, Dysmenorrhoe) und der
Neurologie (neuromuskuläre und neurovaskuläre Störungen).
Die pharmakologischen Effekte von Magnesium beruhen auf dem ionisiert vorliegenden
Anteil. Für die parenterale Therapie wird daher das sehr gut lösliche
MgSO4-Heptahydrat eingesetzt. Für perorale Präparate gelten andere Kriterien.
Anorganische Salze sind wegen der schlechten Löslichkeit nicht geeignet.
Magnesiumcarbonat, -hydroxid und -oxid neutralisieren Säuren und werden daher in
Kombination mit Aluminiumsalzen als Antacida eingesetzt; nur fünf bis zehn Prozent des
Magnesiums werden resorbiert. Bei der Auswahl eines Magnesiumpräparates zur
peroralen Gabe sollte sich der Apotheker an drei Hauptkriterien orientieren:
o Tagesdosis mindestens 300 mg = 12 mmol als Einmalgabe; maximal dreimal täglich
eine Gabe;
o organisches Anion, das verstoffwechselt wird und den Organismus nicht belastet;
o gelöste Darreichungsform, damit das Magnesiumion vorliegt.
PZ-Titelbeitrag von Katja Pannewig, München
© 1996 GOVI-Verlag
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